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Abänderung von Trennungsunterhalt – Bindungswirkung einer Einkommensfiktion

1. Wurde ein vorangehender Abänderungsantrag gegen eine frühere Entscheidung, mit der ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch tituliert wurde, als unzulässig verworfen, ist ein erneuter Abänderungsantrag grundsätzlich zulässig, da sich die Rechtskraft dieser Entscheidung nicht auf dem materiell-rechtlichen Unterhaltsanspruch bezieht, sondern auf den in diesem Verfahren maßgeblichen Verfahrensstreit.

2. Zur Bindungswirkung eines im vorangehenden Verfahren angenommenen fiktiven Einkommens (hier: Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld) im folgenden Abänderungsverfahren, in dem vom Unterhaltspflichtigen geltend gemacht wird, keine ausreichenden Einkünfte zur Erfüllung des titulierten Unterhaltsanspruchs mehr erzielen zu können.

3. Beruht die Einkommensfiktion insbesondere auf der gebotenen, aber nicht vorgenommenen Inanspruchnahme von Lohnersatzleistungen, ist diese Einkommensfiktion beizubehalten, wenn der Unterhaltspflichtige nach Auslaufen der Lohnersatzleistungen verpflichtet war, wieder eine mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit aufzunehmen, entsprechende Erwerbsbemühungen aber nicht hinreichend vorgetragen hat.

OLG Brandenburg,Beschl.v.10.12.2019–13 UF 52/18

I. Der Fall

Die Antragstellerin begehrt die Abänderung eines zugunsten ihres Ehemannes bestehenden Trennungsunterhaltstitels.

Die Beteiligten haben am 4.6.1993 die Ehe geschlossen. Das von ihnen seit 2002 gemeinsam bewohnte Anwesen steht im Alleineigentum der Antragstellerin. Seit 2010 leben die Eheleute getrennt. Während der Ehezeit war der Ehemann nicht berufstätig. Im Laufe der Ehe hat die Antragstellerin in 2006 und 2012 zwei Kinder geboren, die nicht vom Antragsgegner abstammen. Durch Beschl. v. 4.2.2015, berichtigt durch Beschl. v. 5.5.2015, ist die Antragstellerin zur Zahlung von monatlichem Trennungsunterhalt in Höhe von 1.163 EUR verpflichtet worden. Im Ausgangsbeschluss ist ausgeführt, dass es auf die Kündigung ihrer Arbeitsverhältnisse durch die Ehefrau nicht ankomme, denn die Aufgabe der Arbeitsverhältnisse sei ihr zuzurechnen. Sie hätte Arbeitslosengeld von 2.400 EUR monatlich beziehen und von Rücklagen leben müssen, die sie bei ihrem früheren Verdienst leicht hätte bilden können. Mit erfolglosem Antrag vom 4.4.2016 begehrte die Antragstellerin bereits Abänderung des monatlichen Trennungsunterhalts auf „0“.

Mit dem vorliegenden Verfahren erstrebt die Antragstellerin erneut die Abänderung des ursprünglichen Titels.

Sie trägt vor, ihre Einkommensverhältnisse hätten sich wesentlich geändert. Ihre Arbeitsverhältnisse habe sie zum 30.6.2014 gekündigt und damit einer arbeitgeberseitigen Kündigung vorgegriffen. Das Vertrauensverhältnis zum Gesellschafter der Arbeitgeberin sei zerrüttet gewesen, die Arbeitsbedingungen unhaltbar, die Vorhalte des Arbeitgebers unberechtigt. Seit 07/2014 verfüge sie über keinerlei Erwerbseinkommen. Sie habe das im Miteigentum stehende Anwesen versteigern lassen und ihr weiteres Anwesen veräußert. Den Erlös aus diesen Veräußerungen in Höhe von insgesamt 77.373,55 EUR habe sie aufgezehrt. Aus dem Erlös ihres Miteigentumsanteils (35.373,55 EUR) habe sie 29.507,38 EUR eingesetzt, um die titulierten Trennungsunterhaltsansprüche des Antragsgegners für den Zeitraum 12/2013 bis 11/2015 sowie Versteigerungskosten zu erfüllen. Die Kinder würden von ihrem leiblichen Vater unterhalten, der auch die Kosten des von ihr bewohnten Anwesens trage und ihr Darlehen für persönliche Belastungen gewähre. Seit 07/2014 sei sie selbstständig gewesen, Einnahmen habe sie keine erzielt. In 09/2016 habe sie sich beim Jobcenter arbeitssuchend gemeldet. Es sei ihr nicht möglich, eine ähnlich gut bezahlte Beschäftigung zu finden wie in den Jahren 2012 bis 2014. Der Antragsgegner beziehe seit 11/2014 eine Rente von 326,14 EUR monatlich, die bedarfsdeckend anzurechnen sei.

II. Der Fall

Das OLG Brandenburg hält die zulässige Beschwerde für unbegründet.

In der Ausgangsentscheidung habe das Amtsgericht der Antragstellerin in Ansehung der gekündigten Arbeitsverhältnisse durch eine auf einer Rückschau beruhende Prognose der künftigen Entwicklung Einkünfte zugerechnet.

Sie hätte Arbeitslosengeld von monatlich 2.400 EUR beziehen und Rücklagen angreifen müssen, deren Bildung ihr möglich gewesen sein müsse. Hieraus könne sie den Unterhaltsbedarf des Antragsgegners von 1.163 EUR decken. Maßgeblich für die Frage der Abänderbarkeit der Ausgangsentscheidung sei nicht ein damals tatsächlich erzieltes Einkommen, sondern die Frage, ob sich die Umstände geändert haben, die es damals gerechtfertigt hatten, ihr ein fiktives Einkommen in der entsprechenden Höhe zuzurechnen.

Der Einwand, mit den nach Erlass der abzuändernden Entscheidung aufgenommenen selbstständigen und unselbstständigen Tätigkeiten, keine dem früheren Verdienst entsprechenden Einkünfte mehr erzielen zu können, verhelfe dem Ansinnen der Antragstellerin nicht zum Erfolg.

Denn unter Wahrung der Grundlagen der Ausgangsentscheidung sei der Antragstellerin auch weiterhin ein fiktives Einkommen zuzurechnen, das zusammen mit dem ihr zurechenbaren Wohnvorteil ausreiche, um den titulierten Unterhalt zu zahlen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei bei der Abänderung von auf fiktiver Grundlage beruhenden Entscheidungen bei den unterschiedlichen Fallgestaltungen der fingierten Leistungsfähigkeit zu unterscheiden zwischen Fällen, in denen der Unterhaltspflichtige zunächst schuldlos seine Arbeitsstelle verliere und sich danach nicht in ausreichendem Maß um eine neue bemühe, so dass ihm nunmehr fiktiv ein erzielbares Einkommen – gegebenenfalls entsprechend jetzt schlechterer Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt – zugerechnet werde, und Fällen, in denen ein Unterhaltspflichtiger mutwillig einen gut bezahlten sicheren Arbeitsplatz aufgebe und deshalb fiktiv so behandelt werde, als ob er noch die frühere Arbeitsstelle mit dem dort erzielten Einkommen habe. Der hier zu beurteilende Fall sei der ersten Fallgruppe zuzuordnen. Denn die Ausgangsentscheidung stelle nicht fest, dass sich die Antragstellerin unterhaltsbezogen mutwillig verhalten hätte, indem sie ihre gut bezahlten Arbeitsverhältnisse aufgegeben habe. Das Einkommen, das die Antragstellerin bei ihrem früheren Arbeitgeber erzielt habe, sei folglich nicht auf der Grundlage einer unterhaltsbezogen leichtfertigen Aufgabe dieser Beschäftigungsverhältnisse fiktiv fortzuschreiben. Vielmehr setze die Ausgangsentscheidung vor dem Hintergrund der Aufgabe dieser Arbeitsverhältnisse im Hinblick auf die Obliegenheit, Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 2.400 EUR zu beziehen und Vermögensreserven für den Lebensunterhalt einzusetzen, fiktiv unbezifferte Einkünfte der Antragstellerin an (Bl. 39). Die Einkommensfiktion beruhe also auf der Verletzung der Obliegenheit, nach dem Ende der früheren gut bezahlten Beschäftigungsverhältnisse Lohnersatzleistungen zu beziehen und Vermögensreserven aufzubrauchen. Die Antragstellerin mache zwar mit Recht geltend, dass ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld mittlerweile abgelaufen und der ihr zumutbare Verzehr von Vermögensreserven – in Gestalt von Immobilien – erfolgt sei. Hierauf lasse sich eine Prognose nicht mehr weiter stützen. Die mangelnde Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld habe auf die Höhe eines fiktiv zurechenbaren Einkommens im verfahrensgegenständlichen Zeitraum, der mit dem 10/2017 beginnt, keine Auswirkungen. Denn der Arbeitslosengeldbezug Ende nach zwei Jahren, wäre vorliegend also im Sommer 2016 ausgelaufen. Dasselbe gelte für die Verwertung von Vermögensreserven. Der tatsächlich erfolgte Vermögensverzehr durch Verwertung ihrer Immobilien führe im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht mehr zu einer Erhöhung des bedarfsbestimmenden Einkommens der Antragstellerin. Sie habe vorgetragen, die ihr zugeflossenen Veräußerungserlöse tatsächlich aufgezehrt zu haben, wobei sie ca. 35.322 EUR (Bl. 24) für Unterhaltszahlungen an den Antragsgegner und für Zwangsversteigerungskosten aufgewandt hätte. Die verbleibenden 42.000 EUR habe sie, weil sie auf Geldzuflüsse dringend angewiesen gewesen sei, aufgebraucht (Bl. 22). Aus diesem Vortrag ergebe sich, dass die Antragstellerin, nachdem sie nach Aufgabe ihrer früheren und Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit nicht mehr über Erwerbseinkünfte verfüge, entsprechend der in der Ausgangsentscheidung festgestellten Obliegenheit, einen Teil ihres Vermögensstamms tatsächlich in angemessener Weise in Höhe von monatlich 1.750 EUR (42.000 EUR / 24 Monate) bis Mitte 2017 für den Lebensunterhalt eingesetzt habe. Die Umlegung des Vermögensbetrages auf zwei Jahre rechtfertige sich aus den bis dahin komfortablen Einkommensverhältnissen, die nach der in der Ausgangsentscheidung getroffenen Prognose eine konkrete Unterhaltsbedarfsbemessung rechtfertigen sollte.

Die Antragstellerin könne sich nicht mit Erfolg auf völlig ausbleibendes Erwerbseinkommen berufen. Insoweit führe der langfristige Betrieb ihrer äußerst verlustreichen selbstständigen Tätigkeit zur Feststellung einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheitsverletzung und damit zur Zurechnung eines fiktiven Einkommens. Die Antragstellerin habe sich unterhaltsrechtlich obliegenheitswidrig verhalten, indem sie sich nach Aufgabe ihrer Beschäftigungsverhältnisse nicht rechtzeitig um eine neue auskömmliche Erwerbstätigkeit bemüht habe. Hierzu hätte ihr zunächst auch der eingeschlagene Weg in die berufliche Selbstständigkeit offen gestanden. Nachdem sie die im 07/2014 aufgenommene selbstständige Tätigkeit von Anfang an verlustreich betrieb, hätte sie sich spätestens nach den ersten beiden Jahren ab Mitte 2016 um die Erschließung einträglicher Einkommensquellen bemühen müssen, zumal zu diesem Zeitpunkt ein erheblicher Teil ihrer Vermögensreserven bereits aufgebraucht gewesen sei. Ihrer Ausbildung und ihren beruflichen Erfahrungen als Prokuristin eines international agierenden Konzerns hätte eine Tätigkeit etwa als Kauffrau entsprechen können. Mit einer solchen Tätigkeit hätte sie die Möglichkeit gehabt, ein Jahresbruttoeinkommen von ca. 60.000 EUR zu erzielen (vgl. www.lohnspiegel.de „Diplom-Kaufmann/-frau“). Die Darlegung hinreichender Bemühungen um eine entsprechende Anstellung habe die Antragstellerin nicht versucht. Die erst im Jahr 2018 aufgenommenen beiden Tätigkeiten in der Kosmetikbranche und als kaufmännische Angestellte, aus denen sie Erwerbseinkünfte erzielt habe, sind für den Bedarf nicht maßgebend. Denn diese Erwerbstätigkeiten hätten nicht ihren beruflichen Qualifikationen und Erfahrungen als Akademikerin und ehemalige Prokuristin eines international tätigen Konzerns entsprochen. Bei Zugrundelegung eines jährlichen (fiktiven) Bruttoeinkommens von 60.000 EUR, Lohnsteuerklasse I und 2 Kinderfreibeträgen ergebe sich für 2017 ein monatliches Nettoeinkommen von 2.959,65 EUR, abzüglich 5 % pauschaler berufsbedingter Aufwendungen (147,98 EUR) 2.811,67 EUR, für 2018 ein Nettoeinkommen von 2.981,03 EUR, abzüglich berufsbedingter Aufwendungen (149,05 EUR) 2.831,98 EUR und für 2019 ein Nettoeinkommen von 3.001,52 EUR abzüglich berufsbedingter Aufwendungen (150,08 EUR) 2.851,44 EUR. Außerdem sei der Antragstellerin, die weiterhin das in ihrem Eigentum stehende Haus bewohne, wie in der Ausgangsentscheidung ein Wohnvorteil von 1.400 EUR monatlich zuzurechnen, welcher um die monatlich gezahlten Kreditraten an in Höhe von 200 EUR zu vermindern sei.

Auch den für ihre Kinder aufzubringenden Unterhalt könne die Antragstellerin dem Antragsgegner nicht entgegenhalten. Die Kinder stammten unstreitig nicht vom Antragsgegner ab. Die Berücksichtigung eigener Aufwendungen für die während der Ehe geborenen Kinder eines anderen Mannes könnte allenfalls dann in Betracht kommen, wenn der Unterhaltsbedarf der Kinder nicht – etwa durch Leistungen des leiblichen Vaters oder Dritter – gedeckt ist.

[… Es folgt die Unterhaltsberechnung]

Dieses Ergebnis vermag eine Herabsetzung des Unterhalts nicht zu rechtfertigen.

III. Der Praxistipp

Die Frage der Abänderung eines Unterhaltstitels der auf der Grundlage fiktiver Einkünfte des Unterhaltsschuldners ergangen ist, ist Gegenstand der vorgestellten Entscheidung des OLG Brandenburg vom 10.12.2019. Das OLG stellt in diesem Zusammenhang klar, dass alleine der Vortrag des Unterhaltspflichtigen, er komme inzwischen seiner Erwerbsobliegenheit nach, nicht ausreicht, um die Abänderung zu begründen.

Vielmehr muss der unterhaltspflichtige und die Abänderung begehrende Antragsteller vortragen, er habe zwischenzeitlich seine frühere Erwerbstätigkeit aus anderen Gründen als denen, die zu einer fiktiven Anrechnung von Einkünften geführt haben, verloren. Dies können z.B. gesundheitliche Beeinträchtigungen des Antragstellers sein.

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