Beitrag

A. Einleitung

Verfasser: Dr. Wolfram Viefhues weitere Aufsicht führender Richter am Amtsgericht a.D., Gelsenkirchen

Mit der vom Bundeskabinett Ende August beschlossenen Digitalstrategie will Deutschland bei der Digitalisierung zumindest in die Top-Ten in Europa aufsteigen – ein ehrgeiziges Ziel, wenn man den Digitalisierungsrückstau in der Realität betrachtet, den vor allem die Corona-Pandemie sehr schmerzlich und unübersehbar offengelegt hat. Nach, durchaus ernst zu nehmenden Untersuchungen liegt die deutsche Justiz in puncto Digitalisierung 10 Jahre hinter Singapur (nachzulesen unter https://www.libra-rechtsbriefing.de/L/10-jahre-hinter-singapur/).

Dabei lässt auch die Gesetzgebung manche Chance zur schnelleren Überwindung des Digitalisierungsdefizits aus. So ist zum 1.8.2022 die Neufassung des Nachweisgesetzes in Kraft getreten, die in Umsetzung einer EU-Richtlinie jedem Arbeitgeber umfangreiche Dokumentationspflichten auferlegt. Obwohl die Richtlinie ausdrücklich die elektronische Form ermöglicht, macht das Umsetzungsgesetz hiervon keinen Gebrauch. Die wesentlichen Arbeitsbedingungen müssen also weiterhin in Schriftform ausgehändigt werden. Die Nichteinhaltung dieser gesetzlichen Vorgaben ist zudem nunmehr eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu 2.000 EUR sanktioniert werden kann. Da es künftig bis zu 2.000 EUR kosten soll, wenn Arbeitgeber Arbeitsverträge digital übermitteln, spottet die FAZ mit der Schlagzeile „Digitalisierung unter Strafe verboten”.

Wo bleibt das Positive?

Unser Titelthema ist diesmal die KI, also die künstliche Intelligenz, über die aktuell sehr viel zu hören und zu lesen ist und mit der teilweise hohe Erwartungen, aber ebenso große Befürchtungen verbunden sind. Die Angst vor dem „Roboter-Gericht“ will ich Ihnen gleich nehmen. Allen Beteiligten, die sich ernsthaft mit der Thematik befassen, ist klar, dass eine gerichtliche Entscheidung nicht schematisch und vollautomatisch wie eine Steuererklärung abgearbeitet werden kann. Eine breit besetzte Arbeitsgruppe in der Justiz hat sich sorgfältig mit diesen Fragen befasst und ein umfangreiches Grundlagenpapier erarbeitet. Darüber informiert uns Isabelle Biallaß in ihrem Beitrag „Der Einsatz von KI und algorithmischen Systemen in der Justiz“.

Weiter gibt es zu vermelden, dass Bayern und Niedersachsen gemeinsam mit der Universität Regensburg ein Forschungsprojekt zur Modernisierung des Zivilprozesses gestartet haben, in dem unter anderem eine „Strukturierungssoftware für den Parteivortrag“ entwickelt werden soll (siehe dazu auch den Beitrag „Basisdokument und smarte Klage-Tools“ von Prof. Dr. Ralf Köbler in Ausgabe 3/2022 unserer Broschüre). Es handelt sich dabei um eine Reaktion auf die erhebliche Belastung der Gerichte durch Massenverfahren mit umfangreichen, nicht auf den konkreten Einzelfall bezogenen Parteischriftsätzen (Dieselverfahren, Fluggastklagen, Widerrufen von Darlehensverträgen und zahlreichen anderen Massenverfahren). Ab 2024 soll das Reallabor dann an ausgewählten Zivilgerichten in Bayern und Niedersachsen stattfinden. Dabei soll herausgefunden werden, in welchen Fällen und in welcher Ausgestaltung Vorgaben für die Strukturierung des Parteivortrags Vorteile für das Verfahren und die Prozessbeteiligten bringen können. Das Projekt soll ergebnisoffen unter Einbeziehung der Sichtweisen aller Betroffenen – also auch der Anwaltschaft – geführt werden.

Und natürlich findet sich auch wieder ein „dickes Paket“ zum beA in unserem Heft. Ilona Cosack hat dazu gleich 3 Beiträge beigesteuert.

Ab dem 1.1.2023 kommt übrigens ein weiters besonderes elektronisches Postfach zum Einsatz, nämlich mit dem „besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach“ (beSt) die digitale Lösung für die Justizkommunikation für Steuerberater.

Wir wünschen Ihnen eine angenehme und nutzbringende Lektüre unserer e-Broschüre.

Dr. Wolfram Viefhues

Herausgeber

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