1. Die Intransparenz einer auflösenden Bedingung kann sich aus der Kombination mit einem Widerrufsvorbehalt ergeben. Es ist für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer unverständlich, wenn einerseits detailliert geregelte Voraussetzungen für den Entzug des Geschäftsfahrzeugs geregelt werden, andererseits aber als Vertragsergänzung jede Änderung der vertraglichen Aufgaben zum Widerruf berechtigen soll.
2. Ein bei der Überlassung eines Dienstwagens, der auch zur Privatnutzung berechtigt, vereinbartes Widerrufsrecht ist nach §§ 307 Abs. 1 Satz 1, 308 Nr. 4 BGB unwirksam, wenn es inhaltlich zu weit gefasst ist und den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt
3. Zum Widerruf berechtigen können nur solche organisatorischen Änderungen, die zwangsläufig eine Änderung der arbeitsvertraglich übertragenen Aufgaben mit sich bringen und die dazu führen, dass die Erforderlichkeit eines Geschäftsfahrzeugs für die übertragenen Aufgaben nicht mehr gegeben ist.
[Redaktionelle Leitsätze]
I. Der Fall
Weiternutzung des Dienstwagens
Die Parteien streiten um die Überlassung eines Dienstwagens auch zur Privatnutzung über den 31.12.2023 hinaus. Dem Kläger wurde bei der Übernahme einer neuen Tätigkeit als Gebietsleiter Verkauf ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt, den er auch privat nutzen durfte. In einer Nebenabrede waren die Bedingungen der Dienstwagenüberlassung geregelt.
Widerrufsvorbehalt
Darin hatte sich die Beklagte den Widerruf unter bestimmten Bedingungen vorbehalten. Konkret sollte der Widerruf möglich sein, wenn sich die arbeitsvertraglichen Aufgaben des Klägers änderten.
auflösende Bedingung
Daneben war eine auflösende Bedingung vereinbart, wonach der Wagen dem Kläger nur so lange zur Verfügung stehen sollte, wie er für die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Aufgaben erforderlich war. Das Unternehmen legte dabei fest, dass der Anspruch auf den Dienstwagen entfalle, wenn der Kläger weniger als 50 % seiner Arbeitstage für Dienstreisen nutzte und daher eine „dauerhafte Mobilität“ zu verneinen sei.
Wechsel der Tätigkeit
Nachdem die Beklagte das Vertriebskonzept neu ausgerichtet hatte, arbeitete der Kläger ab Februar 2023 auf einer neuen Position, wobei ihm der Dienstwagen zunächst weiterhin überlassen wurde. Im März 2023 stellte die Beklagte sodann fest, dass sich die Abwesenheitszeiten des Klägers deutlich reduziert hatten und unter 50 % lagen. Sie forderte ihn daraufhin auf, unter Gewährung einer Kulanzfrist, den Dienstwagen spätestens zum 31.12.2023 zurückzugeben.
Verfahrensgang
Hiergegen wendete sich der Kläger mit seiner Klage, die jedoch vom Arbeitsgericht abgewiesen wurde (ArbG Dortmund, Urt. v. 26.9.2023 – 5 Ca 1815/23).
II. Die Entscheidung
Berufung erfolgreich
Die dagegen eingelegte Berufung war erfolgreich. Das LAG hob die erstinstanzliche Entscheidung auf und sprach dem Kläger den geltend gemachten Anspruch auf weitergehende Überlassung des Dienstwagens zu (LAG Hamm, Urt. v. 23.1.2024 – 6 Sa 1030/23).
Entgeltbestandteil
Das LAG Hamm führte insoweit aus, dass der Dienstwagen Bestandteil des Arbeitsentgeltes sei, schließlich war er (auch) zur privaten Nutzung überlassen. Die Überlassung des Dienstwagens sei daher grundsätzlich so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten muss. Der Anspruch des Klägers auf weitere Überlassung eines Geschäftsfahrzeugs wäre, laut LAG, daher nur dann zu verneinen, wenn die Beklagte zur Rückforderung berechtigt wäre, namentlich eine wirksam vereinbarte auflösende Bedingung eingetreten oder von einem wirksam vereinbarten Widerrufsvorbehalt in zulässiger Weise Gebrauch gemacht worden wäre. Beides sei vorliegend nicht gegeben.
auflösende Bedingung intransparent
Die in der Vertragsergänzung vereinbarte auflösende Bedingung sei unter mehreren Aspekten intransparent und daher unwirksam. Unklar sei bereits, wann eine „dauerhaft hohe Mobilität“ zu verneinen ist. Auch sei unklar, wie die 50 %-Quote zu berechnen sei. Es ergebe sich nicht, ob auf die jeweilige individuelle Arbeitszeit des Arbeitnehmers, auf die jährliche Arbeitszeit eines in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmers oder auf die individuelle Arbeitszeit ohne Urlaub, Krankheit und Feiertage abzustellen sei. Auch, wann die Bedingung eintreten soll, sei jedenfalls unklar. Die Intransparenz der Klausel ergebe sich auch aus der Kombination von auflösender Bedingung mit dem Widerrufsvorbehalt. Es sei für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer unverständlich, wenn einerseits detailliert geregelte Voraussetzungen für den Entzug des Geschäftsfahrzeugs geregelt würden, andererseits aber nach der Vertragsergänzung jede Änderung der vertraglichen Aufgaben zum Widerruf berechtigen soll.
Widerrufsvorbehalt unwirksam
Auch der Widerrufsvorbehalt sei nicht wirksam, da er die Beklagte zum Widerruf des Geschäftsfahrzeugs auch aus Gründen berechtige, die für den Kläger nicht zumutbar seien, denn nicht jede Änderung der Arbeitsaufgabe stelle einen anzuerkennenden Sachgrund für den Entzug der Dienstwagennutzung dar. Zum Widerruf berechtigen könnten nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts nur solche organisatorischen Änderungen, die zwangsläufig eine Änderung der arbeitsvertraglich übertragenen Aufgaben mit sich brächten und die dazu führen würden, dass die Erforderlichkeit eines Geschäftsfahrzeugs für die übertragenen Aufgaben nicht mehr gegeben wäre. Dies komme in der Widerrufsklausel nicht zum Ausdruck.
III. Der Praxistipp
sorgfältige Formulierungen
Es bleibt dabei: Dienstwagenregelungen sind ein Risiko für Arbeitgeber, wenn sie nicht sorgfältig formuliert sind. Denn die Rechtsprechung ist hier (sehr) streng. Das Urteil des LAG Hamm verdeutlicht dies einmal mehr und zeigt, dass nicht jede vom Arbeitgeber antizipierte Konstellation zum Entzug des Dienstwagens abgebildet werden kann. Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber schon versucht, eine umfassende Regelung zu schaffen und ist dann in die Transparenzfalle getappt. Der Versuch, alle Eventualitäten abzudecken, führte letztendlich zur Unwirksamkeit der Klausel.
Abwägung
Bei Dienstwagenregelungen sollten sich Arbeitgeber auf realistische und konkrete Szenarien beschränken, bei deren Vorliegen sie sich von der Dienstwagenüberlassung lossagen wollen und diese in der Dienstwagenvereinbarung sauber abbilden. Dabei gilt, je klarer die Formulierung, desto höher die Chance, dass die Vereinbarung als wirksam vereinbart gilt. Und zum Schluss sollte stets auch das Interesse des Arbeitnehmers Berücksichtigung finden, denn dies kommt spätestens bei der Ausübungskontrolle und der Frage, ob der Entzug des Dienstwagens billigem Ermessen entspricht, ohnehin zum Tragen.
Dr. Jannis Kamann, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln, kamann@michelspmks.de