1. Bei virtuellen Optionen handelt es sich um die Einräumung von Chancen. Ob es jemals zu einem Zufluss kommt, ist nach den Optionsbedingungen ungewiss. Zudem fehlt es ihnen an der Fungibilität.
2. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellen auch Aktienoptionen im Gegensatz zu anderen Sonderleistungen, die an den Gewinn oder Umsatz des Unternehmens in einem Geschäftsjahr anknüpfen oder individuelle Leistungen des Arbeitnehmers innerhalb einer bestimmten, überschaubaren Periode zusätzlich honorieren, weniger Gegenleistung für erbrachte Leistungen, sondern vielmehr Gewinnchance und Anreiz für zukünftigen Einsatz da (vgl. BAG, Urt. v. 28.5.2008 –10 AZR 35107; so auch LAG München, Urt. v. 7.2.2024 – 5 Sa 98/23, für virtuelle Optionen, Revision eingelegt unter BAG – 10 AZR 67/24; krit. mit durchaus diskussionswürdigen Argumenten: ErfK/Preis, 24. Aufl. 2024, BGB § 611a Rn 542, m.w.N.).
3. Jedenfalls in der vorliegenden Konstellation haben die virtuellen Optionen kostenrechtlich keinen Einfluss auf den Gegenstandswert für den Kündigungsschutzantrag. Es besteht kein kostenrechtlich relevanter Bezug der individuellen Leistungen des Klägers zu den mit den virtuellen Optionen verbundenen Chancen.
[Amtliche Leitsätze]
I. Der Fall
Kündigungsschutzklage
Anlass für die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes ist die Kündigungsschutzklage eines Arbeitnehmers, dem neben dem regelmäßigen monatlichen Entgelt für seine Tätigkeit eine so bezeichnete „Virtuelle Option“ durch den Arbeitgeber zugeteilt worden war.
Optionsprogramm
Der Arbeitgeber hatte in einem „Virtuellen Optionsprogramm“ Arbeitnehmern „als Anreiz für Engagement und Kommitment für die künftige Tätigkeit“ eine Beteiligung an der Wertsteigerung des Unternehmens angeboten. Dem Kläger des Rechtsstreits wurden auf der Basis dieses Programms insgesamt 420 virtuelle Optionen zugesagt, die gemäß den Bedingungen des Programms über einen Zeitraum von 48 Monaten angespart werden mussten.
Optionen keine Tätigkeits-vergütung
Die von dem Arbeitgeber formulierten Optionsbedingungen sehen vor, dass es sich bei den gewährten virtuellen Optionen „explizit“ nicht um die Gewährung einer Vergütung für in der Vergangenheit liegende Tätigkeiten des Arbeitnehmers handelt. Weiter wird in den Optionsbedingungen festgehalten, dass die Ausübung der Rechte aus den erteilten Optionen, sofern diese nicht verfallen sind, nur bei Eintritt bestimmter Bedingungen, insbesondere im Falle des Verkaufs des Unternehmens, möglich ist. Die Optionen sind im Übrigen an Dritte nicht übertragbar.
Verfahrensgang
Der von den Parteien geführte Kündigungsrechtsstreit wurde durch einen Vergleich vor dem Arbeitsgericht beendet. Darin war u.a. festgehalten, dass dem Arbeitnehmer 341,25 virtuelle Optionen bereits unverfallbar zustehen und monatlich bis zum vereinbarten Beendigungsdatum jeweils weitere 8,75 virtuelle Optionen hinzukommen. Die Bevollmächtigten des Klägers haben, unter Berücksichtigung dieser Regelung, die Streitwertfestsetzung beantragt und dabei ausgeführt, bei den virtuellen Optionen handele es sich um Arbeitsentgelt, sodass diese bei der Festsetzung des Streitwertes für den Rechtsstreit zu berücksichtigen seien. Das Arbeitsgericht Berlin hat den Streitwert lediglich auf der Basis der vereinbarten monatlichen Vergütung festgesetzt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen.
II. Die Entscheidung
Berücksichtigung von Entgeltzahlungen
Zur Begründung führt das LAG aus, dass die Festsetzung des Streitwertes für einen Kündigungsrechtsstreit ausschließlich auf der Basis der dem Arbeitnehmer gewährten Entgeltleistungen erfolgen könne. Bei den hier gegenständlichen virtuellen Optionen handele es sich jedoch bereits nach der ausdrücklichen Formulierung im Optionsprogramm nicht um eine Vergütung für die Tätigkeit des Arbeitnehmers, somit nicht um das vereinbarte Arbeitsentgelt.
Einräumung von Chancen
Darüber hinaus werde auch aus den weiteren Bedingungen für die erteilten virtuellen Optionen deutlich, dass es sich dabei nicht um ein berechenbares Entgelt, sondern um die Einräumung einer Chance auf eine zusätzliche Zahlung zugunsten des Arbeitnehmers handele. Das ergebe sich einerseits aus der erst bei der berechtigten Ausübung möglichen Wertbestimmung der Option und andererseits aus der Tatsache, dass die Optionen nicht handelbar seien. Selbst bei unverfallbarer Zuteilung der Optionen sei nicht klar, ob sich hieraus auch ein geldwerter Vorteil ergebe.
III. Der Praxistipp
Festsetzung für das Verfahren
Die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg ist bezüglich der Bestimmung des Wertes des Kündigungsschutzverfahrens zustimmungswürdig. Maßstab für den Streitwert des Kündigungsschutzverfahrens ist die dem Arbeitnehmer zufließende regelmäßige Vergütung. Vereinbarungen, mit denen ein zum Zeitpunkt der (unverfallbaren) Erteilung der Optionen nicht bestimmbarer geldwerter Vorteil versprochen wird, stellen keine solche Vergütung dar.
notwendiger Vergleichsmehrwert
Der von dem LAG wiedergegebene Sachverhalt gibt keine Auskunft darüber, ob für den von den Parteien geschlossenen Vergleich ein entsprechender Mehrwert für die Klärung sowohl des Umfangs der unverfallbaren Optionen als auch der monatlich hinzukommenden Optionen in Ansatz gebracht wurde. Nachdem beide Fragen offenkundig zwischen den Parteien streitig waren, sollte, unabhängig davon, in welcher Höhe die geldwerten Vorteile dieser Option bemessen werden, eine entsprechende Festsetzung eines hierauf beruhenden Mehrwert erfolgt sein.
Markus Pillok, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln, pillok@michelspmks.de