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Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung (Teil III)

Nachdem die ersten Änderungen durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung (BGBl 2023 I Nr. 217 vom 18.8.2023) bereits zum 18.11.2023 – vgl. dazu Infobrief Arbeitsrecht 08-­2023 – sowie sodann zum 1.3.2024 in Kraft getreten sind – vgl. dazu Infobrief Arbeitsrecht 02-­2024 –, werden nun mit Wirkung zum 1.6.2024 weitere Neuregelungen aufgrund des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung sowie der diese flankierende Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung (BGBl 2023 I Nr. 233 vom 31.8.2023) in Kraft treten.

V.

Neuregelungen zum 1.6.2024

Dies betrifft Neuregelungen in folgenden Bereichen des Arbeitsmigrationsrechts:

  • Einführung einer Chancenkarte (§ 20a AufenthG)

  • Aufstockung des Kontingents bei der Westbalkanregelung (§ 26 Abs. 2 BeschV)

Diese werden nachfolgend im Überblick vorgestellt.

1. Chancenkarte

Für einen Aufenthalt zur Arbeitsplatzsuche wird in der neu eingefügten Regelung des § 20a AufenthG eine Chancenkarte eingeführt. Bei der Chancenkarte handelt es sich gemäß der Legaldefinition in § 20a Abs. 1 AufenthG um eine Aufenthaltserlaubnis zur Suche nach einer Erwerbstätigkeit oder nach Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. Mit der Chancenkarte sollen die Möglichkeiten, Kontakte zu deutschen Arbeitgebern zu knüpfen und eine qualifizierte Beschäftigung in Deutschland zu finden, für ausländische Fachkräfte verbessert werden.

Die Chancenkarte kann nach näherer Maßgabe des § 20a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG einem Ausländer erteilt werden, wenn er eine Fachkraft ist. Dies setzt dass nach der Legaldefinition des § 18 Abs. 3 AufenthG voraus, dass der Ausländer entweder eine inländische qualifizierte Berufsausbildung oder eine mit einer inländischen qualifizierten Berufsausbildung gleichwertige ausländische Berufsqualifikation besitzt (Fachkraft mit Berufsausbildung) oder einen deutschen, einen anerkannten ausländischen oder einen einem deutschen Hochschulabschluss vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss besitzt (Fachkraft mit akademischer Ausbildung).

Die Chancenkarte kann nach näherer Maßgabe des § 20a Abs. 3 Nr. 2 AufenthG einem Ausländer auch dann erteilt werden, wenn er zwar keine Fachkraft ist, aber nach Maßgabe einer Tabelle in der Anlage zu der neu eingefügten Vorschrift eine Mindestpunktzahl von sechs Punkten für die Erfüllung von bestimmten Kriterien (Anerkennung der Qualifikationen in Deutschland; Sprachkenntnisse; Berufserfahrung; Alter und Deutschlandbezug; das Potenzial der mitziehenden Lebens- oder Ehepartner) erreicht. Die Chancenkarte kann in diesen Fällen nur erteilt werden, wenn der Ausländer

  • entweder eine ausländische Berufsqualifikation hat, die von dem Staat, in dem sie erworben worden ist, staatlich anerkannt ist und deren Erlangung eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren vorausgesetzt hat, oder

  • einen ausländischen Hochschulabschluss hat, der in dem Staat, in dem er erworben worden ist, staatlich anerkannt ist, oder

  • einen im Ausland erworbenen Berufsabschluss hat, der durch eine Ausbildung erworben wurde, die nach Inhalt, Dauer und der Art ihrer Durchführung die Anforderungen des Berufsbildungsgesetzes an eine Berufsausbildung einhält und geeignet ist, die notwendige berufliche Handlungsfähigkeit für einen Ausbildungsberuf nach dem Berufsbildungsgesetz oder der Handwerksordnung zu vermitteln und der von einer deutschen Auslandshandelskammer erteilt worden ist, und

  • der Ausländer mindestens einfache deutsche Sprachkenntnisse nachweist oder englische Sprachkenntnisse mindestens auf dem Niveau B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen nachweist.

Die Vorschrift des § 20a Abs. 4 S. 1 AufenthG sieht zudem vor, dass eine Chancenkarte nur erteilt werden darf, wenn der Lebensunterhalt gesichert ist.

Schließlich regelt § 20a Abs. 4 S. 2 AufenthG, dass einem Ausländer, der sich bereits im Bundesgebiet aufhält, die Chancenkarte nur erteilt werden darf, wenn er im Besitz eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Ausbildung oder zum Zweck der Erwerbstätigkeit ist.

Die Chancenkarte berechtigt gem. § 20a Abs. 2 AufenthG dazu, eine Beschäftigung von durchschnittlich insgesamt höchstens 20 Stunden je Woche auszuüben sowie eine Probebeschäftigung für jeweils höchstens zwei Wochen auszuüben, die jeweils qualifiziert sein muss, auf eine Ausbildung abzielen muss oder geeignet sein muss, im Rahmen einer Maßnahme zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen nach § 16d AufenthG aufgenommen zu werden.

Die Chancenkarte wird gem. § 20a Abs. 5 AufenthG für maximal ein Jahr erteilt, wenn der Lebensunterhalt für diese Zeit gesichert werden kann. Wenn man danach keinen anderen Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit (§§ 18–21 AufenthG) bekommen kann, aber dennoch ein Angebot für eine qualifizierte Beschäftigung hat, kann die Chancenkarte um weitere zwei Jahre verlängert werden, wenn der Ausländer einen Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot für eine inländische qualifizierte Beschäftigung hat und die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat (sog. Folge-Chancenkarte). Eine weitere Verlängerung als Chancenkarte ist ausgeschlossen und eine Such-Chancenkarte kann erneut nur erteilt werden, wenn sich der Ausländer nach dem Ende der Geltungsdauer der letzten Such-Chancenkarte mindestens so lange im Ausland oder erlaubt im Bundesgebiet aufgehalten hat, wie er sich davor auf Grundlage einer Such-Chancenkarte im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Schlussendlich ermöglicht die Vorschrift des § 20a Abs. 7 AufenthG es der Bundesregierung, zur Steuerung der Erwerbsmigration durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die Zahl der Chancenkarten, die Ausländern erteilt werden, die sich noch nicht im Bundesgebiet aufhalten, jährlich oder für einen kürzeren Zeitraum zu begrenzen, wobei arbeitsmarkt- und integrationspolitische Erwägungen und die Kapazitäten der beteiligten Behörden zugrunde gelegt werden sollen.

2. Westbalkanregelung

Die als Reaktion auf die Migrationskrise im Jahr 2015 eingeführte Westbalkanregelung eröffnet Staatsangehörigen von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien für jede Art von Beschäftigung in nicht-reglementierten Berufen einen Arbeitsmarktzugang mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit und nach Durchführung einer Vorrangprüfung. Dies bedeutet, dass der Verdienst und die Beschäftigungsbedingungen nicht schlechter sein dürfen als bei einem vergleichbaren inländischen Arbeitnehmer und für die freie Stelle kein bevorrechtigter Bewerber (aus Deutschland, der Europäischen Union, Island, Liechtenstein und Norwegen oder der Schweiz) zur Verfügung stehen darf. Die Regelung war ursprünglich bis Ende 2020 befristet.

Zum 1.1.2021 ist die Nachfolgeregelung in Kraft getreten, die nicht mehr befristet war, aber ein Kontingent von bis zu 25.000 Zustimmungen pro Kalenderjahr vorsah. Hierdurch wurde weiterhin für Staatsangehörige der sechs Westbalkanstaaten ein privilegierter Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für jede Art von Beschäftigung – unabhängig von einer anerkannten Qualifikation geschaffen, allerdings weiterhin mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit und nach Durchführung einer Vorrangprüfung. Die Regelung war bis Ende 2023 befristet.

Mit der Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung wird die Westbalkanregelung nun entfristet. Zudem wird mit Wirkung ab Juni 2024 das Kontingent von (bislang) 25.000 auf (nun) jährlich 50.000 Zustimmungen der Bundesagentur für Arbeit aufgestockt.

Die weiteren durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung vorgesehenen Neuregelungen betreffen die Errichtung von Beratungsstellen sowie eine Hinweispflicht des Arbeitsnehmers hierauf in Textform am ersten Tag der Beschäftigung. Sie werden allerdings erst zum 1.1.2026 in Kraft treten.

Die insoweit vorgesehenen Änderungen werden wir im Detail in der kurz vor Inkrafttreten erscheinenden Ausgabe vorstellen.

Dr. Gunther Mävers, Maître en Droit (Aix-en-Provence), Fachanwalt für Arbeitsrecht. Köln, maevers@michelspmks.de

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