Beitrag

Von einem der auszog, um Fachkräfte zu finden – Rechtliche Aspekte des Active Sourcing

Wirft man einen Blick in die Medienlandschaft, dann kommt man seit vielen Jahren an dem Begriff des Fachkräftemangels nicht mehr vorbei. Vielen Unternehmen in Deutschland fehlt es an qualifiziertem Personal – ein prominentes Beispiel ist dabei der Gesundheitssektor, aber auch das Handwerk oder Unternehmen der Logistikbranche klagen über einen Mangel an (geeigneten) Bewerbern. Laut statistischem Bundesamt schätzen mehr als 50 % der befragten Unternehmen den Fachkräftemangel als größtes Geschäftsrisiko der Zukunft ein. Dies gilt umso mehr, als die Lage am deutschen Arbeitsmarkt weiterhin positiv ist. Um zu vermeiden, dass der Mangel an Fachkräften sich nachhaltig im operativen Geschäft bemerkbar macht und im schlechtesten Fall den Betrieb hemmt oder stilllegt, werden die Arbeitgeber seit einigen Jahren selbst aktiv. Mussten sie früher lediglich aus einer Vielzahl von Bewerbern die geeignetsten Kandidaten auswählen, so hat sich dies in vielen Branchen grundsätzlich geändert. Nunmehr sind es die Arbeitnehmer, die unter den Arbeitgebern auswählen, die sich wiederum ihnen andienen müssen. Ein Mittel zur Mitarbeitergewinnung ist dabei das sog. Active Sourcing, bei dem Arbeitgeber (oder die von ihnen beauftragten Recruiter) sich der diversen Social-Media-Plattformen (insbes. LinkedIN, Facebook, Instagram, TikTok, oder Xing) bedienen, auf Karrieremessen präsent sind, aktiv auf Kandidatensuche gehen und geeignete oder vielversrechende Anwärter direkt ansprechen. Active Sourcing ist grundsätzlich zulässig. Da aber allgemein bekannt sein dürfte, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist, beleuchtet der nachfolgende Beitrag einige „Do’s and Dont’s“, die Arbeitgeber beim Active Sourcing beachten müssen.

I.

Active Sourcing und Datenschutz

Wer sich durch „googeln“ oder mittels der zahlreichen sozialen Netzwerke auf die Suche nach Kandidaten macht, sollte zunächst prüfen, ob die Datenerhebung auch rechtmäßig erfolgt. Hierbei ist zu beachten, dass es sich beim „Active Sourcing“ nicht um ein sog. Anbahnungsverhältnis handelt. In diesen Fällen, wenn also bereits eine Bewerbung vorliegt, entsteht ein vorvertragliches Schuldverhältnis, sodass – mit Einschränkungen – Art. 6 Abs. 1 DS-GVO und § 26 Abs. 1 BDSG dem Arbeitgeber ein Recht auf die Verarbeitung von im Bewerbungsprozess gewonnenen Daten einräumt, jedenfalls dann, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist und das Interesse des Arbeitnehmers an der Geheimhaltung der Daten das Interesse des Arbeitgebers an ihrer Erhebung nicht überwiegt.

Aufgrund fehlendem Anbahnungsverhältnis ist beim „Active Sourcing“ auf Art. 6 Abs. 1f i.V.m. Art. 9 Abs. 2e DS-GVO zurückzugreifen. So ist der Zugriff auf die vom Kandidaten öffentlich gemachten Daten dann zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers und kein überwiegendes, dem entgegenstehendes Interesse des Kandidaten vorliegt (Gola, NZA 2019, 656).

Erstes Kriterium ist also die Öffentlichmachung von Daten durch den potenziellen Kandidaten. Dazu zählen solche Daten, die dem Zugriff einer unbestimmten Anzahl von Personen offenstehen. Darunter fallen aber auch solche Profile in sozialen Netzwerken, die jedenfalls für alle Nutzer des entsprechenden Netzwerks öffentlich zugänglich sind. Legt ein Kandidat fest, dass er Daten nur mit Kontakten oder von ihm gesondert festgelegten Personen teilen will, entfällt die Öffentlichkeit und damit auch die Rechtfertigung für einen Zugriff durch Externe. Die Datenerhebung ist dann zu unterlassen. Dies gilt ebenso, wenn der User ausdrücklich (z.B. in den Einstellungen oder auf seiner Social-Media-Startseite) darauf hinweist, dass von Recruitingmaßnahmen Abstand zu nehmen ist. Gleiches würde im Übrigen auch gelten, wenn die Nutzungsbedingungen der jeweiligen Plattform einen solchen Zugriff verbieten. Diese sind also von Recruitern vorab sorgfältig zu prüfen. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass es bei der Frage der Öffentlichkeit nicht allein darauf ankommt, ob es sich um eine berufliche Plattform (so wie LinkedIn oder Xing) oder eine private Plattform (Instagram, Facebook) handelt. Mag dies früher noch klarer abzugrenzen gewesen sein, weiß jeder, der in jüngster Zeit entsprechende Seiten besucht hat, dass dies nicht mehr möglich ist. So finden sich auch in vermeintlich beruflichen Netzwerken vermehrt private Posts, während auf Instagram oder TikTok nicht mehr nur getanzt oder fotografiert, sondern auch ein beruflicher Diskurs geführt wird. Als Abgrenzungskriterium kann dies also nicht (mehr) dienen.

Wie bereits ausgeführt, darf der Arbeitgeber zudem (öffentlich zugängliche) Daten nur dann verarbeiten, wenn er an dieser Verarbeitung ein berechtigtes Interesse hat. Das sind grds. nur solche Informationen, die im Zusammenhang mit der zu besetzenden Stelle stehen. Die Grenze stellen hierbei die Grundsätze über das arbeitgeberseitige Fragerecht im Bewerbungsprozess dar. Nur, wenn die zu verarbeitenden Daten einen engen und zwingenden Bezug zu der konkret durchzuführenden Tätigkeit aufweisen, sei es aus fachlicher oder persönlicher Sicht, dann ist auch die Erhebung zulässig, jedenfalls soweit die Arbeitgeberinteressen gegenüber den verfassungsrechtlich und gesetzlich geschützten Interessen der Betroffenen überwiegen. Für alle darüberhinausgehenden Daten, für die der Kandidat/Arbeitnehmer entweder die Antwort verweigern dürfte oder sogar ein Recht zur Lüge hätte, scheidet eine Datenverarbeitung aus.

Theoretisch könnte die Einwilligung eines Kandidaten auch die Rechtsgrundlage für das „Active Sourcing“ darstellen. Praktisch ist dies allerdings kaum denkbar, jedenfalls nicht, bevor der Kandidat angesprochen wurde. Allein in der Tatsache, dass ein Profil auf einem Karrierenetzwerk oder einer sonstigen Social Media Plattform unterhalten wird, führt nicht zur Annahme, damit sei generell in die Datenverarbeitung – egal von wem – eingewilligt worden. Selbst bei Annahme einer Kontaktanfrage dürfte eine Einwilligung nicht per se vorliegen. Die Einwilligung muss schließlich vor der tatsächlichen Verarbeitung eingeholt werden und sie muss freiwillig sein. Zum Zeitpunkt der Kontaktanfrage dürfte aber bereits eine ggf. rechtswidrige Datenverarbeitung erfolgt sein, sodass bereits daran eine Einwilligung scheitert. Eine Anfrage, die zunächst die Einwilligung zur Datenverarbeitung abfragt, könnte für einige Kandidaten überdies abschreckend wirken. Auch die Tatsache, dass die Einwilligung widerruflich ist, macht sie nicht zum idealen Werkzeug für rekrutierende Arbeitgeber.

II.

Active Sourcing und Wettbewerbsrecht

In Zeiten, in denen talentierte und qualifizierte Mitarbeiter die Qual der Wahl haben, der Bewerbermarkt dadurch leergefegt ist, wenden sich Recruiter vornehmlich auch an solche Kandidaten, die bereits in einem Arbeitsverhältnis stehen. Dieser Vorgang, oftmals unpassend und martialisch als „War for Talents“ bezeichnet, wirft naturgemäß auch wettbewerbsrechtliche Fragen auf.

Kein Arbeitgeber hat einen Anspruch auf den Bestand seiner Mitarbeiter. Die für ein Unternehmen Tätigen sind zudem in der Wahl ihres Arbeitsplatzes frei (Art. 12 GG). Das Abwerben von Mitarbeitern eines Unternehmers, gleichgültig, ob er auf dem Absatzmarkt Mitbewerber ist oder nicht, ist daher grundsätzlich erlaubt. Der volkswirtschaftlich erwünschte Leistungswettbewerb bedarf eines möglichst ungebundenen Spiels der Kräfte auch auf dem Arbeitsmarkt (LG Bonn, Urt. v. 3.1.2013 – 14 O 165/12). Dies gilt auch dann, wenn die Abwerbung bewusst und planmäßig erfolgt. Grundsätzlich spielt es auch keine Rolle, welche (Fachkräfte) oder wie viele Mitarbeiter abgeworben werden. Will sich ein Unternehmen vor einer Abwerbung seiner Mitarbeiter schützen, so muss es sich attraktiv machen, z.B. durch entsprechende (finanzielle) Zugeständnisse oder es muss seinen Mitarbeitern (nach-) vertragliche Wettbewerbsverbote auferlegen (OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 1.3.2018 – 6 U 165/17). Damit ist auch „Active Sourcing“ wettbewerbsrechtlich zunächst zulässig.

Beim Abwerben durch „Active Sourcing“ handelt es sich um eine Wettbewerbshandlung. Unternehmer oder Recruiter sind Mitbewerber im Sinne von §§ 2 Nr. 3 UWG, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, denn sie konkurrieren auf dem Nachfragemarkt für Personal (LG Bonn, Urt. v. 3.1.2013 – 14 O 165/12). Die Kontaktaufnahme von Mitarbeitern anderer Unternehmen stellt auch eine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar, unabhängig davon, ob klassisch das Telefon oder ein Social-Media-Account genutzt wird.

Diese Handlungen sind aber nur dann wettbewerbswidrig, wenn wettbewerbsrechtlich unlautere Begleitumstände hinzukommen, insb. unlautere Mittel eingesetzt oder unlautere Zwecke verfolgt werden (BGH, Urt. v. 9.2.2006 – I ZR 73/02).

Recht klar ist die Lage bei telefonischer Ansprache der potentiellen Kandidaten an dessen Arbeitsplatz. Eine erste telefonische Kontaktaufnahme zum Zwecke der Abwerbung ist aufgrund einer mutmaßlichen Einwilligung nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG in der Regel zulässig. Dabei haben sich die Recruiter aber auf das Notwendige zu beschränken. Eine wenige Minuten überschreitende Gesprächsdauer ist ein Indiz dafür, dass die Grenze eines ersten Kontakts in wettbewerbswidriger Weise, insbesondere zu einem unzulässigen Umwerben des Angerufenen, überschritten wurde. Der Anrufende ist daher gehalten, nachdem er sich bekannt gemacht und den Zweck seines Anrufs mitgeteilt hat, zunächst festzustellen, ob der Angerufene an einer Kontaktaufnahme als solcher und zu diesem Zeitpunkt Interesse hat. Nur wenn dies der Fall ist, darf der Personalberater die in Rede stehende offene Stelle knapp umschreiben und, falls das Interesse des Mitarbeiters danach fortbesteht, eine Kontaktmöglichkeit außerhalb des Arbeitsbereichs verabreden (BGH, Urt. v. 22.11.2007 – I ZR 183/04). Andernfalls liegt ein Verstoß gegen § 4 Nr. 4 UWG vor. Bei einem Abwerbungszwecken dienenden Telefonanruf auf dem Privathandy eines Mitarbeiters des Mitbewerbers muss sich der Recruiter zu Beginn kurz vergewissern, ob sich der Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz aufhält, da er andernfalls Gefahr läuft, die vorstehenden Anforderungen nicht einzuhalten (OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 9.8.2018 – 6 U 51/18).

Deutlich problematischer ist tatsächlich die Ansprache via E-Mail oder privater Chat-Message innerhalb der Social-Media-Plattform, wenn eine Vielzahl von Kandidaten angesprochen wird. Zwar gelten die vorstehenden Grundsätze zur Direktansprache am Arbeitsplatz auch hier. Dennoch kann es sich durchaus bereits um unlautere Werbung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG handeln, wenn eine Einwilligung nicht vorliegt. Die reine Mitgliedschaft in dem Netzwerk genügt nicht, eine solche Einwilligung anzunehmen (s.o.). Nur, wenn sich konkrete Anhaltspunkte ergeben, dass eine solche Ansprache ausdrücklich gewünscht ist (z.B. aus dem Profil des Kandidaten), kann hieraus im Einzelfall eine Einwilligung abgeleitet werden.

In jedem Fall unlauter ist eine Ansprache, in der der aktuelle Arbeitgeber herabgesetzt wird (LG Heidelberg, Urt. v. 23.5.2012 – 1 S 58/11) oder wenn die Identität des Abwerbenden (z.B. des Unternehmens oder des Recruiters) verschleiert wird (LG Bonn, Urt. v. 3.1.2013 – 14 O 165/12).

III.

Zusammenfassung

„Active Sourcing“ ist sicherlich eine beliebte und durchaus auch gewinnbringende Strategie, um Talente zu rekrutieren. Dennoch sollten Unternehmen und Recruiter diese Maßnahmen nicht vorschnell umsetzen, ohne die rechtlichen Unwägbarkeiten zu kennen. Denn Verstöße gegen den Datenschutz oder das Wettbewerbsrecht sind bußgeldbewährt und können Schadensersatzansprüche auslösen. Mag letzteres eher die Theorie bleiben (frei nach dem Motto: „Wo kein Kläger, da kein Richter.“), ist nicht auszuschließen, dass konkurrierende Arbeitgeber, insbesondere wenn ihre Mitarbeiter abgeworben werden oder wurden, entsprechende Meldungen bei den Aufsichtsbehörden abgeben. Umsicht und besonnenes Handeln sind also geboten.

Dr. Jannis Kamann, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln, kamann@michelspmks.de

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…