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Neue anhängige Rechtsfrage

– BAG 8 AZR 208/21 –

Entschädigung (AGG) im Zusammenhang mit der Ausschreibung einer Stelle zur Assistenzleistung i.S.v. § 78 Abs. 1 SGB IX entsprechend den Wünschen des behinderten Menschen

Die Klägerin macht eine Benachteiligung wegen ihres Alters im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens geltend und begehrt eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.

Die Beklagte ist ein Assistenzdienst, der behinderten Menschen Dienstleistungen der so genannten Persönlichen Assistenz anbietet. Diese Leistungen umfassen nach § 78 Abs. 1 SGB IX Leistungen für die allgemeinen Erledigungen des Alltags wie die Haushaltsführung, die Gestaltung sozialer Beziehungen, die persönliche Lebensplanung, die Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten sowie die Sicherstellung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen. Sie beinhalten die Verständigung mit der Umwelt in diesen Bereichen. Die Beklagte hilft behinderten Menschen auch bei der Mitarbeitersuche, indem die Beklagte ein Internetportal betreibt, auf welchen diese ein Stellenangebot inserieren können. Dabei stellt die Beklagte einen Fragebogen zur Verfügung, in welchem die behinderten Menschen Wünsche im Hinblick auf die Person des Assistenten, wie etwa Geschlecht oder Alter, angeben können. Sofern eine Vermittlung erfolgreich ist, schließen die behinderten Menschen mit der Beklagten einen Dienstleistungsvertrag und die Assistenzperson schließt mit der Beklagten einen Arbeitsvertrag. In der Stellenanzeige aus Juli 2018 suchte eine 28-jährige, schwerbehinderte Studentin eine „persönliche Assistentin“ „in allen Lebensbereichen, die im Alltag anfallen“, die „am besten zwischen 18 und 30 Jahre alt“ sein sollte. Die sich auf die Stelle bewerbende Klägerin hatte ihrerseits das 50. Lebensjahr vollendet. Die Beklagte teilte der Klägerin im August 2018 mit, dass sie sich aufgrund der hohen Anzahl von Bewerbern für einen anderen Bewerber entschieden habe.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten eine Entschädigungszahlung und meint, das Alter sei keine zulässige berufliche Anforderung für den Assistenzdienst, weil das Alter für das Vertrauensverhältnis zum behinderten Menschen nicht von Relevanz sei. Die Beklagte ist der Auffassung, die gesuchte Assistenzleistung i.S.v. § 78 Abs. 1 SGB IX als höchstpersönliche, allumfassende Alltagsbegleitung enthalte als zentrales Element des Vertrags mit der Beklagten das subjektive Empfinden des behinderten Menschen. Daher sei der legitime Wunsch, dass die Person, die Assistenz leiste, ein bestimmtes Alter habe, als eine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ i.S.v. § 8 Abs. 1 AGG anzusehen. Zudem sei es das unternehmerische Konzept der Beklagten, den Hilfsbedürftigen eine persönliche, individuell angepasste Assistenz in allen Lebenslagen an die Seite zu stellen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte – unter Zurückweisung der Klage im Übrigen – zur Zahlung einer Entschädigung i.H.v. 1.770,– EUR verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage vollständig abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Entschädigungsanspruch weiter und begehrt die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat den Gerichtshof der Europäischen Union ersucht, eine Frage insbesondere nach der Auslegung der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG zu beantworten (vgl. Pressemitteilung des BAG Nr. 9/22), was dieser mit Urt. v. 7.12.2023 – C-518/22 – getan hat (vgl. Pressemitteilung des EuGH Nr. 187/23).

Vorinstanz: LAG Köln, Urt. v. 27.5.2020 – 11 Sa 284/19

Termin der Entscheidung: 25.4.2024, 9:00 Uhr

Zuständig: Achter Senat

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