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BAG: Kein Mitbestimmungsrecht bei Verbot der Smartphonenutzung während der Arbeitszeit

Dem Betriebsrat steht kein Mitbestimmungsrecht zu, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmern die private Nutzung von Smartphones während der Arbeitszeit untersagt, um eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung sicherzustellen.

[Amtlicher Leitsatz]

BAG, Beschl. v. 17.10.20231 ABR 24/22

I. Der Fall

Arbeitgeberin verbietet die Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones ohne Zustimmung des Betriebsrats

Die Arbeitgeberin, die Brems- und Kraftstoffsysteme für Fahrzeuge herstellt, wies die Arbeitnehmer durch eine im Betrieb ausgehängte Mitarbeiterinformation mit der Überschrift „Regeln zur Nutzung privater Handys während der Arbeitszeit“ darauf hin, dass die Nutzung von Mobiltelefonen und Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit nicht gestattet sei. Bei Verstößen sei mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur fristlosen Kündigung zu rechnen. Der Betriebsrat forderte die Arbeitgeberin unter Hinweis auf seine Mitbestimmungsrechte vergeblich auf, diese Maßnahme zu unterlassen.

Betriebsrat sieht Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG tangiert

In dem von ihm eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Betriebsrat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin verletzte mit der einseitigen Anordnung des Smartphoneverbots während der Arbeitszeit sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Das Verbot betreffe das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb. Die Nutzung von Mobiltelefonen oder Smartphones kollidiere nicht in jedem Fall mit der vertraglichen Pflichterfüllung. Dies gelte insbesondere für solche Zeiten, in denen keine Arbeit anfalle. Die Arbeitgeberin vertritt die Auffassung, dass das von ihr ausgesprochene Verbot der Smartphonenutzung am Arbeitsplatz nicht der betrieblichen Mitbestimmung unterliege. Es konkretisiere lediglich die Pflicht der Arbeitnehmer, ihrer Arbeit konzentriert nachzukommen und betreffe deshalb allein das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten.

Verfahrensgang

Die Vorinstanzen haben den Antrag des Betriebsrats, die Maßnahme zu unterlassen, abgewiesen; auch die zulässige Rechtsbeschwerde des Betriebsrats blieb unbegründet (ArbG Braunschweig, Urt. v. 17.3.2022 – 6 BV 15/21; LAG Niedersachsen, Urt. v. 13.10.2022 – 3 TaBV 24/22).

II. Die Entscheidung

Mitbestimmungsrecht nur im Hinblick auf das Ordnungs-, nicht Arbeitsverhalten

Die Arbeitgeberin hat – so das BAG – kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt. Das von der Arbeitgeberin ausgesprochene Verbot, Mobiltelefone und Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit zu nutzen, unterfällt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und kollektive Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Es beruht darauf, dass die Arbeitnehmer ihre vertraglich geschuldete Leistung innerhalb einer vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsorganisation erbringen und deshalb seinem Weisungsrecht unterliegen. Das berechtigt den Arbeitgeber dazu, Regelungen vorzugeben, die das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb beeinflussen und koordinieren sollen. Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei diesen Maßnahmen soll gewährleisen, dass die Arbeitnehmer gleichberechtigt in die Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens einbezogen werden. Dazu schränkt das Mitbestimmungsrecht die Regelungsmacht des Arbeitgebers ein. Maßnahmen, die das Arbeitsverhalten regeln sollen, sind dagegen mitbestimmungsfrei. Dabei handelt es sich um solche Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar abgefordert oder konkretisiert wird.

Smartphoneverbot während Arbeitszeit ist auf Steuerung des Arbeitsverhaltens gerichtet

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das streitgegenständliche Verbot der Smartphonenutzung während der Arbeitszeit nach Auffassung des BAGs auf die Steuerung des Arbeitsverhaltens gerichtet. Die Weisung zielt darauf ab, zügiges und konzentriertes Arbeiten der Arbeitnehmer sicherzustellen, in dem mögliche Ablenkungen durch die Verwendung von Mobiltelefonen und Smartphones unterbunden werden sollen. Smartphones verfügen bekanntlich über eine Vielzahl unterschiedlicher Funktionen, die die Aufmerksamkeit der Arbeitnehmer binden und sie von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung abhalten oder jedenfalls ablenken können. Das Führen von Telefonaten, dem Nutzen von Messengerdiensten, das Abspielen von Musik, das Anschauen von Videos und das Spielen von Computerspielen erfordern eine – ggf. auch nur kurze – aktive Bedienung des Smartphones. Dies soll während der Arbeitszeit unterbleiben. Damit ist das von der Arbeitgeberin ausgesprochene Verbot auf die Steuerung des Arbeitsverhaltens gerichtet. Die Anweisung, die die zu verrichtende Tätigkeit selbst zwar nicht konkretisiert, ihre Erbringung aber sicherstellen soll, betrifft das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten.

gilt auch für Arbeitsunterbrechungen

Eine andere Beurteilung ist auch deshalb nicht geboten, weil das Verbot Zeiträume mitumfasst, in denen es aus betrieblichen Gründen zu Arbeitsunterbrechungen kommen kann. Die Arbeitgeberin ist auch während dieser Zeiten aufgrund ihres Direktionsrechts berechtigt, die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer abzufordern und ihnen bestimmte Aufgaben zuzuweisen. Ob es zu einer konkreten Beeinträchtigung der Arbeitsleistung durch die Nutzung von Smartphones kommt oder kommen kann, weil gerade keine Aufgaben zu erledigen sind, ist ebenfalls ohne Belang.

Unerheblich ist, ob auch das Ordnungsverhalten geringfügig mitberührt wird oder die Anordnung individualrechtlich zulässig ist

Des Weiteren ist auch unerheblich, ob sich das von der Arbeitgeberin ausgesprochene Verbot auch auf das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer – z.B. Störungen durch lautes Abspielen von Musik oder Videos – auswirken kann. Schließlich kommt es für das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts auch nicht darauf an, ob eine Nutzung von Smartphones als sozial adäquat anzusehen und ein entsprechendes Verbot mit Blick auf seinen Umfang deshalb unzulässig sein und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer verletzen könnte.

III. Der Praxistipp

Entscheidung folgt einer einfachen Logik

Die erfreuliche Entscheidung folgt einer bestechend einfachen Logik. Wer sein Smartphone während der Arbeitszeit nutzt, kann gleichzeitig keine Arbeitsleistung erbringen. Damit tangiert das Verbot der Smartphonenutzung während der Arbeitszeit zweifelsfrei allein das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten.

Entscheidung schafft Rechtssicherheit

Zudem schafft die Entscheidung Rechtssicherheit. Hatte bereits das LAG Rheinland-Pfalz die Rechtslage wie das BAG beurteilt (LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 30.10.2009 – 6 TaBV 33/09), hat das Arbeitsgericht München das Vorliegen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats noch zu Unrecht bejaht (vgl. ArbG München, Beschl. v. 18.11.2015 – 9 BVGa 52/15).

Verbot auch individualrechtlich zulässig

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Argument des Betriebsrats, ein Smartphoneverbot während der Arbeitszeit könne individualrechtlich unzulässig sein, nicht überzeugt. Jedenfalls nach Auffassung des LAG Köln verstößt das Verbot der Nutzung privater Mobilfunktelefone während der Arbeitszeit nicht gegen das Übermaßverbot und ist zulässig (LAG Köln, Urt. v. 19.12.2019 – 7 Sa 444/19).

Mitbestimmungsrecht besteht bei einem Verbot während Pausenzeiten

Schließlich darf in der Praxis nicht außer Acht gelassen werden, dass nur das Smartphoneverbot während der Arbeitszeit mitbestimmungsfrei ist. Ein generelles Nutzungsverbot für Smartphones und Mobiltelefone im Betrieb auch während der Pausenzeiten unterliegt dagegen der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

Dr. Tilman Isenhardt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln, isenhardt@michelspmks.de

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