– BAG 9 AZR 110/23 –
Wirksamkeit einer konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen – vor dem Hintergrund einer konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung – ein Arbeitsverhältnis besteht.
Der Kläger war bei der V. GmbH und deren Rechtsvorgängerin als Bereitsteller in dem Geschäftsfeld Logistik beschäftigt. Unter dem 31.1.2019 schlossen die V. GmbH und die Beklagte einen Vertrag, der die Überlassung des Klägers zu der Beklagten bis zum 31.7.2020 zum Gegenstand hatte. Beide Unternehmen gehören zum selben Konzern. Mit „Vertrag über die leihweise zur Verfügungstellung von Personal im Rahmen der Konzernleihe“ wurde der Einsatz des Klägers bei der Beklagten verlängert: „Dieser Vertrag wird mit dem 1.8.2020 wirksam und läuft bis zum 31.12.2020.“ Der Vertrag war auf den 30.5.2020 datiert, die Konzernunternehmen signierten ihn sodann am 25.5.2020, 26.5.2020 und 27.10.2020.
Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, es bestehe ein Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten, spätestens ab dem 1.8.2020 hilfsweise ab dem 13.8.2020, als er nach dem Werksurlaub wieder bei der Beklagten eingesetzt worden war. Er ist der Auffassung, das Konzernprivileg in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG sei europarechtswidrig. Bereits aus diesem Grund bestehe ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten, da die Höchstüberlassungsgrenze überschritten worden sei. Auch unabhängig von dieser Fragestellung sei ein Arbeitsverhältnis zu der Beklagten aufgrund der erfolgten Eingliederung nach Ablauf der ursprünglichen bis zum 31.7.2020 befristeten Vereinbarung begründet worden. Jedenfalls könne vorliegend zugunsten der Beklagten nicht das Konzernprivileg des AÜG streiten, weil es an einer wirksamen Vereinbarung zwischen ihr und der V. GmbH fehle. Die Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, die Voraussetzungen einer Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer gemäß §§ 9,10 AÜG lägen aufgrund des in § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AÜG geregelten Konzernprivilegs nicht vor.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Vorinstanz: LAG Niedersachsen, Urt. v. 12.1.2023 – 5 Sa 212/22
Termin der Entscheidung: 8.12.2023, 10:00 Uhr
Zuständig: Neunter Senat
– BAG 5 AZR 137/23 –
Erschütterung des Beweiswertes einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Die Parteien streiten darüber, ob der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeit bei taggenauer Arbeitsunfähigkeit mit der Kündigungsfrist auch bei einer Arbeitgeberkündigung erschüttert ist.
Der Kläger war vom 16.3.2021 bis zum 31.5.2022 als Helfer bei der Beklagten, die Arbeitnehmerüberlassung betreibt, beschäftigt. Die Beklagte setzte den Kläger seit dem 21.4.2022 nicht mehr ein. Der Kläger legte ihr am 2.5.2022 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seines behandelnden Arztes für den Zeitraum vom 2. bis 6.5.2022 vor. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 2.5.2022, dem Kläger am nächsten Tag zugegangen, ordentlich zum 31.5.2022. In zwei Folgebescheinigung vom 6. und 20.5.2022 wurde der Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis zum 20.5. bzw. 31.5.2022 festgestellt. Die Beklagte zahlte keine Entgeltfortzahlung.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger die Zahlung von Entgeltfortzahlung für den ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeitraum. Er ist der Ansicht, die vom Bundesarbeitsgericht im Urt. v. 8.9.2021 – 5 AZR 149/21 – (Pressemitteilung 25/21) für die Erschütterung des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angeführte zeitliche Koinzidenz zwischen Kündigungsfrist und Arbeitsunfähigkeitszeitraum setze – wolle man sie auch auf Arbeitgeberkündigungen anwenden – voraus, dass zunächst die Kündigung dem Arbeitnehmer zugehen müsse und erst im Anschluss hieran eine Krankmeldung bzw. die Einreichung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erfolge. Die Beklagte entgegnet, der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei erschüttert, weil die gesamte verbleibende Zeit des restlichen Arbeitsverhältnisses passgenau mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen abgedeckt worden sei. Auch der Umstand, dass der Kläger just mit Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Kündigungsfrist genesen gewesen sei, erschüttere den Beweiswert.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.
Vorinstanz: LAG Niedersachsen, Urt. v. 8.3.2023 – 8 Sa 859/22
Termin der Entscheidung: 13.12.2023, 11:00 Uhr
Zuständig: Fünfter Senat