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OLG Brandenburg: Nutzung von Arbeitnehmerdaten für Mindestlohnzahlungen nach der DS-GVO zulässig?

1. Der Nachunternehmer ist durch die DS-GVO nicht gehindert, gegenüber dem Generalunternehmer Nachweise über die Einhaltung des Mindestlohns für die eingesetzten Arbeitnehmer zu erbringen. Die entsprechende Verarbeitung dieser Daten ist in den Grenzen der Erforderlichkeit und Datensparsamkeit nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO zulässig.

2. Aus den vorzulegenden Lohnabrechnungen zum Nachweis des Mindestlohns müssen der Name des Mitarbeiters, der abgerechnete Bruttolohn, die diesem zugrunde gelegte Lohnart (unter Differenzierung zwischen laufendem Lohn und etwaigen Zusatz- oder Sondervergütungen, die Anzahl der abgerechneten Stunden und der Stundenlohn (ggf. differenziert für die jeweilige Lohnart) ersichtlich sein, während die weiteren Angaben der jeweiligen Lohnabrechnung unkenntlich zu machen sind; weitergehende Angaben darf der vorzulegende Nachweis nur enthalten, wenn eine Einwilligung des jeweiligen Arbeitnehmers zur Weitergabe der entsprechenden personenbezogenen Daten vorliegt.

OLG Brandenburg, Urt. v. 23.2.20224 U 111/21

I. Der Fall

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung eines Lohnes für Reinigungsarbeiten in den Monaten August bis September 2019 in Anspruch. Die Beklagte beruft sich auf ein Zurückbehaltungsrecht, da die Beklagte keine Nachweise über die Zahlung des Mindestlohns an die in den Objekten der Beklagten tätigen Mitarbeiter der Klägerin eingereicht habe.

Regelungen des Nachunternehmervertrages

Der zugrunde liegende Nachunternehmervertrag beinhaltete folgende Regelung:

„Der Nachunternehmer verpflichtet sich, das Arbeitnehmerentsendegesetz zu beachten und den jeweils verbindlich vorgeschriebenen Mindestlohn im Gebäudereinigerhandwerk zu zahlen. Der Generalunternehmer ist berechtigt, hierüber jederzeit aktuelle Nachweise (z.B. Vorlage von Stundennachweisen, Lohnabrechnungen, Mitarbeiterlisten) zu verlangen. Im Falle der Nichtvorlage verlangter Nachweise ist der Generalunternehmer berechtigt, fällige Zahlungen einzuhalten […]“

Datenschutzrechtliche Einwände des Nachunternehmers

Der Nachunternehmer wandte ein, dass datenschutzrechtliche Gründe der Auskunft entgegenstehen.

II. Die Entscheidung

Entscheidung des Landgerichtes Potsdam

Das Landgericht Potsdam wies die Klage des Nachunternehmers gegen den Generalunternehmer ab. Es entschied, dass dem Generalunternehmer ein Zurückbehaltungsrecht zustehe. Die hiergegen gerichtete Berufung blieb im Wesentlichen ohne Erfolg.

Entscheidung des OLG Brandenburg

Das Oberlandesgericht Brandenburg führte aus; dass der Generalunternehmer aufgrund des abgeschlossenen Nachunternehmervertrages die entsprechenden Nachweise verlangen könne und damit zu Recht ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht habe. Datenschutzrechtliche Gründe stünden dem nicht entgegen. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO lägen für einen Nachweis der Einhaltung des Mindestlohns durch den Subunternehmer vor. Der Generalunternehmer habe nämlich ein berechtigtes Interesse, von dem Subunternehmer einen Nachweis zur Einhaltung der Mindestlohnzahlung zu verlangen. Dies ergebe sich daraus, dass der Generalunternehmer gemäß § 13 Mindestlohngesetz i.V.m. § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz wie ein Bürge für die Verpflichtung des Subunternehmers gegenüber seinen Beschäftigten für die Zahlung des Mindestlohns einzustehen habe. Die durch das Verlangen von Nachweisen über die Zahlung des Mindestlohns ermöglichte Kontrolle des Generalunternehmers gegenüber dem Subunternehmer sei zur Wahrung des berechtigten Interesses des Generalunternehmers auch erforderlich. Dem stehe nicht entgegen, dass dem Generalunternehmer auch andere Möglichkeiten zur Minimierung seines Haftungsrisikos zur Verfügung ständen, so wie etwa durch zusätzliche Freistellungsverpflichtungen oder durch das Einräumen eines Kündigungsrechts.

III. Der Praxistipp

Rechtssicherheit, einfache Kontrollmöglichkeit

Die Entscheidung des OLG Brandenburg ist erfreulich. Sie schafft in einer bislang kontrovers diskutierten Rechtsfrage Rechtsklarheit. Sie ist auch im Ergebnis zu begrüßen. Der Generalunternehmer kann vom Nachunternehmer verlangen, die Lohnabrechnungen der eingesetzten Arbeitnehmer einzusehen. Diese müssen den Namen des Mitarbeiters, den abgerechneten Bruttolohn, die diesem zugrunde gelegten Lohnarten, die Anzahl der abgerechneten Stunden und den Stundenlohn ausweisen. Anderweitige Angaben sind zu schwärzen.

Aufnahme und Anpassung entsprechender Klauseln ist zu empfehlen

Durch eine entsprechende Klausel in einem Subunternehmervertrag kann der Generalunternehmer sich wirksam davor schützen, dass er selbst wie ein Bürge für den Mindestlohn der eingesetzten Arbeitnehmer in Anspruch genommen wird. Bereits abgeschlossene Verträge sollten darauf kontrolliert werden, ob die Klauseln nicht zu weit formuliert wurden und sich auf die gesamte Gehaltsabrechnung beziehen, aus der sich auch andere persönliche Daten wie Familienstand oder Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft ergeben. Sollte letzteres der Fall sein, empfiehlt es sich, die Klausel anzupassen.

Dr. Marcus Michels, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln, michels@michelspmks.de

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