I. Der Fall
Streitgegenstand
Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, das durch die Arbeitgeberin ordentlich fristgerecht zum 30.11.2021 gekündigt wurde.
Kündigung des Arbeitsverhältnisses
Die Klägerin war bei der beklagten Arbeitgeberin, einem Kleinbetrieb, seit September 2020 als kaufmännische Assistentin beschäftigt. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 29.10.2021 das Arbeitsverhältnis „fristgerecht zum 30.11.2021, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt aus betriebsbedingten Gründen“.
Stellenausschreibung der gleichen Position
Die Beklagte schrieb am 14.9.2021 und am 11.10.2021 jeweils eine Stelle als „Vertriebsassistent(in) m/w/d (Vollzeit)“ zur sofortigen Besetzung aus. Bewerbungsschluss war der 31.10.2021.
Kündigungsschutzklage
Die Klägerin erhob am 19.11.2021 Kündigungsschutzklage bei dem ArbG Oberhausen. Sie hat behauptet, dass das KSchG Anwendung finde und diese nicht sozial gerechtfertigt sei. Zudem sei die Kündigung treu- und sittenwidrig gem. §§ 138, 242 BGB, da die ausgeschriebenen Stellen die Tätigkeit beträfen, die sie zuvor verrichtet habe. Daher lägen keine „betriebsbedingten Gründe“ vor. Sofern der Arbeitgeber eines Kleinbetriebes Kündigungsgründe angebe – wozu er grundsätzlich nicht verpflichtet ist – müssen diese auch der Wahrheit entsprechen.
Verfahrensgang
Das ArbG Oberhausen hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen (Urt. v. 16.2.2022 – 3 Ca 1164/21). Mit der am 11.4.2022 bei dem LAG Düsseldorf eingegangenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Ergänzend trägt sie vor, dass die Beklagte nicht von „betrieblichen Gründen“, sondern von „betriebsbedingten Gründen“ spreche und damit Bezug auf die Kategorisierung des § 1 Abs. 2 KSchG nehme.
II. Die Entscheidung
Zurückweisung der Berufung
Die Berufung der Klägerin war erfolglos, denn das Arbeitsverhältnis wurde nach Auffassung des LAG Düsseldorf wirksam zum 31.10.2021 gekündigt und die Kündigung sei weder nach § 138 BGB sittenwidrig noch nach § 242 BGB treuwidrig.
keine Anwendung des KSchG auf Kleinbetriebe
Da es sich bei der Beklagten um einen Kleinbetrieb mit weniger als 10 Arbeitnehmern handelt, finde das KSchG gem. § 23 Abs. 1 KSchG keine Anwendung. Eine Überprüfung der Kündigung am Maßstab des § 1 Abs. 2 KSchG auf eine soziale Rechtfertigung hin habe nicht zu erfolgen.
keine Sittenwidrigkeit
Der Sittenwidrigkeitsvorwurf könne nicht damit begründet werden, dass unzutreffende Kündigungsgründe bei einer ordentlichen Kündigung angegeben wurden. Hier – so das LAG – konnte die ordentliche Kündigung auch ohne Angaben von Gründen ausgesprochen werden. Die Grundsätze unter denen „betriebsbedingte Gründe“ i.S.d. KSchG überprüft werden können, seien vorliegend nicht heranzuziehen. Daher könne es dahinstehen, ob die von der Beklagten genannten „betriebsbedingten Gründe“ der Wahrheit entsprechen. Das Recht zur ordentlichen Kündigung müsse auch gerade ohne die Angabe von Gründen möglich sein. Das Motiv der Nennung eines unzutreffenden Grundes liege hier in der Förderung des weiteren Fortkommens der gekündigten Klägerin. Dies beeinträchtige sie nicht in sittenwidriger Weise.
keine Treuwidrigkeit
Auch eine Treuwidrigkeit sei abzulehnen. Die Beklagte habe sich durch die Ausschreibung der Stellen nicht widersprüchlich verhalten. Insbesondere habe die Beklagte zuvor keinen Anlass durch ihr vorangegangenes Verhalten gegeben, dass bei der Klägerin ein schutzwürdiges Vertrauen in den Erhalt ihrer Arbeitsstelle hätte schaffen können. Das LAG Düsseldorf führt an, dass selbst wenn die Klägerin vor Ausspruch der Kündigung von den Stellenausschreibungen bereits Kenntnis erlangt hätte, mit dieser kein Vertrauen in den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses begründet worden wäre, sondern vielmehr das Gegenteil.
III. Der Praxistipp
Benennung von Kündigungsgründen
Ist angedacht, einen Arbeitnehmer eines Kleinbetriebes ordentlich fristgerecht zu kündigen und ist die (ohnehin nicht vorgesehene) Angabe von Kündigungsgründen nicht erforderlich, so empfiehlt es sich, im Kündigungsschreiben auch keine Kündigungsgründe zu benennen.
KSchG anwendbar?
Bei Ausspruch einer Kündigung im Kleinbetrieb ist stets zu berücksichtigen, ob der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes gem. §§ 1, 23 KSchG in Grenzfällen nicht doch uneingeschränkt eröffnet ist. Insofern erfolgt die Berechnung der Arbeitnehmer nicht nach Personenanzahl, sondern vielmehr nach der vereinbarten Arbeitszeit. Damit sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen. Auch die Einbeziehung von Scheinselbstständigen kann zum Erreichen des Schwellenwertes führen.