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LAG Mecklenburg-Vorpommern: Zur ordnungsgemäßen Personalratsanhörung und Kündigung in der Probezeit

1. Der Arbeitgeber ist bei einer Wartezeitkündigung nicht verpflichtet, dem Personalrat Sozialdaten, die bei vernünftiger Betrachtung weder aus seiner Sicht, noch aus Sicht der Arbeitnehmervertretung für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung eine Rolle spielen können, mitzuteilen.

2. Das Schriftformerfordernis nach §§ 623, 126 BGB setzt keine Leserlichkeit der Unterschrift voraus. Maßgeblich ist die Identifizierbarkeit der Unterschrift.

3. Im Falle der Übertragung der Kündigungsbefugnis auf eine stellvertretende Personalleiterin setzt der Ausschluss der Zurückweisung nach § 174 S. 2 BGB voraus, dass dem Erklärungsempfänger vor Ausspruch der Kündigung durch den Arbeitgeber die konkrete Person in der Funktion der Stellvertretung bekannt gegeben worden ist.

[Amtliche Leitsätze]

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 26.10.20223 Sa 79/22

I. Der Fall

Streitgegenstand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer fristgemäßen Kündigung während der Probezeit.

Parteien des Rechtsstreits

Die Klägerin war bei der Beklagten, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmern ausschließlich der Auszubildenden, seit dem 1.1.2021 als Abteilungsleiterin im Konzern-Rechnungswesen im Geschäftsbereich Finanzen und Controlling (Entgeltgruppe 13) zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 5.701,88 EUR beschäftigt.

Personalratsanhörung

Nachdem die Beklagte den bei ihr bestehenden Personalrat um Zustimmung zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung der Klägerin während der Probezeit zum 31.7.2021 gebeten hatte, widersprach dieser der Kündigung, zunächst ohne Begründung, sodann unter Berufung auf einen Verstoß gegen die in § 68 Landespersonalvertretungsgesetz genannten Zustimmungsverweigerungsgründe.

Kündigung

Unter dem 28.6.2021 kündigt die Beklagte sodann das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zum 31.7.2021 mit einem von der stellvertretenden Leiterin des Geschäftsbereichs Personal mit dem Zusatz „i.V.“ unterzeichneten Kündigungsschreiben. Durch Beschluss des Vorstandes der Beklagten vom 8.10.2019 i.V.m. der Richtlinie Unterschriftenbefugnis der Beklagten vom 19.9.2019 war der stellvertretenden Leiterin des Geschäftsbereichs Personal die Befugnis erteilt worden, u.a. Kündigungen des nichtwissenschaftlichen Personals vorzunehmen und zu unterzeichnen.

Zurückweisung der Kündigung

Mit Schreiben vom 2.7.2021 hat die Klägerin die Kündigung mit der Begründung zurückgewiesen, es habe keine ordnungsgemäße Bevollmächtigung zum Ausspruch von Kündigungen vorgelegen.

Kündigungsschutzklage

Unter dem 7.7.2021 hat die Klägerin Kündigungsschutzklage erhoben und beantragt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.6.2021 nicht aufgelöst worden sei.

Verfahrensgang

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Kündigung nicht gem. §§ 623, 126 Abs. 1, 125 BGB formunwirksam sei, da der unter der Kündigungserklärung enthaltende Schriftzug die Anforderungen an eine formwirksame Unterschrift erfülle (ArbG Stralsund, Urt. v. 16.3.2022 – 3 Ca 193/21). Auch eine Rechtsunwirksamkeit der Kündigung nach § 180 S. 1 BGB scheide aus, da die Beklagte im Zusammenhang mit dem Ausspruch der Kündigung durch die Mitarbeiterin B. rechtswirksam vertreten worden sei. Schließlich sei die Zurückweisung der Kündigung durch die Klägerin nach §§ 174 S. 1 BGB nach § 174 S. 2 BGB ausgeschlossen und die Klägerin über die Position als stellv. Personalleiterin mit Unterschriftsbefugnis i.S.d. § 174 Abs. 2 BGB in Kenntnis gesetzt worden.

II. Die Entscheidung

Zurückweisung der Berufung

Das LAG hat die hiergegen von der Klägerin eingelegte Berufung als nicht begründet zurückgewiesen, da das Arbeitsgericht die Klage rechtsfehlerfrei abgewiesen habe.

ordnungsgemäße Personalratsanhörung

Entgegen der Auffassung der Klägerin scheitere die streitbefangene Kündigung nicht an einer rechtsfehlerhaften Personalratsanhörung. Die Beklagte habe nach der zutreffenden Feststellung des Arbeitsgerichts die beabsichtigte Probezeitkündigung auf Werturteile gestützt und ausführlich und detailliert dargelegt, aus welchen Gründen sie zu der subjektiven Einschätzung gelangt sei, dass die Klägerin sich in der Probezeit nicht bewährt habe. Auch aus dem – unstreitigen – Umstand, dass die Beklagte dem bei ihr bestehenden Personalrat die Sozialdaten der Klägerin nicht mitgeteilt hat, folge kein anderes Ergebnis, da diese für eine Probezeitkündigung irrelevant seien. Schließlich habe der Personalrat keine substanziellen Verweigerungsgründe geltend gemacht; der lediglich pauschale Hinweis auf anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten sei anerkanntermaßen unzureichend.

Schriftform gewahrt

Ferner sei die Kündigung nicht in Ermangelung der Einhaltung des Schriftformerfordernisses rechtsunwirksam. Insbesondere trage die Kündigung eine ordnungsgemäße Unterschrift, nicht lediglich ein Handzeichen (Paraphe). Der Schriftzug – so habe das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt – bestehe aus einem „i.V.“ und im Folgenden aus einem groß geschriebenen „E“, einem Punktzeichen und anschließend verlaufe der Schriftzug zunächst von oben nach unten, dann in einer schrägen Linie nach rechts oben, gerade nach unten, kürzer nach rechts oben und dann in einer zunächst nach rechts und dann nach links oben und am Schluss nach rechts laufenden Linie. Das Schriftbild bestehe auch nicht nur aus einem oder zwei einzelnen Buchstaben. Vor allem aber spreche die räumliche Ausdehnung des Schriftzugs gegen die Annahme, es liege eine Paraphierung vor. Beim Empfänger des Schriftstücks könne angesichts des äußeren Stiftbildes nicht der Eindruck entstehen, es handele sich möglicherweise nur um einen Entwurf oder eine zum Zwecke der Dokumentation mit einem Handzeichen versehene Aktenkopie. Auch wenn die Unterschrift von einem Abschleifungsprozess gekennzeichnet sei, lasse sich neben dem Anfangsbuchstaben „E“ bei Anwendung des gebotenen, nicht kleinlichen Prüfungsmaßstabs im mittleren Teil ein „E“ und am Schluss ein „R“ erkennen.

keine Zurückweisung der Kündigung

Zudem sei die im Streit befindliche Kündigung nicht wegen unverzüglicher Zurückweisung durch die Klägerin rechtsunwirksam. Die Klägerin habe zwar eine (drei Tage nach Ausspruch der Kündigung) unverzügliche Rüge im Hinblick auf die ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten i.S.d. § 174 S. 1 BGB vorgenommen; jedoch sei sie vor Ausspruch der Kündigung gem. § 174 S. 2 BGB über die Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt worden. Die Bevollmächtigung sei im Zuge der Übertragung der Tätigkeit als stellvertretende Leiterin des Geschäftsbereichs Personal aufgrund der „Richtlinie Unterschriftsbefugnis“ unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes als gegeben anzusehen. Die Klägerin habe auch von dieser Bevollmächtigung Kenntnis gehabt, da der kaufmännische Vorstand der Beklagten die stellvertretende Leiterin des Geschäftsbereichs Personal anlässlich der Abteilungsleiterrunde am 21.4.2021 in ihrer neuen Funktion unter ausdrücklicher Bekanntgabe ihrer Unterschriftsbefugnisse vorgestellt habe.

keine sonstige Rechtsfehlerhaftigkeit

Schließlich sei auch eine Rechtsfehlerhaftigkeit der Kündigung als einseitiges Rechtsgeschäft im Rahmen einer Vertretung ohne Vertretungsmacht nicht gegeben, da im Falle eines einseitigen Rechtsgeschäfts die Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig ist; außerdem sei die Unterzeichnung aufgrund der „Richtlinie Unterschriftsbefugnis“ gerade mit Vertretungsmacht erfolgt.

III. Der Praxistipp

Sorgfalt bei Ausspruch bei Kündigungen

Auch wenn sich aus dem Urteil keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse ergeben, sind die Ausführungen geradezu mustergültig. Die unter dem Aktenzeichen 1 AZN 7/23 beim BAG eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde dürfte von daher keinerlei Aussicht auf Erfolg haben. Das Urteil veranschaulicht instruktiv die sich regelmäßig beim Ausspruch von Kündigungen in der Praxis immer wieder stellenden Probleme. Das deutsche Recht ist und bleibt hier in Bezug auf das Schriftformerfordernis des § 623 BGB außergewöhnlich streng. Es gilt daher auf Arbeitgeberseite unbedingt, jeglichen Angriffspunkt in Bezug auf die mögliche Formunwirksamkeit der Kündigung zu vermeiden. Von der Unterzeichnung der Kündigung mit ggf. ordnungsgemäßer Bevollmächtigung bis zur rechtzeitigen Zustellung gilt es, hier jedweden Formfehler zu vermeiden. Insbesondere bei der Unterzeichnung sollte man darauf bedacht sein, einen lesbaren oder zumindest erkennbaren Schriftzug unter das Kündigungsschreiben zu setzen, statt nur zu paraphieren.

Dr. Gunther Mävers, Maître en Droit, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln, maevers@michelspmks.de

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