– BAG 7 ABR 27/21 –
Fortdauer der Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung – Absinken der Anzahl der schwerbehinderten Mitarbeiter in einem Betrieb unter die Zahl von fünf
Die Beteiligten streiten über die Fortdauer der Amtszeit der zu 1. beteiligten Schwerbehindertenvertretung.
Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin unterhält einen Betrieb in K. mit 120 Arbeitnehmern und einen weiteren Betrieb in L. In dem Betrieb in K. wurde im Jahr 2019 die antragstellende Schwerbehindertenvertretung gewählt. In dem Betrieb in L. besteht ebenfalls eine Schwerbehindertenvertretung. Zum 1.8.2020 sank die Zahl der im Betrieb in K. beschäftigten schwerbehinderten Menschen unter die für die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung gemäß § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX maßgebliche Zahl von fünf ab. Die Arbeitgeberin teilte der gewählten Vertrauensperson daraufhin mit, die schwerbehinderten Beschäftigten würden künftig wieder von der Schwerbehindertenvertretung in L. betreut. Aus Sicht der Arbeitgeberin existiere eine eigene Schwerbehindertenvertretung in K. nicht mehr.
Mit dem vorliegenden Verfahren macht die Schwerbehindertenvertretung ihren Fortbestand über den 1.8.2020 hinaus geltend. Sie hat die Auffassung vertreten, das Absinken der Zahl der in K. beschäftigten schwerbehinderten Menschen unter den Schwellenwert wirke sich für die Dauer der gesetzlichen Amtszeit – diese beträgt gemäß § 177 Abs. 7 Satz 1 SGB IX vier Jahre – nicht auf die Existenz der Schwerbehindertenvertretung aus. Es komme aus Gründen der Rechtssicherheit allein darauf an, dass der Schwellenwert im Zeitpunkt der Wahl erreicht sei. Die Arbeitgeberin hat demgegenüber darauf hingewiesen, für das Betriebsverfassungsrecht sei anerkannt, dass die Amtszeit des Betriebsrats mit dem Absinken der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer unter den für die Wahl eines Betriebsrats maßgeblichen Schwellenwert von fünf ende. Sie hat die Auffassung vertreten, Entsprechendes müsse auch für die Schwerbehindertenvertretung gelten. Wenn die Anzahl der im Betrieb beschäftigen schwerbehinderten Menschen unter den maßgeblichen Schwellenwert absinke, ende daher deren Amt.
Die Vorinstanzen haben den Antrag der Schwerbehindertenvertretung abgewiesen. Dagegen wendet sie sich mit ihrer Rechtsbeschwerde.
Vorinstanz: LAG Köln, Beschl. v. 31.8.2021 – 4 TaBV 19/21
Termin der Entscheidung: 19.10.2022, 9:45 Uhr
Zuständig: Siebter Senat
– BAG 6 AZR 15/22 –
Betriebsbedingte Kündigung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Die Parteien streiten über die betriebsbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin.
Die 1969 geborene Klägerin war seit 1997 als Flugbegleiterin bei der Schuldnerin beschäftigt. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag war sie zuletzt ordentlich unkündbar. Die Schuldnerin war eine Fluggesellschaft mit Sitz in Berlin und Stationen an verschiedenen Flughäfen. Die Klägerin war in Düsseldorf stationiert. Ein von der Schuldnerin geschlossener Tarifvertrag sah vor, dass betriebsbedingte Beendigungskündigungen erst nach Abschluss eines Sozialtarifvertrags über einen Interessenausgleich und Sozialplan mit ver.di zulässig seien. Mit Beschl. v. 1.11.2017 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Er stellte die Klägerin wie auch weitere Arbeitnehmer von der Pflicht zur Arbeitsleistung frei. Ab 2018 waren bei der Schuldnerin mit Abwicklungsarbeiten noch 26 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30.4.2018. Das Bundesarbeitsgericht stellte in letzter Instanz für diese – wie auch für gegenüber anderen Arbeitnehmern der Schuldnerin ausgesprochene Kündigungen – rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis dadurch nicht aufgelöst wurde. Der Beklagte leitete daraufhin erneut ein Konsultationsverfahren mit dem bei der Schuldnerin bestehenden Betriebsrat für das Bodenpersonal und den Personalvertretungen für das fliegende Personal ein. Im Rahmen dieses Verfahrens teilte er u.a. mit, er sehe keine Möglichkeit der Wiedereröffnung des Geschäftsbetriebs und habe sich entschlossen, die Kündigungen zu wiederholen. Der Beklagte hörte Betriebsrat und Personalvertretungen zu den geplanten Entlassungen an und erstattete unter dem 18.8.2020 für die der Station Düsseldorf zugeordneten Arbeitnehmer eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit in Düsseldorf. Mit Schreiben vom 27.8.2020 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30.11.2020. Am 28.1.2021 sprach er vorsorglich eine weitere Kündigung aus.
Gegen diese Kündigungen hat sich die Klägerin mit ihrer Klage gewandt. Sie hat die Ansicht vertreten, die Kündigungen seien unwirksam. Die Massenentlassungsanzeige habe in Berlin am Sitz der Schuldnerin und nicht in Düsseldorf erstattet werden müssen, da dort im Zeitpunkt der Anzeige aufgrund der Stilllegung kein Betrieb mehr bestanden habe. Die Massenentlassungsanzeige habe zudem inhaltliche Fehler. Auch das Konsultationsverfahren sei fehlerhaft. Des Weiteren sei die Kündigung unwirksam, weil es an dem tarifvertraglich vorgeschriebenen Abschluss eines Sozialtarifvertrags mit ver.di fehle. Die Personalvertretung sei nicht ordnungsgemäß angehört worden, da ihr die ordentliche Unkündbarkeit der Klägerin nicht mitgeteilt worden sei.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.
Der Senat verhandelt am gleichen Tag eine Parallelsache (– 6 AZR 16/22 –).
Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urt. v. 13.10.2021 – 12 Sa 279/21
Termin der Entscheidung: 8.11.2022, 10:00 Uhr
Zuständig: Sechster Senat