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Fahrerlaubnispflicht und bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit

Allein aus einem am Heck eines Fahrzeugs angebrachten Geschwindigkeitsaufkleber (hier: „25“) kann nicht geschlossen werden, dass das Fahrzeug die genannte Geschwindigkeit auch tatsächlich erreichen kann. (Leitsatz des Verfassers)

KG, Beschl. v. 7.3.20253 ORs 8/25 – 121 SRs 5/25

I. Sachverhalt

Motorisierter Krankenfahrstuhl

Die Angeklagte hatte mit einem sogenannten motorisierten Krankenfahrstuhl, an dessen Heck ein Aufkleber mit der Aufschrift „25“ angebracht war, den Kundenparkplatz eines Supermarkts befahren. Dabei kam es zu einem Unfall.

Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis

Das AG hat die Angeklagte deshalb wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe verurteilt und ein Fahrverbot verhängt. Auf die Berufung der Angeklagten hat das LG das erstinstanzliche Urteil dahingehend abgeändert, dass die Angeklagte wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer geringeren Geldstrafe verurteilt wurde und das Fahrverbot in Wegfall geriet. Die Strafkammer ging dabei aufgrund des vorgenannten Aufklebers davon aus, dass mit dem Fahrzeug eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h erreicht werden kann, weshalb es sich um ein fahrerlaubnispflichtiges Fahrzeug handele. Hinsichtlich des zunächst noch erhobenen Vorwurfs des unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde nach § 154 Abs. 2 StPO verfahren.

Revision erfolgreich

Die gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision führte zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LG.

II. Entscheidung

Unzureichende Feststellungen

Das KG führt zunächst aus, dass motorisierte Krankenfahrstühle nur dann fahrerlaubnisfrei seien, wenn sämtliche der in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FeV normierten Voraussetzungen – u.a. eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 15 km/h – vorliegen. Schon der Wegfall auch nur eines Merkmals lasse die Fahrerlaubnisfreiheit entfallen. Dann allerdings beanstandet der Senat, dass den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen lediglich zu entnehmen sei, dass es sich bei dem von der Angeklagten verwendeten Fahrzeug um einen sogenannten Krankenfahrstuhl handele, der das Aussehen eines kleinen Pkw habe und auf dessen Heck ein großer runder Aufkleber mit der Aufschrift „25“ für die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h angebracht gewesen sei. Dies sei unzureichend.

Auch Beweiswürdigung lückenhaft

Zudem sei in diesem entscheidenden Punkt auch die vorgenommene Beweiswürdigung lückenhaft. Denn das LG habe seine Überzeugung zur bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit ausschließlich auf den Aufkleber gestützt. Hieraus allein könne jedoch angesichts der Vielzahl der sich im Umlauf befindenden und verwendeten Aufkleber und Beschilderungen nicht der Rückschluss gezogen werden, dass das Fahrzeug tatsächlich über eine entsprechende Motorisierung verfügte.

III. Bedeutung für die Praxis

Zutreffende Entscheidung

1. Die Entscheidung überzeugt, denn das Berufungsgericht ist mit dem bloßen Verweis auf den Aufkleber deutlich „zu kurz gesprungen“, was die Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs betrifft. Ein solcher Aufkleber vermag konkrete, beweiswürdigend belegte Feststellungen zur Beschaffenheit des Fahrzeugs nicht zu ersetzen.

Auf andere Konstellationen übertragbar

2. Der Beschluss betrifft zudem nicht nur für den praktisch wohl nicht sonderlich häufigen Fall der Benutzung eines motorisierten Krankenfahrstuhls; vielmehr sind die vom Senat aufgestellten Grundsätze in sämtlichen Konstellationen anwendbar, in denen die Höchstgeschwindigkeit des vom Beschuldigten verwendeten Fahrzeugs eine Rolle spielt, also etwa bei der Frage der Fahrerlaubnisfreiheit oder bei der Frage, ob die Fahrerlaubnis des Beschuldigten auch für das konkret genutzte Fahrzeug gilt.

RiOLG Thomas Hillenbrand, Stuttgart

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