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Abgrenzung von Versuch und Vorbereitungshandlung bei Bestellung von Betäubungsmitteln im Darknet

Kein strafbarer Versuch des Erwerbs von Betäubungsmitteln, sondern eine bloße Vorbereitungshandlung liegt vor, wenn bei einer Bestellung im Darknet nicht feststellbar ist, dass der Verkäufer die bestellte Ware bei der Post aufgegeben hat.

(Leitsatz des Verfassers)

BayObLG, Beschl. v. 5.12.2022207 StRR 335/22

I. Sachverhalt

Betäubungsmittel im Darknet bestellt

Das AG hat den Angeklagten u.a. wegen mehrfachen versuchten Erwerbs von Betäubungsmitteln im Darknet verurteilt. Seine Sprungrevision war teilweise erfolgreich.

II. Entscheidung

Grundlagen zum Versuchsbeginn …

Die Urteilsgründe trügen den Schuldspruch im vorstehenden Umfang nicht, da danach nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Erwerb der Rauschmittel durch den Angeklagten jeweils im Vorbereitungsstadium steckengeblieben ist. Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Ein unmittelbares Ansetzen bestehe in einem Verhalten des Täters, das nach seinem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne weitere Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen soll; dies kann schon gegeben sein, bevor der Täter eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestands entsprechende Handlung vornimmt (BGHSt 65, 15 = NJW 2020, 2570 = StRR 10/2020, 28 [Deutscher]). Das von dem Täter zur Verwirklichung seines Vorhabens Unternommene müsse zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden. Ob er zu der in diesem Sinne „entscheidenden“ Rechtsverletzung angesetzt hat oder sich noch im Stadium der Vorbereitung befindet, hänge von seiner Vorstellung über das „unmittelbare Einmünden“ seiner Handlungen in die Erfolgsverwirklichung ab. Gegen ein Überschreiten der Schwelle zum Versuch spreche es im Allgemeinen, wenn es zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolgs noch eines neuen Willensimpulses bedarf. Wesentliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium sei, inwieweit das geschützte Rechtsgut aus Sicht des Täters konkret gefährdet ist (BGH NStZ 2021, 537).

…. beim Erwerb von Betäubungsmitteln

Vorliegend habe der Angeklagte den Erwerb von Betäubungsmitteln angestrebt. Der Erwerb i.S.v. § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 9 BtMG sei ein Erfolgsdelikt. Der Erfolg sei eingetreten, wenn der Erwerber die tatsächliche Verfügungsmacht über das Betäubungsmittel auf abgeleitetem Wege, d.h. im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Vorbesitzer erlangt hat und die Verfügungsmacht ausüben kann (BGH NStZ-RR 2022, 118). Eine unmittelbare Gefährdung des geschützten Rechtsguts in diesem Sinne setze ein, wenn der Drogenverkäufer vereinbarungsgemäß die Ware bei der Post aufgibt. In diesem Augenblick sei nach der Vorstellung beider Vertragspartner alles geschehen, um die Tatbestandsverwirklichung herbeizuführen. Die Aufgabe der Sendung bei der Post münde unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung ein. Zwar müsse die Sendung noch vom Postzusteller dem Besteller ausgehändigt bzw. in seinen Briefkasten eingeworfen werden. Diese Maßnahme stelle aber keinen wesentlichen Zwischenschritt mehr dar, da bei ungestörtem Fortgang der Eingang der Sendung beim Adressaten eine – hier auch der Vorstellung der Vertragspartner entsprechende – regelmäßige Folge von deren Aufgabe bei der Post ist. Schließlich wäre mit einer natürlichen Betrachtungsweise des Posttransportvorgangs nicht vereinbar, die zahlreichen verschiedenen Stufen der Behandlung einer Sendung aufzugliedern und als selbstständige Zwischenschritte anzusehen (BayObLG NJW 1994, 2164; BGH a.a.O.).

Hier noch Vorbereitungshandlung

Daran habe es hier gefehlt. Der Angeklagte bestellte auf einer „Darknet-Plattform“ jeweils zwei Gramm Kokain bzw. fünf Gramm Haschisch und bezahlte zugleich per Mausklick, woraufhin der Verkäufer andere Personen mit der Versendung des jeweiligen Rauschmittels beauftragte. Dass dieses jeweils zur Post gegeben wurde oder beim Angeklagten ankam, sei in den vorgenannten Fällen nicht festgestellt worden. Die Beauftragung der „Versandabteilung“ könne mit der Aufgabe der vom Angeklagten bestellten Betäubungsmittel zur Post – welche wie ausgeführt regelmäßig den Beginn des versuchten Erwerbs darstellt – jedoch gerade nicht gleichgesetzt werden. Dies würde nämlich jedenfalls voraussetzen, dass die jeweiligen Sendungen mit einer der Post vergleichbaren Sicherheit ohne weitere Zwischenschritte den Empfänger erreichten. Eben daran fehlte es: Es könne hier gerade nicht festgestellt werden, dass die vier gegenständlichen Sendungen den Angeklagten erreicht haben. Auch seien die Rauschmittel – anders als in den anderen entschiedenen Fällen – nicht bei der Post polizeilich sichergestellt worden. Überdies habe es noch der Dosierung und Portionierung der Rauschmittel, ihrer –naturgemäß den Inhalt verschleiernden – Verpackung und schließlich der Aufgabe zur Post bedurft, also weiterer Zwischenschritte in der Sphäre des Versenders. Solange aber die Rauschmittel dessen alleinigen Einflussbereich nicht verlassen haben, liege der Beginn des Versuchs, der zur tatsächlichen Verfügungsmacht des Käufers führen soll, nicht vor.

III. Bedeutung für die Praxis

Zustimmung

Der Beschluss des BayObLG zur Abgrenzung von Versuchsbeginn und Vorbereitungshandlung beim versuchten Erwerb von Betäubungsmitteln durch Postzustellung entspricht der gängigen Rechtsprechung (BGH, BayObLG a.a.O.; zudem AG Freiburg, Beschl. v. 10.3.2017 – 28 Ds 620 Js 19369/16; allg. Patzak/Volkmer/Fabricius/Patzak, 10. Aufl. 2022, BtMG § 29 Rn 918–922; BeckOK-BtMG/Barrot, 16. Ed. 15.9.2022, BtMG § 29 Rn 401–405). Dem ist zuzustimmen, da auch nach der Bestellung weitere Zwischenschritte zur Versendung durch den Verkäufer erforderlich sind, wobei der Besteller keinen Einfluss darauf hat, ob, wann und wie diese ausgeführt werden. Da Online-Bestellungen von Betäubungsmitteln über das Darknet in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben, wird sich diese Abgrenzungsfrage häufiger stellen, wenn nicht nachweisbar ist, dass die Ware bereits zur Zustellung aufgegeben worden ist – etwa durch polizeiliche Sicherstellung beim Postunternehmen. Zum Rücktritt vom Versuch durch Stornierung der Bestellung BGH NStZ 2021, 537. Zur Frage des Tatverdachts für eine Bestellung im Darknet AG Mannheim, Beschl. v. 25.4.2018 – 1 Ls 805 Js 21014/15; AG Iserlohn, Beschl. v. 10.3.2017 – 16 Ds 200 Js 3746/15 – 139/17).

RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum

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