EuGH bestätigt deutsche Deckelung der Abmahnkosten
Die in Deutschland 2013 eingeführte Grenze für die Gebühren, die Anwälte bei Abmahnungen wegen einfacher Urheberrechtsverletzungen im privaten Umfeld erheben können, ist EU-rechtskonform. Dies hat der Europäische Gerichtshof in einer Entscheidung vom April bestätigt (Urt. v. 28.4.2022 – C-559/20). Danach ist der entsprechende „Deckel“ beim Streitwert mit Art. 14 der EU-Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums aus dem Jahr 2004 grds. vereinbar, weil er keine absolute Grenze zieht, sondern dem Gericht genügend Freiraum lässt, um im Einzelfall zu beurteilen, ob konkrete Umstände der Anwendung der Obergrenze nach Gesichtspunkten der „Billigkeit“ entgegenstehen.
Mit dem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken wurde der Streitwert für eine erste Abmahnung etwa von privaten Filesharing-Nutzern pauschal auf 1.000 € gedeckelt (vgl. § 97a Abs. 3 UrhG). Die dafür zu erhebenden Anwaltskosten liegen deshalb deutlich unter 200 €. Der anwaltliche Aufwand ist aber oft höher, was dazu führt, dass ein Rechteinhaber einen erheblichen Teil der Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit selbst tragen muss. So lag es auch im aktuell entschiedenen Fall, in dem ein Computerspieleproduzent in Deutschland seine Rechte an einem PC-Spiel verletzt sah und deshalb eine anwaltliche Abmahnung an den mutmaßlichen Verletzer in Auftrag gab. Die anwaltlichen Kosten von i.H.v. 984,60 €, entsprechend einem Gegenstandswert von 20.000 €, machte er anschließend durch zwei Instanzen geltend.
Während das AG den Streitwertdeckel ohne weitere Bedenken anwandte, sahen sich die Berufungsrichter vom LG Saarbrücken vor die Frage gestellt, ob § 97a Abs. 3 UrhG vielleicht gegen höherrangiges europäisches Recht verstößt. Sie legten deshalb dem EuGH die Frage vor, ob das deutsche Streitwertlimit mit der EU-Durchsetzungsrichtlinie konform geht.
Der EuGH kam nun zu dem Ergebnis, dass Art. 14 der EU-Richtlinie es durchaus erlaubt, dass innerstaatliches Recht Pauschaltarife für eine Abmahnung vorsieht. Allerdings müssten diese Tarife gewährleisten, dass die Kosten, die der unterlegenen Partei nach der nationalen Regelung auferlegt werden können, für den Rechteinhaber zumutbar sind und dass die Höchstbeträge, die für diese Kosten geltend gemacht werden könnten, im Verhältnis zu den Gebühren, die normalerweise von einem Anwalt auf dem Gebiet des geistigen Eigentums verlangt würden, nicht zu niedrig seien. Könnte nämlich der Verletzer nur zur Erstattung eines geringen Teils der dem Inhaber des verletzten Rechts des geistigen Eigentums entstandenen zumutbaren Anwaltskosten verurteilt werden, würde, so argumentiert der EuGH, die abschreckende Wirkung eines Verfahrens wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums, entgegen des mit der EU-Richtlinie verfolgten Hauptziels, ein hohes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten, erheblich geschwächt.
§ 97a Abs. 3 S. 4 des deutschen UrhG sehe jedoch ausdrücklich vor, dass ein Richter eine Ausnahme von der Streitwertdeckelung vornehmen könne, wenn er zu der Auffassung gelange, dass diese nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig sei. Von daher stehe Art. 14 der EU-Richtlinie letztlich der deutschen Regelung nicht entgegen.
[Quelle: EuGH]