Restschadensersatz für Diesel-Neuwagenkäufer trotz Verjährung
Für Gebrauchtwagenkäufe der vom sog. Dieselskandal Betroffenen hatte der VII. Zivilsenat des BGH kürzlich entschieden, dass nach Eintritt der Verjährung des Schadensersatzanspruchs auch kein sog. Restschadensersatzanspruch nach § 852 BGB gegen den Hersteller VW in Betracht kommt (vgl. dazu Anwaltsmagazin ZAP 5/2022, S. 214 f.).
Für Neuwagenkäufer stand seinerzeit die Entscheidung noch an. Allgemein war erwartet worden, dass hier durchaus höchstrichterlich ein Anspruch auf Restschadensersatz bejaht werden könnte. So ist es nun auch gekommen: Am 21.2.2022 entschied der VIa-Senat (der vorübergehend eingerichtete sog. Hilfssenat für Dieselfragen), dass Käufern eines der vom sog. Dieselskandal betroffenen Neuwagen, deren Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB bereits verjährt ist, ein bereicherungsrechtlicher Anspruch gegen den Hersteller aus § 852 S. 1 BGB zusteht (BGH, Urteile v. 21.2.2022 – VIa ZR 8/21 und VIa ZR 57/21).
Der Dieselsenat hatte zwei Neuwagenkäufe zu beurteilen: In dem einem Fall hatte ein Käufer einen VW Golf Cabrio „Life“ TDI direkt vom Hersteller gekauft; in dem anderen Fall erwarb der Käufer einen VW EOS 2.0 l TDI von einem Händler. In beiden Fällen war das Fahrzeug mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 versehen, dessen Software eine Prüfstandserkennung enthielt.
Nach Verjährung des Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB bejahte der BGH einen sog. Restschadensersatzanspruch aus § 852 S. 1 BGB. Denn anders als in dem vom VII. Zivilsenat zuvor entschiedenen Fall, bei dem es um einen Gebrauchtwagenkauf unter Privaten ging, hatte hier der Fahrzeughersteller im bereicherungsrechtlichen Sinne durchaus „etwas“ erlangt. Der Senat arbeitete auch exakt heraus, was der Hersteller jeweils erlangt hatte:
Beim Verkauf des Neuwagens direkt an den Endkunden habe der Hersteller zunächst den Anspruch gegen den Käufer aus dem Kaufvertrag erlangt und nach dessen Erfüllung den Kaufpreis. Ähnlich liegt es beim Kauf über den Händler: Hier habe der Hersteller zunächst eine Forderung gegen den Händler aus Kaufvertrag erlangt. Seine Bereicherung habe sich nach Erfüllung dieser Forderung am Händlereinkaufspreis fortgesetzt, der geringer ausgefallen sei als der von dem Endkäufer gezahlte Kaufpreis. Hingegen nicht „erlangt“ habe der Hersteller die Leistungen an die von den Käufern vorgerichtlich mandatierten Rechtsanwälte und etwaige verauslagte Finanzierungskosten, sodass sich der Anspruch aus § 852 S. 1 BGB – anders als der verjährte Anspruch aus § 826 BGB – nicht auf solche Schäden erstrecke.
Von dem erlangten Kaufpreis bzw. dem Händlereinkaufspreis könne der Hersteller seine Herstellungs- und Bereitstellungskosten nach § 818 Abs. 3 BGB nicht abziehen, weil er sich i.S.d. § 818 Abs. 4, § 819 BGB bösgläubig bereichert habe. Allerdings reiche der Anspruch auf Restschadensersatz aus §§ 826, 852 S. 1 BGB auch nicht weiter als der Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB, der grds. der Vorteilsausgleichung unterliege. Die Käufer müssten sich deshalb eine Nutzungsentschädigung für die von ihnen mit den Fahrzeugen gefahrenen Kilometer anrechnen lassen und könnten Zahlung nur Zug um Zug gegen Herausgabe der Fahrzeuge verlangen.
Da die Vorinstanzen hierzu keine Feststellungen getroffen hatten, verwies der Senat die Sachen zur Klärung der Höhe anzurechnender Vorteile an die Berufungsgerichte zurück.
[Quelle: BGH]