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Zivilrichter diskutierten über aktuelle rechtspolitische Fragen

Zivilrichter diskutierten über aktuelle rechtspolitische Fragen

Mitte Oktober fand in Koblenz die 73. Tagung der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Kammergerichts, des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Bundesgerichtshofs statt. Unter dem Vorsitz des Präsidenten des OLG Koblenz Henrichs berieten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über aktuelle rechtspolitische Fragen sowie Themen der gerichtlichen Praxis und sprachen sich dafür aus, in einem Rechtsstaatspakt 2.0 die gemeinsamen Anstrengungen von Bund und Ländern zur Stärkung der Dritten Gewalt fortzusetzen.

Darüber hinaus sehen die Präsidentinnen und Präsidenten in der Digitalisierung der Justiz, insb. der zeitgemäßen Ausstattung mit einer leistungsfähigen, stabilen und anwenderfreundlichen eAkte, der Weiterentwicklung von „e-justice“, der IT-Sicherheit sowie dem Ausbau von Online-Verhandlungen und mobilem Arbeiten, ein Zukunftsprojekt von überragender Bedeutung, um den Anforderungen an eine zügige und bürgernahe Rechtsgewährung gerecht zu werden.

Als weiteren Themenschwerpunkt wurden die erheblichen Herausforderungen durch massenhaft in gleich gelagerten Fällen eingereichte Zivilklagen, namentlich derzeit in „Dieselfällen“, erörtert. In einem Beschluss zur Problematik der Massenverfahren erklärten die Tagungsteilnehmer, dass selbst bei Ausschöpfung aller organisatorischen, technischen und personellen Möglichkeiten eine Bewältigung in der gebotenen Qualität und Zeit schlechterdings nicht möglich sei. Zugleich konstatierten sie, dass Streitentscheidungen in wesentlichen Bereichen der Zivilrechtspflege unerledigt bleiben und die Verfahrensdauer in allen Bereichen stark ansteige. Sie stellten auch heraus, dass die herkömmlichen Verfahren der Musterfeststellungsklagen nicht zu den gebotenen schnellen Lösungen von Rechtsfragen beitragen und die Erwartungen der Verkehrskreise nicht erfüllen könnten.

Die Präsidentinnen und Präsidenten halten deshalb eine schnelle Herstellung der Handlungsfähigkeit durch ergänzende gesetzgeberische Maßnahmen im Verfahrensrecht, ggf. auch im materiellen Recht, für geboten. Diese müssten auch die Veränderungen des Rechtsdienstleistungsmarktes in den Blick nehmen. Es dürfte sich dafür anbieten, Änderungen spätestens mit der Umsetzung der Verbandsklagerichtlinie zu verbinden. Die Präsidentinnen und Präsidenten bieten eine aktive Einbringung der vielfältigen Erfahrungen bei der Bewältigung von massenhaften Klagen im Gesetzgebungsverfahren an. Eine enge Beteiligung der Praxis halten sie für unumgänglich.

Die Einsatzmöglichkeiten künstlicher Intelligenz in der Justiz waren ein weiteres Schwerpunktthema der Tagung. Einen „Rechtsprechungsautomaten“ schlossen die Tagungsteilnehmer auch für die Zukunft aus. Es solle bei der richterlichen Entscheidungsverantwortung bleiben. Sie seien der Überzeugung, dass nur die Entscheidungsfindung durch den Menschen dem Wesen des Rechtsstaates ausreichend Rechnung trage und den qualitativen Anforderungen an die Rechtsprechung genüge. Die Arbeit der Gerichte sinnvoll unterstützen könne intelligente Software dagegen im Vorfeld der richterlichen Tätigkeit. Die Einführung der elektronischen Akte, die bereits heute in weitem Umfang die herkömmliche Papierakte ersetze, biete insoweit vielfältige Einsatzmöglichkeiten, etwa beim Zuordnen digital eingehender Schriftsätze und beim Anlegen der elektronischen Akte.

Ausgetauscht haben sich die Tagungsteilnehmer auch zu den Auswirkungen des Starkregenereignisses im Juli 2021. Die Präsidentin und die Präsidenten der von der Hochwasserkatastrophe betroffenen OLG-Bezirke – Köln, Düsseldorf, Hamm und v.a. Koblenz – berichteten übereinstimmend von der großen Solidarität und bewundernswerten Einsatzbereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der von der Katastrophe getroffenen Amtsgerichte wie auch der umliegenden Gerichte. Es bestand Einigkeit darüber, dass die Geschehnisse einer Analyse bedürfen und aus den Ereignissen Schlussfolgerungen für die Zukunft gezogen werden sollen. Ein besonderes Augenmerk werde auf den Schutz der Gebäudetechnik einschließlich der IT-Infrastruktur der Gerichte zu richten sein.

[Quelle: OLG Koblenz]

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