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Wenn Anwälte … mit Paragrafen Halloween feiern

Wenn Anwalt am 31. Oktober abends in der Kanzlei im trüben Lampenschimmer aus dem Fenster schaut, sieht er kleine Hexen, Kobolde und Gespenster von Haus zu Haus huschen.

Schon lange ist Halloween als US-Spukimport irischen Ursprungs fest in die Eventkultur Deutschlands eingesickert. Zusätzlichen Grusel braucht der Jurist eigentlich auch an diesem Tag nicht: Ein Blick auf unerledigte Fristen, den Aktenberg und die dicht getakteten Gerichtstermine morgen toppen jeden Gespensterbesuch mit Kettenrasseln. Wenn die kleinen Spukgestalten draußen längst unter der Bettdecke stecken und eine pralle Süßwarenbeute verbuchen, sitzt der Advokat mit fahlem Gesicht noch zur Geisterstunde vor seinem elektronischen Anwaltspostfach – dem unbestrittenen Horrorgarant Nr. 1. Auch seine Fachangestellte ist längst zu Hause, die hatte sich vor Büroschluss ein mittelalterliches Bettlerkostüm übergestreift. Sollte wohl als dezenter Hinweis auf ihre Gehaltssituation durchgehen.

Jetzt hat Anwalt Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen wie eine Fledermaus im Tiefschlaf: der Halloween-Brauch im Justizalltag?

Justiz im Kürbisschein – Passende Outfits im Sitzungssaal

Das hätte doch durchaus seinen Reiz. Wenn dem Richter nach zwei Stunden Verhandlung die Hutschnur reißt und am liebsten „Süßes, sonst gibt’s Knast“ rufen würde, damit der Angeklagte erschrocken endlich reinen Tisch macht, anstatt weiter herumzueiern. Der mit dem Zauberstab wedelnde Staatsanwalt im Hexerdress, der bei Falschaussagen schauspielreif üble Flüche androht. Und weg mit der verzärtelten Behutsamkeit gegenüber Zeugen, deren Erinnerung beim Anblick von Horrormasken schock-schnell zurückkehrt. Beschleunigt das Verfahren und umso schneller sind alle aus dem Sitzungssaal. Gesteigerte Prozessökonomie wie von Geisterhand sozusagen.

Dem Anwalt böte sich ebenso die Chance, einmal selbst richtig auf den Kürbis zu hauen und anstatt zwischen den Sitzungssälen von Tür zu Tür pilgern. Was ist für die Leute schon mehr zum Fürchten als Besuch vom Anwalt? Selbst ist der Geist, spricht der Jurist und mit ein paar schneiderischen Kniffen peppt man die Robe spielend zum Fledermausgewand auf, nur dass man eben nicht in Gotham City unterwegs ist und statt dem Batmobil nur der 15 Jahre alte Opel Corsa vor der Kanzlei steht, immerhin in Schwarz. Man hat doch noch buchstäblich eine Rechnung mit einem Mandanten offen, der seit drei Monaten das Anwaltshonorar nicht zahlt. Zeit für einen Besuch dort.

Da gab’s doch den Fall aus den USA, wo ein Anwohner im Garten Grabstein-Nachbildungen mit den Namen seiner Nachbarn darauf aufstellte. So weit muss man es nicht gleich treiben, denkt der Anwalt. Aber für das US-Gericht fiel der makabre Streich übrigens unter die Meinungsfreiheit.

Ärger auf einen Streich. Wenn der Spuk nach hinten losgeht

Aber als Jurist dann im Horrorgewand auszurücken, vertrüge sich nicht so recht mit dem Standesrecht, auch wenn die Bundesrechtsanwaltsordnung kein Spukverbot enthält. Anwalt kennt die Rechtsprechung rund um unglückliche Scherz- und Prank-Attacken, von denen auch einige vor dem Richtertisch landen. Kruder Stoff ist darunter, wie der Fall eines Arbeitnehmers, der höllisch verkleidet und mit Taschenlampe im Treppenhaus zur Tiefgarage Kollegen auflauerte, von denen dann zwei panisch die Treppen hinunterrannten – direkt in die Arme des Chefs. Allesamt fanden sich am Treppenende am Boden liegend. Resultat: Ein Knochenbruch, Prellungen und ein zerstörtes Laptop. Für den „Scherzkeks“ gab es Saures: nämlich die Kündigung.

Und noch einmal Bürohorror: Da war die Kollegin, die enthusiastisch an der Halloween-Deko gefeilt hatte und zwei Prachtkürbisse stilecht mit Kerzen bestückte. Dabei geriet ein Bürovorhang in Flammen, sodass die Belegschaft von den Tastaturen aufsprang und zum Löscheinsatz ansetzte. Den Schrecken vergisst dort sicher auch keiner.

Ein weiterer Klassiker, den Juristen gut kennen: Es bleibt nicht beim Erschrecken, sondern die verkleideten Gruselfetischisten setzen ihren Opfern nach und es entstehen wilde Verfolgungsjagden inklusive Kreischfaktor, wie den Drehbüchern alter Teen-Horror-Streifen entsprungen. Am Ende steht der größte Schreck: üble Stürze, Verletzungen, lange Arbeitsunfähigkeiten, Schadenersatzforderungen.

Oder ein Schreckmoment kehrt sich unglücklich um: Ein kostümierter, einen Plastiksäbel schwingender Mann sprang auf eine Straße, sodass ein entgegenkommender Autofahrer das Steuer verriss und das auf dem Bürgersteig abgestellte teure Rad des Kostümierten überfuhr. Der suchte dann später eine Kanzlei auf, da er seinen zerlegten Drahtesel ersetzt haben wollte.

Bei diesen trüben Schauergeschichten bleibt Anwalt dann doch besser zu Hause und begnügt sich mit der warmen Kürbissuppe, die in der Kanzleiküche köchelt. So gestärkt lassen sich die letzten Akten noch abarbeiten. Nur das auf den Fenstern gelandete Dutzend Eier muss noch weggewischt werden. Da war wohl jemand unzufrieden mit der Niederlage vor Gericht heute …

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