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Von den Fallstricken bei der Einstellung von Rechtsanwalts-/Notarfachangestellten

Als Anwalt/Anwältin ist es oft schwierig, all die Bälle und Aufgaben zu jonglieren, die Sie haben. Häufig wissen Sie auch nicht mehr, wo Ihnen der Kopf steht.

Ihr Vorteil ist es, dass Sie optimalerweise Ihren Traum leben und bereits im Studium gelernt haben, sich selbst zu organisieren, selbstständig zu arbeiten und/oder sich Hilfe zu holen. Und so kommen Sie in der Regel irgendwann auch an einen Punkt, an dem Sie Fachangestellte einstellen wollen.

 

Hierbei gibt es einige Punkte zu beachten, damit es eine Lovestory und kein Alptraum wird

Sicher haben Sie bereits im Referendariat, im Studium oder bei anderen Zusammentreffen mit anderen Rechtsanwälten/Rechtsanwältinnen mitbekommen, dass Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte selbstständig arbeitende Allrounder sind, die Ihnen die Kanzlei mit Links schmeißen.

Und ja, den Ruf haben sie nicht zu Unrecht, denn viele Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte erfüllen genau diese Voraussetzungen und trotzdem ist es nicht als selbstverständlich anzusehen, denn sie alle haben in unterschiedlichen Kanzleien und Unternehmen gelernt und bringen unterschiedliche Persönlichkeiten mit.

Fachlich sollten sie natürlich in der Ausbildung alle dieselben Inhalte gelernt haben, aber auch dies ist nicht zwingend immer der Fall.

Und so habe ich es in der Praxis schon häufig erlebt, dass aufgrund der dringend benötigten Arbeitskraft in den Kanzleien nur auf die allernötigsten Punkte geachtet wurde, aber ansonsten einfach die „nächstbeste“ Bewerberin/der nächstbeste Bewerber eingestellt wurde – häufig sogar entgegen der Meinung der anderen Fachangestellten.

Um Enttäuschungen auf beiden Seiten zu vermeiden, ist es wichtig, sich über einige Dinge (schriftlich) Gedanken zu machen und einige Schritte zu beachten, vor und während der Suche nach einer Fachangestellte/einem Fachangestellten.

 

11 Schritte zu einer/einem (passenden) Fachangestellten

  1. Überlegen Sie sich genau, welche Aufgaben die Stelle beinhalten soll
  2. Denken Sie darüber nach, wie selbstständig oder weisungsgebunden gearbeitet werden soll
  3. Machen Sie sich Gedanken darüber, falls es sich um eine Stelle handelt, in der eine direkte Zuarbeit für Sie oder Ihre Kollegen/Kolleginnen erfolgt, wie Sie bzw. Ihre Kollegen/Kolleginnen arbeiten
  4. Welche Arbeitszeiten müssen abgedeckt werden
  5. Ist persönlichen Anwesenheit in der Kanzlei immer/teilweise/nie notwendig
  6. Welches Equipment können Sie zur Verfügung stellen
  7. Welche Benefits können Sie anbieten
  8. Warum sollte eine Fachangestellte/ein Fachangestellter genau für Sie bzw. Ihre Kollegen und Kolleginnen arbeiten wollen
  9. Was unterscheidet Ihre Kanzlei von anderen Kanzleien/Unternehmen
  10. Welche Unterstützung bieten Sie im Rahmen der Einarbeitung/Arbeit
  11. Was würden Sie sich selbst von Ihnen als Arbeitgeber wünschen

 

Anhand der Antworten auf diese Fragen können Sie dann eine entsprechende Anzeige entwerfen und über einschlägige Portale, aber auch modern verpackt (z.B. als Video) in den Sozialen Medien veröffentlichen.

Dass es bei der Sichtung der Bewerbungsunterlagen nicht nur auf die Noten und vor allem nicht auf die Noten aus dem Abschlusszeugnis der Schule von vor 20 Jahren ankommt, versteht sich (mittlerweile) hoffentlich von selbst.

 

Achten Sie hier auf den Stil und auf das eigene Bauchgefühl

Suchen Sie bereits vorab das Gespräch mit den Kandidaten/Kandidatinnen und laden Sie dann persönlich zum Vorstellungsgespräch ein.

Hier können Sie die Kandidatinnen/Kandidaten auch dazu anregen, sich bis zum Vorstellungsgespräch Gedanken zu machen,

  • was sie von einer Kanzlei erwarten,
  • was für Aufgaben sie gerne machen wollen
  • welche Dinge ihnen bei einem Arbeitgeber wichtig sind.

Als Frage formuliert: Wie sieht Ihr Wunscharbeitsplatz aus und was für Voraussetzungen muss Ihr Wunscharbeitgeber auf jeden Fall erfüllen.

Im Vorstellungsgespräch ist es dann wichtig, nicht nur die Kanzlei und sich selbst vorzustellen und Standardfragen zu stellen, sondern vor allem herauszufinden, ob die Kandidatinnen/Kandidaten zu den von Ihnen herausgearbeiteten Punkten passen.

 

Beispiel 1:

Sie brauchen als Einzelanwalt/Einzelanwältin jemanden, der/die sämtliche Aufgaben übernimmt und selbstständig die Bearbeitung von vielen Dingen durchführt, keine Scheu vor Mandantenkontakt hat und generell eine Hands-on-Mentalität benötigt, dann werden Sie mit jemanden, der zuvor hauptsächlich in großen Kanzleien oder Unternehmen gearbeitet und alles vorgegeben bekommen hat sowie selten Mandantenkontakt hatte, in den meisten Fällen nicht glücklich werden.

Beispiel 2:

Wenn Sie als Großkanzlei jemanden suchen, die/der die Zwangsvollstreckungsabteilung mit mehreren Angestellten übernehmen soll, die Bewerberin/der Bewerber bisher aber hauptsächlich als Sachbearbeiterin für Unfallsachen gearbeitet hat und seit der Ausbildung keine besonderen Fortbildungen in diesem Bereich gemacht hat, kann dies schwierig werden.

Beispiel 3:

Ein Bewerber/eine Bewerberin ist ausschließlich als Allrounder eingesetzt worden und soll nun auf einmal einen sehr kleinen, möglicherweise auch noch einfachen Bereich bearbeiten, dann sollten Sie hellhörig werden, ob dies die passende Wahl ist.

 

In all den vorgenannten Punkten kann es sein, dass die Fachangestellte fachlich in dem Bereich entweder über- oder unterfordert ist und die Aufgaben nicht zu Ihrer Zufriedenheit bearbeiten kann.

Dies bringt oft Unruhe und Stress für alle Beteiligten mit sich, der vermeidbar ist, wenn Sie sich vorher Gedanken über die Aufgabenstellung machen.

 

Nicht nur auf Fakten, sondern auch auf Softskills

Selbst, wenn das Fachliche auf den ersten Blick stimmig ist, gilt es auch auf die Softskills zu achten, denn auch diese können oft zu Unzufriedenheit und Stress führen.

 

Beispiel 1:

Sie kommen immer erst um 11:00 Uhr in die Kanzlei und bleiben bis um 20:00 Uhr, dann macht es für Sie keinen Sinn, wenn die Bewerberin/der Bewerber am liebsten um 6:00 Uhr anfängt zu arbeiten und bereits um 14:00 Uhr Feierabend machen möchte.

Beispiel 2:

Sie sind die total organisierte Chaotin/der organisierte Chaot. Die Bewerberin/der Bewerber ist aber Monk und Ordnungsfanatiker, dann müssen Sie bereit sein, einige Diskussionen in Kauf zu nehmen und ggf. auch für Änderungen sorgen.

 

Hören Sie sich also auch an, was für Vorstellungen der Kandidat/ die Kandidatin von ihrem zukünftigen Arbeitgeber/Arbeitgeberinnen hat.

Aus all dem können Sie sich dann ein Bild machen und überlegen, passt die Bewerberin/der Bewerber wirklich zu mir/uns oder nicht.

Möglicherweise denken Sie sich, das ist aber viel Aufwand für das Einstellen einer/eines Fachangestellten, soviel Gedanken machen wir uns normalerweise, wenn wir einen Anwalt/eine Anwältin einstellen.

Das mag in der Vergangenheit und auf den ersten Blick richtig erscheinen. Aber auch eine Fachangestellte/ein Fachangestellter ist diese Mühe und Zeit wert. Denn es ist mehr Zeit- und Geldverschwendung, sich diese Gedanken nicht zu machen und nach kurzer Zeit die Fachangestellte/den Fachangestellten wieder ersetzen zu müssen oder mit einer unpassenden Besetzung der Stelle (vorerst) leben zu müssen, vor allem in Zeiten, in denen auch Fachangestellte nicht mehr auf der Straße Schlange stehen und nur auf Sie warten.

 

Fazit

In Ihrem Sinne, im Sinne der Kanzlei und auch im Sinne Ihrer vorhandenen und zukünftigen Fachangestellten: Machen Sie sich vorab Gedanken über die Besetzung einer Stelle und sparen Sie sich die Zeit, das Geld und die Mühe, ständig neue Fachangestellte suchen zu müssen.

 

 

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