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Stolz und Vorurteil: Anwalt und Coaching

Resilienter zu werden, neue Wege zu gehen, das wünschen sich viele AnwältInnen. Der Weg ins Coaching aber ist für viele mit Klischees und Vorurteilen gepflastert: Ist Coaching nicht doch nur Geldschneiderei? Wie erkenne ich einen guten Coach? Nicht zuletzt: Was passiert eigentlich bei einem Coaching?

Es antwortet Jasmin Lamberty, selbstständige Tiergestützte Systemische Beraterin & Coach (DGfC), Dipl. Sozialpädagogin, Tiergestützte Pädagogin (ISAAT)

 

Frau Lamberty, vorweg die Frage: Wie grenzt sich Ihr Coaching von der Inter- bzw. Supervision, vor allem aber von der Therapie, ab?

Lamberty: Coaching ist nach meinem Verständnis eher auf berufliche Themen ausgerichtet und grenzt sich schon dadurch von der eher persönlich orientierten Therapie und der Beratung ab. Während Inter- und Supervision eher reflektieren – kognitive Arbeit leisten – arbeitet Coaching ganzheitlich an den Themen, die der Coachee mit ins Coaching mitgebracht hat. Aber natürlich sind die Übergänge zwischen den einzelnen Instrumenten fließend.

 

Welche Chancen bietet Coaching der Anwaltschaft?

Lamberty: Das auf den Punkt zu bringen, ist schwierig. Aber vielleicht können die Begriffe „Entwicklungschance“ und „Bewusstseinsarbeit“ helfen. Coaching schöpft das Potenzial aus, das ich habe. Ich habe innere und äußere Ressourcen, die mir das Leben zur Verfügung stellt. Durch Coaching kann ich beide bewusster einsetzen. „Öffne den Topf der Möglichkeiten“ haben wir das in der Ausbildung genannt. Ich mache mir Ziele und Hindernisse bewusst und entwickle mit dem Coach gemeinsam Möglichkeiten, die einen zu erreichen und die anderen zu meistern. Daraus resultiert ein Billardkugel-Effekt: nach innen in mich hinein, aber auch co-verstärkend: Mein Umfeld, meine Kollegen, nehmen mich plötzlich anders wahr. Ich entfalte mein Potenzial.

 

Birgt Coaching auch Risiken?

Lamberty (lacht): Unbedingt. Das größte ist das Erwischen des falschen Coaches.

 

Und wie vermeide ich das? Oder erkennt gar der Coach den Coachee?

Lamberty: Ich erkenne den für mich richtigen Coach daran, dass er mich respektiert. Dass er mir auf Augenhöhe begegnet, nicht versucht, mir seine Ideen aufzudrücken, keine Heilslehren von sich gibt. Der gute Coach begleitet voller Wertschätzung den gesamten Weg zum gemeinsam erarbeiteten Ziel. Er verbreitet keine Heilsbotschaften nach dem Motto: „Wenn du das jetzt so machen würdest wie ich sage, dann wäre dein Leben total ok.“ Der gute Coach sagt: „Ich arbeite mit dir, nach bestem Wissen und Gewissen. Ich verspreche dir nichts. Ich begleite deinen gesamten Entwicklungsprozess.“ Der Coach beleuchtet mit dem Coachee gemeinsam Wege, Möglichkeiten und Potenziale und hält die Tools bereit, Hindernissen auf dem Weg zu begegnen. Gehen kann den Weg, nach meinem Verständnis, ganz allein der Coachee.

 

Der Coach erteilt also keine Ratschläge?

Lamberty: Richtig. Genau das nicht zu tun, ist Teil der Ausbildung.

 

Wie passt dann Coaching zu „Anwalt“? „Anwalt“ rät und berät ja praktisch in Dauerschleife?

Lamberty: Das ist eine Haltungsfrage, denke ich. Auch Anwälte sagen nicht „Sie müssen!“ sondern zeigen Mandanten Vor- und Nachteile ihres Handelns auf.

 

Anwälte müssen leider recht häufig „Sie müssen“ sagen – diese Frist wahren, zum Beispiel.

Lamberty: Einverstanden, aber die Entscheidung verbleibt beim Mandanten. Das „müssen“ ist hier ein Kommunikationsmittel, kein Dogma.

 

Wie geht der Coach an Themen wie die Verbesserung von Kommunikationsstrategien und Emotionsregulation sowie das Erlernen von Akzeptanz heran?

Lamberty: Lösungsorientiert. Ich frage als Coach erst einmal, was das ganz konkrete Thema ist, das Sie angehen möchten. Vielleicht wissen Sie ja schon, wohin Sie möchten, was sozusagen „herauskommen“ soll, und haben eine Idee, wie Sie dorthin gelangen könnten.

 

Sie sagten eben „ganz konkret“. Wie konkret ist so ein Ziel?

Lamberty: So konkret wie möglich. Ich frage: „Was wäre anders? Wer in deinem Umfeld wird als erstes merken, was sich verändert hat?“ Wir entwickeln eine möglichst genaue Vision dieser Zukunft und so viel wie möglich positive Emotionen dazu. „Was genau mache ich später anders? Was werde ich endlich einmal wieder tun?“ usw. Erst danach sprechen wir über den Lösungsweg. Menschen sind da durchaus unterschiedlich. Manchen genügt schon die Klärung des Auftrags, und sie kennen den Weg oder Teile davon. Mit anderen arbeite ich den Weg Schritt für Schritt aus.

 

Schauen wir uns diesen „Fall“ näher an: AnwältInnen haben oft das Problem, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht, nicht mehr oder nicht sinnvoll helfen zu können, obwohl der Bedarf da ist. Die kommunikative Seite ist schnell erlernbar, die innere Akzeptanz, eher schwerer. Wie könnte der Weg dorthin gelingen?

Lamberty: Akzeptanz ist wieder ein Bewusstseinsprozess, im Grunde also ein großes Wort für viele kleine Elemente, etwa Wertschätzung. Vielleicht fangen Sie damit an: Nicht das von mir gewünschte Ergebnis erzielt zu haben, bedeutet nicht, es nicht nach bestem Wissen und Gewissen und mit Energieeinsatz versucht zu haben. Mich und meine Arbeit wertschätzen zu lernen – darum geht es. Dann sollten Sie die Frage nach der Außenwahrnehmung stellen: Empfindet nur ich das negativ oder tut mein Mandant das auch? Viele Mandanten wertschätzen ihren Einsatz durchaus, für Sie ist es wichtig, dies wahrzunehmen. Vielleicht hilft es beiden weiter, nicht Mitleid, aber Mitgefühl auszudrücken – ich nenne es eher „Mitschwingen“.

Oft ist sich der Mandant nur nicht bewusst, dass Anwälte nicht dazu da sind, alle seine Probleme zu lösen. Vielleicht hilft dann – sowohl bei der Vermittlung gegenüber dem Mandanten als auch bei der Eigenakzeptanz – der Hinweis auf Dritte. Etwa auf ein Netzwerk aus nicht-juristischen Ansprechpartnern, die Hilfe anbieten. (lacht) Allen voran natürlich der Coach!

 

Und wie geht der Coach mit völlig unrealistischen Zielen um?

Lamberty: Mit einem Zitat: „Das Verrückteste auf der Welt ist es, zu glauben, dass etwas anders wird, ohne dass ich etwas anders mache.“ Damit spiegele ich meinem Coachee seine Verantwortung für die Auftragsfestlegung – für seine Rolle, sozusagen.

 

Welche Rolle übernimmt dann der Coach?

Lamberty: Der Coach behält den Prozess im Blick, stellt gute Fragen, hat die notwendigen Tools, um an Hindernissen zu arbeiten, er begleitet Bewusstseinsprozesse. Ich bringe meinen Coachee in den Prozess – einer Art innerer Umbau, Setzung neuer Prioritäten usw. – sodass am Ende der Coachee aus dem Coaching herausgeht und das Empfinden hat, etwas gerade gerückt zu haben. Dabei kommt das Gesamtziel zum Tragen, aber auch Zwischen-, oder sogar Tagesziele. Es gibt eine Art Skalierung von Zielen, also nicht nur ein „erreicht“ oder „nicht erreicht“, sondern auch ein „Ich kann schon deutlich besser dies und das …“. Der Coach überprüft jeden Schritt, fügt neu festgestellte Hindernisse in den Coachingplan ein oder grenzt sie bewusst aus – immer im direkten Austausch mit dem Coachee.

 

Das ist ein überraschend strukturiertes Arbeiten, verglichen mit den Vorurteilen, die Coaching so entgegengehalten werden.

Lamberty: Gutes Systemisches Coaching ist sehr strukturiert. Mein Job als Coach ist es, den roten Faden im Prozess im Blick zu behalten und immer wieder die Frage zu stellen, ob noch der ursprüngliche Arbeitsauftrag daran hängt, oder inwieweit angepasst werden muss. Systemisch bedeutet: Lösungsorientierung, Ressourcenorientierung, Begegnung auf Augenhöhe und vieles mehr. Das geht nur strukturiert. Was die Hemmschwelle angeht, ein Coaching anzugehen, so kann diese durch besondere Coaching-Angebote deutlich gesenkt werden, etwa bei Outdoor- oder Natur-Erlebnis-Coaching, mit oder ohne tierische Unterstützung. Diese besonderen Formen des Coachings erweitern zugleich das Repertoire des Coaches an Coaching-Tools beträchtlich.

 

Gibt es so etwas wie „Probecoaching“?

Lamberty: Bei mir ist es – im Unterschied zur Therapie – tatsächlich so, dass schlicht pro Sitzung bezahlt wird. Natürlich kann ich grob schätzen, wie viele Sitzungen für Ihr Thema sinnvoll sind. Aber der Ausstieg geht immer. Wiedereinstieg bzw. das Angehen des nächsten Prozessschritts auch. Das entscheiden alleine Sie. Punkt. Abgerechnet wird nach Leistung – übrigens auch ein Punkt für die Auswahl des richtigen Coaches. Daneben gibt es natürlich auch Arbeitsaufträge in Gruppenform oder in Form von Workshops mit festen Kosten.

 

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