“Schreiben ist leicht. Man muss nur die falschen Wörter weglassen.” Mark Twain wusste, wovon er sprach. Viele Anwälte hingegen beherzigen dies nicht, wenn sie ihren Mandanten Sätze schreiben, wie:
“Sehr geehrter Herr Heitmann, nachdem ich die umfangreiche Dokumentation zum Verlauf Ihres Arbeitsverhältnisses, einschließlich der E-Mail-Korrespondenz mit Ihrem Vorgesetzten, der Abmahnungen vom 15.03. und 22.05.2023 sowie des Kündigungsschreibens vom 30.06.2023, sorgfältig geprüft und die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu vergleichbaren Fällen einbezogen habe, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass wir gute Chancen haben, im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens erfolgreich gegen die fristlose Kündigung vorzugehen, wobei ich Sie jedoch darauf hinweisen muss, dass (…)”.
Ach ja, der liebe Bandwurmsatz. Kennen wir ihn nicht alle? Die Einen lieben ihn, die Anderen meiden ihn. Viele Juristen sind Fans des Bandwurmsatzes. Es lässt sich eben so schön viel darin unterbringen! Und Gedanken wollen doch auch zu Ende gedacht werden, ohne dass ein aufmüpfiger Punkt den Gedankenfluss stört! (Erst recht kein nerviger Doppelpunkt! Wäre ja noch schöner!)
Ein Ungetüm aus Wörtern, ein Dschungel aus Buchstaben
Nun ist es aber leider so, dass diese endlosen Satzkonstruktionen, die sich über mehrere Schriftsatzzeilen erstrecken, oft jegliche Hoffnung auf Klarheit und Verständlichkeit im Keim ersticken. Durch ihr schieres Wortvolumen! Sie sind – buchstäblich – zu schwer.
So ein Bandwurm aus Wörtern windet sich in Nebensätzen, durch Einschübe und über unzählige Kommata, bis der Leser am Ende vergessen hat, wie er überhaupt begann. Klar, theoretisch ist dann alles Wichtige drin, nur: Es versteht niemand. Und, schlimmer noch: Wenn sich mehrere solcher Sätze aneinanderreihen, dann liest es auch niemand! Nur vielleicht der arme Richter. Ja, es ist sein Job, aber glauben Sie mir: Begeistert wird er nicht sein, denn auch seine Aufmerksamkeitsspanne wird mit jedem Satz erneut auf die Probe gestellt. Und Sie wollen doch nicht, dass er einschläft, bevor Sie – buchstäblich – zum Punkt kommen!
In dieser schnelllebigen Zeit, wo auf Social Media das Videoformat gefeiert wird und alles “snackable” sein muss, wirken Bandwurmsätze wie ein Relikt aus einer längst vergangenen Ära. Einer Zeit, in der Menschen noch die Muße hatten, stundenlang über einem Satz zu brüten. Doch die heutige Realität sieht anders aus: Die meisten Leser wollen schnell und effizient informiert oder instruiert werden, ohne sich in einem Dschungel aus Worten zu verlieren.
Das soll natürlich nicht heißen, dass Sie das, was auf Social Media gilt, 1:1 auf einen Schriftsatz ans Gericht übertragen sollen. Der muss natürlich nicht “snackable” sein, sondern juristisch solide angefertigt werden. Bei Mandantenschreiben sollten Sie aber durchaus anders formulieren. Und am Ende geht es bei jeder Formulierung schlicht darum: Zwar so kurz wie möglich, aber dennoch so lang wie nötig!
Fünf Tipps für Kürze mit Würze
Wie vermeidet man also lange Bandwurmsätze? Die Antwort ist einfach: klar und prägnant formulieren. Ohne unnötigen Ballast, Worthülsen oder überflüssigen Detailreichtum. Klassische Tipps, um Texte leserfreundlicher und verständlicher zu formulieren, sind:
- Kurze Sätze: Statt einen einzigen Satz über fünf Zeilen zu ziehen, lieber die Informationen in mehrere kürzere Hauptsätze unterteilen. Wechseln Sie die Satzlängen immer mal. Das macht den Text nicht nur leichter verständlich und abwechslungsreich, sondern auch angenehmer zu lesen.
- Einschübe vermeiden: Einschübe verlängern Sätze oft unnötig. Stattdessen lieber Aufzählungen verwenden oder einen zweiten Satz bilden.
- Punkt statt Komma: Oft neigen wir dazu, Sätze mit unzähligen Kommata zu versehen, um möglichst viele Informationen unterzubringen. Doch oft ist es besser, einfach einen Punkt zu setzen und einen neuen Satz zu beginnen. Das schafft Klarheit und Struktur.
- Aktive Sprache verwenden: Nominalstil (“Die Verkündung des Urteils erfolgte durch das Gericht.”) und Passivkonstruktionen (“Das Urteil wurde vom Gericht verkündet.”) sind oft unnötig kompliziert. Aktive Sprache hingegen bringt die Botschaft schöner auf den Punkt (“Das Gericht verkündete das Urteil.”). So wird der Text dynamischer.
- Unnötige Details weglassen: Ob Schriftsatz oder Mandantenschreiben, ausschweifende Beschreibungen sind meist überflüssig. Konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche.
Letztlich geht es darum, dem Leser – ob Mandanten, Kollegen oder Richter – das Leben einfacher zu machen. Niemand möchte sich durch einen Bandwurmsatz kämpfen, nur um am Ende den Faden zu verlieren. Ein letzter Tipp: Lesen Sie sich Ihren eigenen Text am Ende einfach selbst laut vor. Sie werden merken, wo’s hakt.