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Kognitive Dissonanz: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt

Was bedeutet Kognitive Dissonanz? – Sie sind zwar Jurist und folglich mit Fach- und Fremdwörtern vertraut, doch diesen Begriff müssten Sie nachschlagen? Brauchen Sie nicht! Lesen Sie einfach weiter und ich verspreche Ihnen: bald werden Sie eifrig nicken, denn es ist ein alltägliches Phänomen, das uns alle betrifft.


Der Fuchs und die Trauben

Es war einmal ein hungriger Fuchs, der auf seinem Beutezug einen Weinstock voller Trauben entdeckte. Die Rebe mit den schweren Früchten hing jedoch hoch oben an einer Mauer. Der kleine Fuchs reckte und streckte sich, hüpfte und sprang, doch so sehr er sich auch anstrengte: er konnte die begehrten Trauben nicht erreichen. Ein paar Vögel auf den Bäumen beobachteten ihn amüsiert. Nach vielen vergeblichen Versuchen hielt er schließlich verärgert inne, schüttelte sich und sprach mit Hochmut in der Stimme: „Ach, warum bemühe ich mich eigentlich? Die Trauben sind ohnehin noch nicht reif. Saure Trauben mag ich nicht.“Erhobenen Hauptes stolzierte er zurück in den Wald.

Diese Fabel des Griechen Äsop ist ein klassisches Beispiel für kognitive Dissonanz. Der Fuchs erreicht die Trauben nicht, doch er gesteht sich diese Niederlage nicht ein. Um vor sich selbst und den amüsierten Vögeln nicht schlecht dazustehen, wertet er die Trauben ab. Damit schließt er quasi wieder die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit.


Im Widerspruch zum Selbstbild

Kognitive Dissonanz kennt jede/r von uns. Man erhält eine Information, trifft eine Entscheidung oder handelt in einer Art und Weise, die den eigenen Ansichten, Wünschen oder Werten widerspricht.

Beispiel: Man will aus gesundheitlichen Gründen mit dem Rauchen aufhören, tut es dann aber auf der nächsten Party doch wieder.

Diese Diskrepanz empfinden wir als unangenehm, denn sie erschüttert unser Selbstbild. Doch wie reagieren Menschen, wenn sie damit konfrontiert werden?

„Wolltest Du nicht eigentlich mit dem Rauchen aufhören?“

Sobald Menschen den Widerspruch bemerken oder von Dritten darauf angesprochen werden, stellen sie in der Regel nicht ihre Glaubenssätze oder ihr Vorhaben in Frage, sondern beginnen, ihr Verhalten zu rationalisieren. Statt Einsehen, folgt Rechtfertigung. Sie dient als Schutzmechanismus, um nicht von Selbstzweifeln zerfressen und nachts um den gesunden Schlaf gebracht zu werden. Wir sehen nur das, was wir sehen wollen und was unsere Meinung stärkt. Der Rest wird ausgeblendet. Wir versuchen, „unsere Wahrheit“ so weit auszulegen, dass eine größtmögliche Übereinstimmung besteht und die Diskrepanz zugunsten von Konsistenz aufgelöst wird. Der Klassiker ist die Rechtfertigung:

„Das Rauchen an diesem Abend ist – wegen der Party – eine Ausnahme.“

„Ich beginne die Diät nun doch erst ab Montag. Heute sind wir zum Essen eingeladen und eine Absage wäre unhöflich.“


Den Widerspruch auflösen oder: Was nicht passt, wird passend gemacht

Grundsätzlich gibt es unterschiedliche Ansätze und Strategien, um die durch widersprüchliches Verhalten entstandene Diskrepanz und damit die als unangenehm empfundene kognitive Dissonanz zu vermindern. Um größtmögliche Konsistenz herzustellen, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • Verhaltensänderung: Die Änderung des Verhaltens, sodass es mit der Überzeugung oder dem Wunsch übereinstimmt. Beispiel: Sobald ich mich an meinen Vorsatz, nicht mehr zu rauchen, erinnere, mache ich umgehend die Zigarette aus.
  • Gedankenänderung: Die Relativierung von Wertvorstellungen, Ansichten oder Wünschen, sodass sie zum Handeln passen. Alternativ: die Banalisierung der Konsequenzen widersprüchlichen Verhaltens, sodass die Diskrepanz jedenfalls vermindert wird. Beispiel: Ich will zwar mit dem Rauchen aufhören, doch Ausnahmen sind ok. Eine Zigarette auf einer Party zu rauchen, ist nicht schlimm.

Und Scheinlösungen:

  • Ausreden, Rechtfertigung: Ich hatte keine Wahl. Die angebotene Zigarette abzulehnen, wäre unhöflich gewesen. Ab Montag höre ich wirklich auf.
  • Ablenkung: Die Beschäftigung mit etwas Anderem und Ablenkung (z.B. durch Sport, viel Arbeit oder Alkohol) können helfen, den Widerspruch temporär zu verdrängen und das Unwohlsein zu betäuben. Unter Umständen schafft dies jedoch neue Probleme, denn man schiebt es nur auf, sich mit der eigentlichen Thematik zu beschäftigen. Dies führt oftmals zu Prokrastination.

Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung

Jeder Mensch findet den für sich individuell richtigen Weg, auf kognitive Dissonanz zu reagieren. Letztlich läuft Vieles unbewusst ab. Es ist daher schon viel wert, sich der kognitiven Dissonanz überhaupt bewusst zu sein, wenn sie auftritt. Selbstreflexion kann dabei helfen, sich persönlich weiterzuentwickeln. Fragen Sie sich: Was ist der Grund für mein widersprüchliches Handeln? Sollte ich meine Glaubenssätze, Ansichten und Sichtweisen überdenken? Oder rechtfertige ich mich nur wortreich, um mein Verhalten nicht ändern zu müssen?

Es ist spannend und zuweilen ausgesprochen erkenntnisreich, sich mit dem eigenem Verhalten und damit einhergehenden Automatismen ganz bewusst zu beschäftigen. Dafür braucht es jedoch auch eine gewisse Neugier und Bereitschaft. Und dann kommt letztlich doch wieder der Alltag dazwischen und man vergisst es. Doch keine Sorge, Sie werden noch hinreichend Gelegenheit dazu finden, sich damit zu beschäftigen. Die nächste Entscheidung kommt bestimmt.

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