Die Entrüstung stand dem Mann ins Gesicht geschrieben. Sein pikierter Gesichtsausdruck war indes ganz allein mein Fehler: ich hatte meine selbstgesetzte „oberste Regel“ verletzt: Erst erklären, warum es kostet, dann sagen, was es kostet.
Damals …
Erich Maria Remarque schildert in einem seiner Romane eindringlich, wie der Vater seines Romanhelden verzweifelt Überstunden macht, damit die Krebserkrankung der Mutter „3. Klasse“ behandelt werden kann. Dabei wissen die Eltern nicht einmal, was an Behandlungskosten anfallen wird: Zutiefst beschämt schrecken die einfachen Leute davor zurück, den behandelnden Halbgott in Weiß nach den Kosten für seine Arbeit zu fragen. Das gehe doch nicht, der könne sich doch womöglich davon düpiert fühlen, erklären sie dem Romanhelden.
… und heute
Die Zeiten, in denen Menschen mit gesenktem Haupt „zum Anwalt“ oder „zum Arzt“ gingen und dort kaum aufzublicken wagten, die Zeiten, in denen niemand auf die Idee gekommen wäre, diese Berufe nach Kosten zu fragen – sie sind, himmelseidank, lange vorbei. Längst müssen auch die einstigen Halbgötter die von ihnen geforderten Beträge erklären, Anwält*innen wohl noch mehr als Ärzt*innen.
Just in die daraus entstehende Falle war ich nun gerade getappt. Ich hatte schlicht vergessen, dass ich nicht nur einfach einen Preis nennen darf, ich muss auch erklären, wie er zustande kommt.
Groß und Klein
Ich muss das vielleicht noch mehr als andere Kolleg*innen, denn meine Kanzlei ist klein und ich arbeite alleine. Das muss doch einfach billiger sein, als die Großkanzlei mit den vielen Mitarbeitern es ist, rechnen sich meine Interessenten oft aus.
Erklärungsbedarf
Dass hinter den Berufsträger*innen aller Kanzleimodelle derselbe lange Ausbildungsweg steht, dass wir Kolleg*innen letztlich alle dieselbe Arbeit unter ähnlichen Rahmenbedingungen machen – das bedarf der Erklärung. Die Menschen, die uns aufsuchen, müssen das nicht wissen – wir schon.
Natürlich möchte auch ich mich nicht vor meinen Mandant*innen kostentechnisch ausziehen. Ich tue es auch nicht. Ich frage, was der-/diejenige beruflich macht und arbeite dann mit dem direkten Vergleich: Arbeitszeiten? Nacharbeiten und Papierkram? Urlaub? Krankheit? Bei den meisten Menschen stellt sich schnell Verständnis für die Höhe meiner Stundensätze und Pauschalhonorare ein.
Ich meine, dass bei der Frage der Kostentransparenz auch kein einziges Wort eines zu viel ist: Nur wer versteht, schätzt Wert. Nur wer wertschätzt, zahlt bereitwillig gutes Geld für gute Leistung. Und darauf kommt es doch letztlich an: Das erspart mir viel Zeit und Ärger und erhält mir meinen Lebensunterhalt.
Den Herrn mit dem vergrätzten Gesichtsausdruck konnte ich übrigens doch noch für mich gewinnen. Er war gerade Opa geworden, erzählte er. „Sehen Sie,“ befand ich, „was meinen Sie, was Ihr Sohn da noch alles anschaffen muss! Ich weiß das noch, mein Sohn ist gerade erst acht Jahr alt.“ Wir sahen uns an und verstanden uns blind: Er sollte den Laden nicht kaufen – mieten, auf Zeit.