Smalltalk dient oft als Eisbrecher und zur Pflege leichter Konversation. In dieser Funktion sind auf die Frage: “Wie geht es Ihnen?” Standardantworten wie „gut” oder „okay” zu einer Art sozialem Schmiermittel geworden. Sie halten das Gespräch in Bewegung (oder beenden es schnell wieder), ohne in tiefere, persönliche Sphären vorzudringen. Dabei geht meist die Authentizität verloren, aber: ist sie überhaupt erwünscht?
Takt und Feinsinn im Business-Kontext
Stellen Sie sich folgende Szene vor: Großkanzlei. Bewerbungsgespräch für die freigewordene Stelle im Partner-Sekretariat. Der Anwalt betritt den Raum. Er hat zuvor mitbekommen, dass die Kandidatin gerade im Urlaub war. Höflich, wie er ist, startet er mit seichtem Smalltalk…
“Schön, dass Sie da sind, Frau Meyer. Ich hoffe, Sie hatten einen erholsamen Urlaub.”
Er rechnet nicht mit der unverblümten Antwort:
“Naja, wenn ich ehrlich sein soll: es war der schlimmste Urlaub seit Jahren. Wollen Sie wissen, warum?”
Uff! Darauf war er nicht vorbereitet. Wie reagiert er jetzt?
Variante A: “Das tut mir leid, Frau Meyer, doch wir sind ja hier im Bewerbungsgespräch und ich habe wenig Zeit, daher lassen Sie uns gern gleich zum Thema kommen.”
Das ist effizient und in der Sache korrekt, aber auch ein Stück weit arrogant und unhöflich, denn schließlich ist er ja derjenige, der sich nach dem Urlaub erkundigt hat.
Variante B: “Oh, das tut mir leid, Frau Meyer. Was ist denn passiert?”
Eine wenig vorstellbare Variante, denn schließlich tickt die Uhr und alle haben wirklich Besseres zu tun, als Frau Meyers Urlaubsdebakel zu bemitleiden.
Kurzum: ein kleines Dilemma. Doch was ist die Lehre daraus? Hätte er gar nicht fragen sollen, wenn es ihn nicht wirklich interessiert? Oder hätte die Kandidatin situativ mehr Feinsinn zeigen und feststellen müssen, dass sie ihre Urlaubsthemen nicht jedem auf die Nase binden sollte, der sich bloß höflich-standardisiert nach dem Urlaub erkundigt?
So oder so: der Anwalt – als potenzieller Chef in spe – kann letztlich auch aus dieser kleinen Situation schon gewisse Rückschlüsse auf die soziale Intelligenz der Kandidatin ziehen, was sein Gesamtbild am Ende mit beeinflussen wird.
Authentizität erfrischt und verbindet
Beim Smalltalk zählt eben nicht nur die Art der Beziehung, in der die Gesprächspartner zueinanderstehen, sondern immer auch der situative Kontext. Es gibt schließlich Momente, in denen Ehrlichkeit nicht unbedingt angebracht ist, etwa wenn die fragende Person nicht wirklich an einer ausführlichen Antwort interessiert ist oder es schlicht um einen kurzen, höflichen Austausch geht.
Auf so eine Klassiker-Frage wie „Wie geht es Ihnen?” ehrlich zu antworten (z.B. mit einem schulterzuckenden „Ach, könnte besser sein…”), kann jedoch durchaus einen Unterschied machen und helfen, eine echte Verbindung aufzubauen. Sich zu öffnen, auch in kleinen Gesprächen Authentizität zuzulassen, kann zu tieferen Beziehungen führen. Doch, beachten Sie: Bitte nur, wenn sich tatsächlich die Gelegenheit ergibt, denn das Navigieren zwischen Etikette und Ehrlichkeit erfordert gerade im Business-Kontext ein besonderes Maß an Sensibilität und Takt – und der Grat zu plumper Vertraulichkeit ist schmal.