Die Vorschriften der §§ 802a bis 802l ZPO
Am 1. Januar 2013 trat das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung in Kraft. Die Vorschriften der §§ 802a bis 802l ZPO enthalten
a) allgemeine Grundregeln für die Zwangsvollstreckung,
b) Regelbefugnisse des Gerichtsvollziehers bei Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen wegen Geldforderungen.
Hierzu nun im Einzelnen:
I. § 802a ZPO
§ 802a ZPO: Grundsätze der Vollstreckung; Regelbefugnisse des Gerichtsvollziehers
(1) Der Gerichtsvollzieher wirkt auf eine zügige, vollständige und Kosten sparende Beitreibung von Geldforderungen hin.
(2) Auf Grund eines entsprechenden Vollstreckungsauftrages und der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung ist der Gerichtsvollzieher unbeschadet weiterer Zuständigkeiten befugt,
1. Eine gütliche Erledigung der Sache (§ 802b) zu versuchen,
2. Eine Vermögensauskunft des Schuldners (§ 802c) einzuholen,
3. Auskünfte Dritter über das Vermögen des Schuldners (§ 802l) einzuholen,
4. Die Pfändung und Verwertung körperlicher Sachen zu betreiben,
5. Eine Vorpfändung (§ 845) durchzuführen; hierfür bedarf es nicht der vorherigen Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung und der Zustellung des Schuldtitels.
Die Maßnahmen sind in dem Vollstreckungsauftrag zu bezeichnen, die Maßnahme nach Satz 1 Nr. 1 jedoch nur dann, wenn sich der Auftrag hierauf beschränkt.
Praktische Anwendung:
Eigentlich stellen die drei Grundsätze des Absatzes 1 eine Selbstverständlichkeit dar. Zügig bedeutet ohne vorwerfbares Zögern. Gemäß § 5 Abs. 1 GVGA darf die Erledigung des Auftrags nicht verzögert werden. Erfolgt die erste Vollstreckungshandlung nicht innerhalb eines Monats, ist der Grund der Verzögerung aktenkundig zu machen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 GVGA). Vollständig weist auf die umfassende Befriedigung des Gläubigers hin. Kosten sparend deutet auf die Verhältnismäßigkeit hin.
Der Gläubiger muss für die Auftragserteilung das vorgeschriebene Formular gemäß § 753 Abs. 3 ZPO i.V.m. §§ 1 ff. GVFV benutzen.
Erteilt der Gläubiger dem Gerichtsvollzieher Weisungen, ist dieser zum Befolgen über Ob, Wann, Wie und Wo verpflichtet (§ 58 Abs. 2 GVGA), soweit die Weisungen nicht im Widerspruch zu bestehenden Gesetzen stehen (BGH NJW 2018, 706 Rn 20; NJW-RR 2016, 319 Rn 7).
Achtung:
Der Gerichtsvollzieher darf bei einem Pfändungsauftrag von sich aus stets vorher oder zugleich mit der Einleitung der Pfändung eine gütliche Erledigung versuchen und ggf. herbeiführen (OLG Köln, DGVZ 2022, 90; Zöller/Seibel § 802a Rn 3, Anders/Gehle, ZPO-Kommentar, 82. Aufl. 2024, § 802a Rn 13).
Wichtig zu wissen ist, dass der Gläubiger einer Zahlungsvereinbarung durchaus widersprechen kann (§ 802b Abs. 3 Satz 2).
Die Gebühr für den Gerichtsvollzieher beträgt gemäß Nr. 208 KV-GvKostG 9,60 EUR, wenn der Gerichtsvollzieher gleichzeitig mit einer Maßnahme nach § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 4 ZPO beauftragt ist.
II. § 802b ZPO
§ 802b ZPO: Gütliche Erledigung; Vollstreckungsaufschub bei Zahlungsvereinbarung
(1) Der Gerichtsvollzieher soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedacht sein.
(2) Hat der Gläubiger eine Zahlungsvereinbarung nicht ausgeschlossen, so kann der Gerichtsvollzieher dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumen oder eine Tilgung durch Teilleistungen (Ratenzahlung) gestatten, sofern der Schuldner glaubhaft darlegt, die nach Höhe und Zeitpunkt festzusetzenden Zahlungen erbringen zu können. Soweit ein Zahlungsplan nach Satz 1 festgesetzt wird, ist die Vollstreckung aufgeschoben. Die Tilgung soll binnen zwölf Monaten abgeschlossen sein.
(3) Der Gerichtsvollzieher unterrichtet den Gläubiger unverzüglich über den gemäß Abs. 2 festgesetzten Zahlungsplan und den Vollstreckungsaufschub. Widerspricht der Gläubiger unverzüglich, so wird der Zahlungsplanmit der Unterrichtung des Schuldners hinfällig; zugleich endet der Zahlungsaufschub. Dieselben Wirkungen treten ein, wenn der Schuldner mit einer festgesetzten Zahlung ganz oder teilweise länger als zwei Wochen in Rückstand gerät.
Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist die schonende Erledigung des Auftrags. Es soll hiermit vermieden werden, dass eine Wertverschleuderung nach Pfändung und Verwertung stattfindet. Bekanntlich könnte der gepfändete Gegenstand in der Regel für die Hälfte des vom Gerichtsvollzieher geschätzten Betrages verwertet werden (§ 817a Abs. 1 ZPO)
Beispiel:
Der Gerichtsvollzieher pfändet einen Volkswagen Golf III Cabriolet Highline aus 2. Hand, Baujahr 11/1999. Das Fahrzeug hat einen gewöhnlichen Verkaufswert von 3.200,00 EUR. Gemäß § 817a Abs. 1 ZPO könnte dieses Fahrzeug für 1.600,00 EUR verwertet werden.
Der Gerichtsvollzieher soll im Übrigen in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedacht sein. Hierzu ist er auch ohne ausdrückliche Beauftragung verpflichtet. Dieses kann der Gläubiger grundsätzlich auch nicht ausschließen (OLG Köln, DGVZ 2022, 90; Zöller/Seibel, § 802a Rn 3).
Hat der Gläubiger nicht bereits vorweg widersprochen, wird er über die Zahlungsvereinbarung informiert und kann ggf. nunmehr widersprechen.
Schließt der Gerichtsvollzieher mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung ab, muss der Schuldner zuvor glaubhaft darlegen, die Zahlungen auch erbringen zu können. Die Tilgungsfrist beträgt gemäß § 802b Abs. 2 Satz 3 höchstens zwölf Monate.
Hat der Gerichtsvollzieher eine Zahlungsfrist bestimmt oder einen Ratenzahlungsplan festgesetzt, ist die Vollstreckung aufgeschoben.
Für den Gläubiger besteht die Möglichkeit, der Zahlungsvereinbarung unverzüglich zu widersprechen. In diesem Fall unterrichtet der Gerichtsvollzieher den Schuldner von dem Widerspruch.
Die Gebühr für den Gerichtsvollzieher für den Versuch einer gütlichen Erledigung der Sache gemäß § 802b ZPO beträgt gemäß Nr. 207 KV-GvKostG 19,20 EUR.
Wichtiger Praxishinweis:
Teilzahlungen gemäß § 802b ZPO können im Falle einer Insolvenz des Schuldners anfechtbar sein, das heißt, der Insolvenzverwalter kann vom Schuldner erbrachte Zahlungen zurückfordern (§ 133 Abs. 1 InsO).
Kann sich der Gläubiger eventuell hiervor schützen?
Bedingt ja.
Wenn der Schuldner einen schriftlichen Teilzahlungsvergleich abschließt (für den u.U. auch eine Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000, 1003 VV-RVG anfällt), sollte der Gläubiger eine Klausel mit aufnehmen, dass die Ratenzahlungen des Schuldners aus dem unpfändbaren Vermögen vorgenommen werden. Diese könnte konkret lauten:
Muster: Klausel Insolvenzsicherung
Der Schuldner erklärt ausdrücklich, dass die vereinbarten Ratenzahlungen gänzlich aus dem pfändungsfreien Vermögen gezahlt werden, so dass die Voraussetzungen der §§ 130 ff. InsO nicht vorliegen.
Es handelt sich hierbei um keine 100 %ige Sicherheit, ist erfahrungsgemäß jedoch hochwirksam.
III. § 802c ZPO
§ 802c ZPO: Vermögensauskunft des Schuldners
(1) Der Schuldner ist verpflichtet, zum Zwecke der Vollstreckung einer Geldforderung auf Verlangen des Gerichtsvollziehers Auskunft über sein Vermögen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften zu erteilen sowie seinen Geburtsnamen, sein Geburtsdatum und seinen Geburtsort anzugeben. Handelt es sich bei dem Vollstreckungsschuldner um eine juristische Person oder um eine Personenvereinigung, so hat er seine Firma, die Nummer des Registerblatts im Handelsregister und seinen Sitz anzugeben.
(2) Zur Auskunftserteilung hat der Schuldner alle ihm gehörenden Vermögensgegenstände anzugeben. Bei Forderungen sind Grund und Beweismittel zu bezeichnen. Ferner sind anzugeben:
1. Die entgeltlichen Veräußerungen des Schuldners an eine nahestehende Person (§ 138 InsO), die dieser in den letzten zwei Jahren vor dem Termin nach § 802f Abs. 1 und bis zur Abgabe der Vermögensauskunft vorgenommen hat;
2. Die unentgeltlichen Leistungen des Schuldners, die dieser in den letzten vier Jahren vor dem Termin nach § 802f Abs. 1 und bis zur Abgabe der Vermögensauskunft vorgenommen hat, sofern sie sich nicht auf gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke geringen Wertes richteten.
Sachen, die nach § 811 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a und Nr. 2 der Pfändung offensichtlich nicht unterworfen sind, brauchen nicht angegeben werden, es sei denn, dass eine Austauschpfändung in Betracht kommt.
(3) Der Schuldner hat zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er die Angaben nach den Abs. 1 und 2 nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht habe. Die Vorschriften der §§ 478 bis 480, 483 gelten entsprechend.
Der Gläubiger soll mithilfe des Gerichtsvollziehers rascher und leichter klären lassen können, auf welche Weise die eigentliche Vollstreckung bis zur Befriedigung am ehesten Erfolg verspricht. Sinn und Zweck ist eine möglichst weitgehende Ermittlung von Zugriffsmöglichkeiten.
Abgesehen von den Vollstreckungsvoraussetzungen ist eine Bedingung, dass die Vollstreckung eines auf eine Geldforderung lautenden Titel erfolgt.
Die Angaben des Schuldners in der Vermögensauskunft müssen so genau und vollständig sein, dass der Gläubiger anhand des Vermögensverzeichnisses sofort die seinen Zugriff erschwerenden Umstände erkennen und Maßnahmen zu seiner Befriedigung treffen kann (BGH NJW 2004, 2452; LG Münster ZMR 2011, 923; AG Rüdesheim JurBüro 2008, 665; Anders/Gehle, ZPO-Kommentar, 82. Aufl. 2024, § 802c Rn 14).
Wichtiger Praxishinweis:
Der Gläubiger kann die Nachbesserung einer eidesstattlichen Versicherung verlangen, wenn der Schuldner ein äußerlich erkennbar unvollständiges, ungenaues oder widersprüchliches Verzeichnis vorgelegt hat (BGH NJW 2004, 2979; NJW-RR 2008, 1163; NJW-RR 2011, 667 JurBüro 4/24, 212).
Eine Ergänzungspflicht kann bei äußerlich erkennbarer, auch versehentlicher Ungenauigkeit bestehen (BGH NJW-RR 2017, 896; AG Kehl JurBüro 2018, 325; AG Delmenhorst JurBüro 2018, 379)
Weitere Entscheidungen hierzu:
-
Der Schuldner ist zur Nachbesserung des Vermögensverzeichnisses verpflichtet, wenn er ein Einkommen in einer so geringen Höhe (hier: 259,88 EUR) angibt, dass er seinen tatsächlichen Lebensunterhalt hiervon nicht bestreiten kann (AG Döbeln, Beschl. 19.8.2024, 50 2 M 39/24, JurBüro 2025,106).
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Der Schuldner hat eine Vermögensauskunft nachzubessern, wenn im Vermögensverzeichnis angegeben wurde, dass die Höhe des Einkommens des Ehegatten nicht bekannt sei. Der auf Nachbesserung gerichtete Antrag unterliegt nicht dem Formularzwang (AG Jever, Beschl. 18.12.2023, 6 M 327/23, JurBüro 4/24, 212).
Sind bei Abnahme der Vermögensauskunft zusätzliche Fragen des Gläubigers zulässig?
Ja.
Der BGH hat hierzu wie folgt entschieden: Es steht dem Gläubiger frei, bereits bei Beauftragung des Gerichtsvollziehers aus seiner Sicht erforderliche Fragen aufzulisten. Diese zusätzlichen Fragen müssen sich auf die konkrete Schuldnersituation beziehen und dürfen nicht der allgemeinen Ausforschung dienen (BGH, 2.5.2024, I ZB 61/23, JurBüro 2024, 496).
Welche zusätzlichen Fragen wären denkbar?
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Welche Steuerklasse hat der Schuldner? (Begründung: Stellung eines etwaigen Nichtberücksichtigungsantrages)
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Sofern der Schuldner über kein eigenes Konto verfügt, hat der Schuldner anzugeben, über wessen Konto (Name und Anschrift des Kontoinhabers) er seine Geldgeschäfte abwickelt. (Begründung: etwaige Pfändung des Auszahlungsanspruch des Schuldners gegen den Kontoinhaber)
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Sofern der Schuldner über eine Photovoltaikanlage verfügt, an welchen Netzanbieter liefert er die erzeugte Energie ab? (Begründung: etwaige Pfändung des Anspruchs des Schuldners gegen den Energieanbieter)
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Sofern der Schuldner Mitglied einer Wohnungsbaugesellschaft eG ist, sind Name, Anschrift und Mitgliedsnummer der Baugesellschaft anzugeben (Begründung: etwaige Pfändung von Genossenschaftsanteilen)
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Sofern der Schuldner zur Miete wohnt, sind Name und Anschrift des Vermieters anzugeben (Begründung: etwaige Pfändung der Mietkaution und der Nebenkostenerstattung)
Es empfiehlt sich – wie oben ausgeführt – stets eine kurze Begründung der Fragen zu verfassen, damit unnötige Fragen des Gerichtsvollziehers ausbleiben.
Wichtiger Praxishinweis:
Zur Beantwortung der Fragen ist der Schuldner verpflichtet, da sie sachdienlich sind (LG Essen, Beschl. 29.8.2008, 16a T 69/08, JurBüro 12/2008, 666; weitere Entscheidungen: LG Marburg DGVZ 2000, 152; LG Göttingen NJW 1994, 1164; AG Bochum DGVZ 2006, 120).
Womit kann sich der Gläubiger wehren, wenn der Gerichtsvollzieher die Beantwortung der Fragen ablehnt?
Antwort: Erinnerung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung gemäß § 766 ZPO.
Die Gebühr des Gerichtsvollziehers für die Abnahme der Vermögensauskunft nach den §§ 802c, 802d Abs. 1 ZPO oder nach § 807 ZPO beträgt gemäß Nr. 260 KV-GvKostG 39,50 EUR.
IV. § 802d ZPO
§ 802d ZPO: Weitere Vermögensauskunft
(1) Der Schuldner ist innerhalb von zwei Jahren nach Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c oder nach § 284 der Abgabenordnung nicht verpflichtet, eine weitere Vermögensauskunft abzugeben, es sei denn, ein Gläubiger macht Tatsachen glaubhaft, die auf eine wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners schließen lassen. Besteht keine Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nach Satz 1, leitet der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger einen Ausdruck des letzten Vermögensverzeichnisses zu; ein Verzicht des Gläubigers auf die Zuleitung ist unbeachtlich. Der Gläubiger darf die erlangten Daten nur zu Vollstreckungszwecken verarbeiten und hat die Daten nach Zweckerreichung zu löschen; hierauf ist er vom Gerichtsvollzieher hinzuweisen. Von der Zuleitung eines Ausdrucks nach Satz 2 setzt der Gerichtsvollzieher den Schuldner in Kenntnis und belehrt ihn über die Möglichkeit der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis (§ 882c).
(2) Anstelle der Zuleitung eines Ausdrucks kann dem Gläubiger auf Antrag das Vermögensverzeichnis als elektronisches Dokument übermittelt werden, wenn dieses mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen und gegen unbefugte Kenntnisnahme geschützt ist.
Die vorgenannte Vorschrift betrifft die Verpflichtung des Schuldners, eine weitere (früher „erneute“) Vermögensauskunft innerhalb der „Schonzeit“ von zwei Jahren abzugeben.
Gründe für eine weitere Vermögensauskunft innerhalb der Zwei-Jahres-Frist können sein:
-
wenn der Schuldner neues Vermögen erworben hat z.B Lottogewinn (LG Wuppertal, DGVZ 2010, 2015),
-
wenn er zu erkennen gibt, dass er über weiteres Bargeld verfügt (AG Ludwigsburg DGVZ 2001, 31),
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wenn der Schuldner Gelegenheitsarbeiten ausführen sollte (LG Osnabrück, JurBüro 96, 213),
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wenn der Schuldner geerbt hat (AG Lindau, DGVZ 2000, 142),
-
wenn der Schuldner sein Haus verkauft und dabei Bargeld erhalten hat (LG Oldenburg, JurBüro 2015, 329),
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wenn der Schuldner bei einem Schuldenbereinigungsverfahren einen Vergleich vorschlägt (LG Wiesbaden, DGVZ 2009, 64),
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wenn der Schuldner Vermietungen vornimmt (LG Wiesbaden, JurBüro 2011, 441),
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bei Arbeitgeberwechsel (LG Potsdam, JurBüro 2008, 215),
-
bei Wohnungswechsel (LG Kassel, Beschl. v. 22.9.2004, 3 T 309/04 JurBüro 2005, 101; AG Villingen, DGVZ 2017, 132; LG Wiesbaden, DGVZ 2007, 189; AG Leipzig, DGVZ 2015, 211, AG Heidelberg, DGVZ 2006, 70; LG Frankfurt, DGVZ 2004, 44)
-
Eheschließung des Schuldners (LG Karlsruhe, DGVZ 19, 185),
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Erwerb von Vermögen oder Taschengeldanspruch,
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Auflösung der einzigen Bankverbindung (LG Wuppertal, DGVZ 2001, 186),
-
Aufgabe Selbstständigkeit (LG Freiburg, DGVZ 2005, 166).
Achtung:
Hat sich bei einem selbstständigen Schuldner nach allgemeiner Lebenserfahrung etwas geändert, kann er nach sechs Monaten zur weiteren Vermögensauskunft bewegt werden (LG Saarbrücken, Beschl. v. 2.9.2008, 5 T 293/08; LG Köln, DGVZ 2005, 182; LG Stuttgart, DGVZ 2001, 116).
V. § 802e ZPO
§ 802e ZPO: Zuständigkeit
(1) Für die Abnahme der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung ist der Gerichtsvollzieher bei dem Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner im Zeitpunkt der Auftragserteilung seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthaltsort hat.
(2) Ist der angegangene Gerichtsvollzieher nicht zuständig, so leitet er die Sache auf Antrag des Gläubigers an den zuständigen Gerichtsvollzieher weiter.
Die vorgenannte Vorschrift regelt die sachliche und örtliche Zuständigkeit.
Maßgebend ist primär der inländische Wohnsitz des Schuldners, hilfsweise der Aufenthaltsort gemäß §§ 13 ff. ZPO sowie der Zeitpunkt der Auftragserteilung an den Gerichtsvollzieher.
Bei einer juristischen Person tritt an Stelle des Wohnsitzes der Sitz der Gesellschaft (OLG Stuttgart Rpfl 1977, 220; LG Bochum Rpfleger 2001, 442).
Beispiele für die örtliche Zuständigkeit können z.B. sein:
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Wohnort: Dort, wo der Schuldner wohnt und Miete zahlt (LG Ravensburg DGVZ 2021, 196);
-
Durchreise: Sie kann einen Aufenthaltsort bedeuten (BGH NJW 2008, 3288);
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Frühere Anschrift: Sie kann dann reichen, wenn ein Angehöriger erklärt, der Schuldner lasse sich seine Post von dort nachkommen (LG Kempten JurBüro 2006, 101);
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Haftort: (AG Lübeck JurBÜro 2022, 216);
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Kurze Anwesenheit: Sie kann Aufenthaltsort sein (BGH NJW 2008, 3288);
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Mehrere Wohnsitze: Sie geben ein Wahlrecht nach § 35 ZPO (OVG Magdeburg NJW 2022, 559);
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Strafhaft: Der frühere Wohnsitz bleibt bei einer nicht zu langen Strafhaft bestehen (BGH NJW-RR 1996, 1217).
Ist der Gerichtsvollzieher nicht zuständig, muss er die Sache nur bei entsprechender Beantragung unverzüglich ohne Anhörung der Betroffenen an den zuständigen Gerichtsvollzieher weiterleiten.
In der Praxis empfiehlt es sich, dieses in Modul Q stets anzukreuzen.
VI. § 802f ZPO
§ 802f ZPO: Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft
(1) Zur Abnahme der Vermögensauskunft setzt der Gerichtsvollzieher dem Schuldner für die Begleichung der Forderung eine Frist von zwei Wochen. Zugleich bestimmt er für den Fall, dass die Forderung nach Fristablauf nicht vollständig beglichen ist, einen Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft alsbald nach Fristablauf und lädt den Schuldner zu diesem Termin in seine Geschäftsräume. Der Schuldner hat die zur Abgabe der Vermögensauskunft erforderlichen Unterlagen im Termin beizubringen. Der Fristsetzung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn der Gerichtsvollzieher den Schuldner bereits zuvor zur Zahlung aufgefordert hat und seit dieser Aufforderung zwei Wochen verstrichen sind, ohne dass die Aufforderung Erfolg hatte.
(2) Abweichend von Absatz 1 kann der Gerichtsvollzieher bestimmen, dass die Abgabe der Vermögensauskunft in der Wohnung des Schuldners stattfindet. Der Schuldner kann dieser Bestimmung binnen einer Woche gegenüber dem Gerichtsvollzieher widersprechen. Anderenfalls gilt der Termin als pflichtwidrig versäumt, wenn der Schuldner in diesem Termin aus Gründen, die er zu vertreten hat, die Vermögensauskunft nicht abgibt.
(3) Mit der Terminsladung ist der Schuldner über die nach § 802c Abs. 2 erforderlichen Angaben zu belehren. Der Schuldner ist über seine Rechte und Pflichten nach den Absätzen 1 und 2, über die Folgen einer unentschuldigten Terminssäumnis oder einer Verletzung seiner Auskunftspflichten sowie die Möglichkeit der Einholung von Auskünften Dritter nach § 802l und der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis bei Abgabe der Vermögensauskunft nach § 882c zu belehren.
(4) Zahlungsaufforderungen, Ladungen, Bestimmungen und Belehrungen nach den Absätzen 1 bis 3 sind dem Schuldner zuzustellen, auch wenn dieser einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; einer Mitteilung an den Prozessbevollmächtigten bedarf es nicht. Dem Gläubiger ist die Terminsbestimmung nach Maßgabe des § 357 Abs. 2 mitzuteilen.
(5) Der Gerichtsvollzieher errichtet in einem elektronischen Dokument eine Aufstellung mit den nach § 802c Abs. 1 und 2 erforderlichen Angaben (Vermögensverzeichnis). Diese Angaben sind dem Schuldner vor Abgabe der Versicherung nach § 802c Abs. 3 vorzulesen oder zur Durchsicht auf einem Bildschirm wiederzugeben. Dem Schuldner ist auf Verlagen ein Ausdruck zu erteilen.
(6) Der Gerichtsvollzieher hinterlegt das Vermögensverzeichnis bei dem zentralen Vollstreckungsgericht nach § 802k Abs. 1 und leitet dem Gläubiger unverzüglich einen Ausdruck zu. Der Ausdruck muss den Vermerk enthalten, dass er mit dem Inhalt des Vermögensverzeichnisses übereinstimmt; § 802d Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 gilt entsprechend.
Die vorgenannte Vorschrift regelt einen Teil des Abnahmeverfahrens.
a) Allgemeine Voraussetzungen
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Nach Auftragseingang prüft der Gerichtsvollzieher die Zulässigkeit des Auftrages und die Vollständigkeit.
-
Es müssen die förmlichen Voraussetzungen und die Prozessvoraussetzungen erfüllt sein.
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Es muss die Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft bestehen.
b) Der Auftrag
-
Das Verfahren beginnt mit dem Auftrag des Gläubigers an den Gerichtsvollzieher nach §§ 754, 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 ZPO i.V.m. § 802c ZPO zur Einholung einer Vermögensauskunft.
-
Der Gläubiger muss die Forderung beziffern.
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Der Gläubiger darf schon jetzt einen Haftantrag nach § 802g ZPO für den Fall stellen, dass der Schuldner im Termin ausbleibe oder dass er sich grundlos weigere, die Vermögensauskunft und die eidesstattliche Versicherung abzuleisten.
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Die Abnahme der Vermögensauskunft ist auch im Rahmen der Sicherungsvollstreckung gemäß § 720a ZPO möglich (BGH, Urt. v. 26.10.2006, I ZB 113/05).
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Der Gläubiger kann Zusatzfragen stellen, die über die Formularangaben des Schuldners hinausgehen (LG Kempten DGVZ 2007, 141).
c) Ende des Auftrags
Das Abnahmeverfahren endet in folgenden Fällen:
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Der Schuldner erteilt die Auskunft und gibt die eidesstattliche Versicherung ab.
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Die Zwangsvollstreckung ist nach § 775 ZPO eingestellt.
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Der Schuldner hat die Haft nach § 802j Abs. 1 ZPO verbüßt oder es sind sechs Monate seit seiner Einlieferung vergangen.
-
Der Gläubiger nimmt den Auftrag gemäß § 754 ZPO zurück.
-
Der Gerichtsvollzieher kann die Schuldsumme an den Gläubiger abführen.
d) Unfähigkeit zur Versicherungsabgabe
Das Verfahren darf dann nicht stattfinden, soweit und solange der Schuldner nach § 765a ZPO körperlich oder seelisch unfähig ist, derzeit die eidesstattliche Versicherung abzugeben (BVerfG DGVZ 2008, 123; LG Düsseldorf DGVZ 2000, 119).
Der Urlaub des Schuldners kann eine Vertagung des Termins notwendig machen. Dasselbe gilt bei einer nachgewiesenen Erkrankung (BVerfG DGVZ 2008, 123; LG Saarbrücken DGVZ 2004, 29).
e) Terminsablauf
Das Verfahren ist nach § 138 Abs. 1 Satz 1 GVGA nicht öffentlich, da es vor einem Gerichtsvollzieher als einem Organ des Vollstreckungsgerichts läuft. Es ist aber parteiöffentlich! Der Gläubiger oder dessen Vertreter können am Termin teilnehmen (AG Bremen DGVZ 2014, 175; LG Mönchengladbach MDR 2004, 837).
f) Säumnis des Schuldners
Der Gerichtsvollzieher muss die Akten seinem Gericht übersenden und der Amtsrichter muss gemäß § 802g Abs. 1 ZPO einen Haftbefehl erlassen, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
-
der Gläubiger hat den Haftantrag gestellt,
-
die von Amts wegen zu beachtenden Voraussetzungen liegen vor,
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der Gerichtsvollzieher hatte den Schuldner ordnungsgemäß geladen.
VII. § 802g ZPO
§ 802g ZPO: Erzwingungshaft
(1) Auf Antrag des Gläubigers erlässt das Gericht gegen den Schuldner, der dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft unentschuldigt fernbleibt oder die Abgabe der Vermögensauskunft gemäß § 802c ohne Grund verweigert, zur Erzwingung der Abgabe einen Haftbefehl. In dem Haftbefehl sind der Gläubiger, der Schuldner und der Grund der Verhaftung zu bezeichnen. Einer Zustellung des Haftbefehls vor seiner Vollziehung bedarf es nicht.
(2) Die Verhaftung des Schuldners erfolgt durch einen Gerichtsvollzieher. Der Gerichtsvollzieher händigt dem Schuldner von Amts wegen bei der Verhaftung eine beglaubigte Abschrift des Haftbefehls aus.
Der Amtsrichter muss ohne Ermessen gegen den Schuldner dann einen Haftbefehl erlassen, wenn
a) der Schuldner in dem ersten Termin zur Abgabe der Auskunft trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt fernbleibt oder
b) der Schuldner im Termin die Abgabe der Vermögensauskunft grundlos verweigert.
Notwendig ist der Antrag des Gläubigers, der bereits im Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher gestellt werden kann.
Sachlich zuständig ist das Vollstreckungsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner beim Eingang des Gläubigerauftrags zur Abnahme der Vermögensauskunft seinen Wohnsitz, Sitz oder Aufenthaltsort hatte.
Der Richter prüft sodann
-
die formelle Zulässigkeit,
-
das Rechtsschutzbedürfnis,
-
die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.
Mit dem Erlass des Haftbefehls endet das Verfahren auf die Vermögensauskunft nur insofern, als der Gläubiger danach keinen neuen Termin beantragen kann. Der Haftbefehl ist verbraucht, wenn der Schuldner die Vermögensauskunft abgegeben hat.
Die Verhaftung des Schuldners erfolgt durch den Gerichtsvollzieher (§ 145 Abs. 1 GVGA). Dieser liefert den Verhafteten unverzüglich in die nächste zur Aufnahme von Zivilhäftlingen bestimmte Justizvollzugsanstalt ab.
Wichtiger Praxishinweis:
Der Haftbefehl und die Verhaftung des Schuldners ist für den Gläubiger keineswegs kostenfrei.
Welche Kosten entstehen?
a) Der Haftbefehl löst gemäß Nr. 2114 KV-GKG Gerichtskosten i.H.v. 24,00 EUR aus.
b) Die Gerichtsvollzieherkosten für die Verhaftung, Nachverhaftung, zwangsweise Vorführung betragen nach Nr. 270 KV-GvKostG 46,80 EUR.
c) Die Haftkosten betragen (Haftkosten 2025; VE 4/25, 55) monatlich
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Kosten für |
Betrag |
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Unterbringung |
125,10 EUR |
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Frühstück |
124,00 EUR |
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Mittagessen |
65,00 EUR |
|
Abendessen |
124,00 EUR |
|
monatlich |
438,10 EUR |
Gibt der Schuldner nach fünf Tagen die Vermögensauskunft ab, betragen die Kosten der obigen Gesamtsumme 5/30, also 73,01 EUR.
d) Wird ein Anwalt vom Gläubiger mit der Verhaftung beauftragt, fällt zudem gemäß § 18 Nr. 16 RVG eine 0,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3309 VV-RVG aus einem Maximalwert von 2.000,00 EUR (§ 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG) an.
VIII. § 802h ZPO
§ 802h ZPO: Unzulässigkeit der Haftvollstreckung
(1) Die Vollziehung des Haftbefehls ist unstatthaft, wenn seit dem Tag, an dem der Haftbefehl erlassen wurde, zwei Jahre vergangen sind.
(2) Gegen einen Schuldner, dessen Gesundheit durch die Vollstreckung der Haft einer nahen und erheblichen Gefahr ausgesetzt würde, darf, solange dieser Zustand dauert, die Haft nicht vollstreckt werden.
Die Einzelvollstreckung findet Grenzen nicht nur in der Verhältnismäßigkeit, sondern auch im Grundrecht der Menschenwürde nach Art. 1 GG.
Sind zwei Jahre vergangen, entfällt die Wirksamkeit des Haftbefehls.
Wann gilt der Haftbefehl als „erlassen“?
Erlassen ist der Haftbefehl mit der Unterschrift des Richters.
Was können Gründe für einen Haftaufschub sein?
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Altersleiden: Allgemeine Altersbeschwerden eines Hochbetagten können ausreichen (AG Koblenz DGVZ 1986, 126);
-
Aufenthalt in einem Anstaltskrankenhaus: (OLG Jena Rpfleger 1997, 446; OLG Karlsruhe DGVZ 1993, 8; OLG Bamberg DGVZ 1990, 39);
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Amtsarztattest: (BVerfG DGVZ 2008, 123);
-
Äußere erkennbare Anzeichen: (AG Eschwege DGVZ 1992, 139, AG Hochheim DGVZ 1981, 15);
-
Dialyse: Ihre Notwendigkeit dreimal wöchentlich kann ausreichend sein (AG Pirmasens DGVZ 1983, 127);
-
Herzerkrankung: Eine schwere Herzerkrankung kann ausreichen (OLG Bamberg DGVZ 1990, 39);
-
Lebensgefahr: (OLG Düsseldorf DGVZ 1996, 27).
Ausblick
Der nächste Infobrief setzt die täglich zur Anwendung kommenden Vorschriften der §§ 802a bis 802l ZPO fort und steigt sodann aufgrund vielfacher Nachfrage in die nicht unerheblichen Vollstreckungsmöglichkeiten bei landwirtschaftlichen Unternehmen ein.




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