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Der vereinfachte Vollstreckungsauftrag bei Vollstreckungsbescheiden gemäß § 754a ZPO – eine Frage der Forderungshöhe

Wir haben uns bereits mehrfach mit der „vereinfachten“ Vollstreckung nach §§ 754a, 829a ZPO beschäftigt. Bekanntlich besteht sowohl bei der Vorschrift des § 754a ZPO als auch bei der Vorschrift des § 829a ZPO eine Wertgrenze von 5.000,00 EUR als titulierte fällige Forderung im Vollstreckungsbescheid.

In der Praxis stellt sich aus Vereinfachungsgründen immer wieder die Frage, ob ggf. diese Wertgrenze auch bei Vollstreckungsbescheiden einer titulierten fälligen Forderung über 5.000,00 EUR dadurch umgangen werden kann, dass nur eine Teilvollstreckung wegen eines Teilbetrages unter 5.000,00 EUR betrieben wird.

Dies habe ich aufgrund des eindeutigen Wortlautes der titulierten fälligen Forderung in den entsprechenden Vorschriften immer wieder verneint. Nunmehr hat das Amtsgericht Dresden mit Beschl. v. 7.1.2022, 503 M 10249/21 diese Konstellation entschieden.

Ausgangsfall:

Ausgangspunkt war eine titulierte fällige Gesamtforderung durch Vollstreckungsbescheid in Höhe von 14.804,84 EUR. Der dortige Gläubiger hatte einen kombinierten vereinfachten Vollstreckungsauftrag nach § 754a ZPO hinsichtlich einer Teilforderung von 300,00 EUR an die zuständige Gerichtsvollzieherin erteilt. Die Durchführung dieses Vollstreckungsauftrages wurde durch die Gerichtsvollzieher unter Verweis darauf, dass die titulierte Forderung im Vollstreckungsbescheid den in § 754a ZPO normierten Betrag von 5.000,00 EUR übersteige, abgelehnt.

Das Amtsgericht Dresden gab der Gerichtvollzieherin recht und wies die Erinnerung des Gläubigers mit folgender Begründung kostenpflichtig zurück:

(Redaktionelle Anmerkung: Die Entscheidungsgründe wurden wörtlich so übernommen.)

Begründung:

Die Erinnerung ist nach § 766 ZPO statthaft, jedoch unbegründet.

Bei einer Vollstreckung nach § 754a ZPO darf die titulierte Geldforderung 5.000.00 EUR nicht übersteigen.

Neben der Hauptforderung sind in die Berechnung einzubeziehen titulierte Nebenforderungen und Kosten. Das Erfordernis der Fälligkeit kann sich wegen § 692 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nur auf titulierte Zinsen beziehen. Maßgeblich ist nach dem Wortlaut des § 754a ZPO allein, was tituliert ist., der Gläubiger kann daher nicht – wie hier geschehen – durch eine Teilvollstreckung oder eine Vollstreckung wegen einer Restforderung den Weg des § 754a ZPO wählen.

Eine Teilvollstreckung nach § 754a ZPO aus einem Vollstreckungsbescheid ist damit zwar möglich, aber nur, soweit die titulierte Forderung im Vollstreckungsbescheid die Gesamthöhe von 5.000,00 EUR nicht überschreitet (so auch AG Berlin-Schöneberg, Beschl. v. 2.9.2000, Az. 30 M 1160/20, DGVZ 2020,238, Musielak/Veit/Lackmann, ZPO, 17 Aufl., § 754a, Rn 4, Heßlich in Münchner Kommentar zur ZPO, 6. Aufl., Rn 3 zu § 754a jeweils m.w.N.).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung zu § 754a ZPO (BT-Drucks 18/7560). Diese spricht zwar von einer zu vollstreckenden Forderung (wenn die zu vollstreckende Geldforderung nicht mehr als 5.000,00 EUR beträgt).

Eine anderweitige „Auslegung“ des eindeutigen Gesetzeswortlautes ist aber dennoch nicht geboten. Hätte der Gesetzgeber auf die Höhe der zu vollstreckenden Forderung abstellen wollen, hätte er dies so formuliert. Bereits aus dem Wortlaut des § 754a Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergibt sich, dass der Gesetzgeber den Unterschied zwischen titulierter Forderung und zu vollstreckender Forderung sehr wohl kennt.

Würde man trotz des eindeutigen Wortlauts der Regelung nicht auf die titulierte, sondern auf die zu vollstreckende Forderung abstellen – wie die Formulierung in der Gesetzesbegründung nahelegt – wäre es dem Gläubiger nach Belieben möglich, die Ausnahmevorschrift des § 754a ZPO zu umgehen, indem regelmäßig Teilbeträge vollstreckt werden, die unter dem Wert von 5.000,00 EUR liegen. Dies hat der Gesetzgeber aber nach der Begründung nicht beabsichtigt. Denn auch die Gesetzesbegründung führt weiter aus, dass bei der Bemessung der Wertgrenze nur titulierte Nebenforderungen und Kosten zu berücksichtigen sind. Bereits diese Formulierung spricht dafür, dass der Wortlaut der Vorschrift abschließend ist und der Gesetzgeber ausdrücklich die Vollstreckung nach § 754a ZPO auf die titulierte Forderungshöhe von höchstens 5.000,00 EUR incl. Nebenforderung und Kosten begrenzen wollte. Denn ansonsten ergäben sich für den Gerichtsvollzieher bei gegebenenfalls mehreren Vollstreckungen bezüglich unterschiedlicher Teilbeträge erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten, würde man jeweils allein auf die zu vollstreckende Forderung abstellen.

Die Bestimmung des § 754a ZPO soll der Gesetzesbegründung nach der Vereinfachung und Beschleunigung des Zwangsvollstreckungsverfahrens dienen, soweit die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher auf der Grundlage von Vollstreckungsbescheiden betroffen ist. Hätte der Gesetzgeber die Vollstreckung hier ohne Vorlage eines Originaltitels unabhängig von der Höhe der titulierten Forderung eröffnen wollen, wäre die Einführung einer Obergrenze von 5.000,00 EUR in § 754a ZPO nicht notwendig gewesen. Die Vollstreckung von Teilbeträgen – dies mehrfach hintereinander unter Umgehung der titulierten Obergrenze von 5.000,00 EUR dient weder der Vereinfachung noch der Beschleunigung des Vollstreckungsverfahrens. Die Gesetzesbegründung spricht deshalb auch von einer zunächst beschränkten Regelung. Es ist nach Auffassung des Gerichts offenkundig, dass § 754a ZPO zur Sicherheit von Gläubiger, Schuldner und Gerichtsvollzieher vorerst auf die Verfahren begrenzen sollte, denen eine Gesamtforderung von nicht mehr als 5.000,00 EUR zugrunde liegt um zunächst die beabsichtigte Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung zu testen. Dafür spricht letztlich auch, dass das Verfahren nach § 754a ZPO nur für das Verfahren bei dem Gerichtsvollzieher gilt, bei Abgabe an das Vollstreckungsgericht zum Erlass eines mit kombinierten Vollstreckungsauftrag beauftragen Haftbefehls jedoch nach wie vor unabhängig von der Forderungshöhe der Vollstreckungsbescheid im Original vorzulegen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 23.9.2021, Az. I ZB 9/21).

Die Ablehnung des Auftrags durch die Gerichtsvollzieherin ist damit zu Recht erfolgt, weshalb auch die von der Gerichtsvollzieherin angesetzten Kosten für die Nichterledigung des Auftrags von dieser geltend gemacht werden können und die Erinnerung auch in diesem Punkt zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Anmerkungen zu dieser Entscheidung:

Die Entscheidung ist aufgrund des eindeutigen Wortlautes in der Vorschrift des § 754a ZPO für den vorliegenden Fall richtig.

Ich habe zwar bereits mehrfach in der Vergangenheit die Sinnhaftigkeit der Beschränkungen sowohl in Hinblick auf die Titelart (Vollstreckungsbescheid) als auch in Bezug auf die Wertgrenze (5.000,00 EUR) in Frage gestellt und auch der tiefere Sinn eines angeblichen Schutzes des Gläubigers, Schuldners und Gerichtsvollziehers erschließt sich mir keineswegs. Dies ist schon deshalb fehl am Platz, weil § 754a Abs. 2 ZPO es schließlich ermöglicht, das Original des Titels bei subjektiven Zweifeln anzufordern. Ebenso steht auch dem Schuldner das Erinnerungsverfahren mit entsprechenden Einstellungsanordnungen offen.

Unabhängig davon ist jedoch die Vorschrift derzeit so gefasst, so dass die Ansicht des Amtsgerichts Dresden zutreffend sein dürfte. Ich teile jedoch die Auffassung des Amtsgerichts Dresden dahingehend nicht, dass auch eine titulierte Restforderung, die unterhalb der besagten 5.000,00 EUR Grenze liegt, nicht im vereinfachten Vollstreckungsauftrag beigetrieben werden könnte. Denn hier verkennt das Amtsgericht den Begriff des „fälligen“ titulierten Anspruches. Wurde die titulierte Forderung größtenteils bezahlt, so ist auch nur noch eine reduzierte titulierte Forderung nach diesseitiger Auffassung fällig. Damit kann hier die Restforderung sehr wohl im Rahmen des § 754a ZPO vollstreckt werden.

Eine Möglichkeit der Vollstreckung eines Teilbetrages auch bei einem betragsmäßig höheren Vollstreckungsbescheid dürfte die Reduzierung der Vollstreckung rein auf die Kosten der Zwangsvollstreckung darstellen, soweit diese wiederum unter 5.000,00 EUR liegen. Hier gilt sodann die Regelung des § 754a Abs. 1 Nr. 1 2. HS ZPO. Dies mag bei der Gerichtsvollziehervollstreckung aus Kostengründen noch vertretbar sein. Beim vereinfachten Pfändungsantrag gemäß § 829a ZPO sehe ich wenig sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten, zumal zu beachten ist, dass dann – bei Beschränkung der Vollstreckung rein auf die Vollstreckungskosten – naturgemäß auch kein Neubeginn der Zinsverjährung erfolgt.

Deshalb bleibt es bei dem Appell an den Gesetzgeber schnellstmöglich die sinnfreien Einschränkungen in den Vorschriften der §§ 754a, 829a ZPO abzuschaffen, um einen praxistauglichen elektronischen Rechtsverkehr in der Zwangsvollstreckung zu ermöglichen.

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