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Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung – Teil I

 

Die Immobiliarvollstreckung und hier insbesondere die Zwangsversteigerung sowie Zwangsverwaltung stellt für viele „ein Buch mit 7 Siegeln“ dar. In dem heutigen Infobrief soll den Lesern dieses von jeher schwierige Gebiet, das nach sehr strengen Vorgaben verläuft, einfach und anschaulich dargestellt werden.

Mit der Sicherungshypothek haben wir uns bereits im Infobrief 04/2022 ausführlich befasst. Deshalb geht es in dieser Ausgabe insbesondere um die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung.

Diese Infobrief-Serie berücksichtigt auch das am 1. Dezember 2020 in Kraft getretene Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WeMoG, BGBl I 2020, 2187), welches am 1. Januar 2021 in Kraft trat.

I.

Arten der Immobiliarvollstreckung

Zu den Arten der Immobiliarvollstreckung gehören

a) die Eintragung einer Sicherungshypothek,

b) die Zwangsversteigerung,

c) die Zwangsverwaltung.

Zu a) Eintragung einer Sicherungshypothek

Mit der Eintragung einer Sicherungshypothek erlangt der Gläubiger keine Befriedigung, sondern lediglich ein Pfandrecht an dem Grundstück des Schuldners.

Voraussetzung für die Eintragung einer Sicherungshypothek ist, dass Hauptforderung und Zinsen (ohne Kosten) den Betrag von 750,00 EUR übersteigen (§ 866 Abs. 3 ZPO).

Zu b) Zwangsversteigerung

Bei der Zwangsversteigerung handelt es sich um einen der gravierendsten Eingriffe in das Vermögen des Schuldners. Es bedeutet Eigentumsverlust. Der Schuldner verliert hierdurch Haus und Hof. Die Zwangsversteigerung, die mit dem Zuschlag endet, bezweckt die Befriedigung des Gläubigers aus dem Versteigerungserlös.

Zu c) Zwangsverwaltung

Die Zwangsverwaltung bedeutet im Gegensatz zur Zwangsversteigerung, die einen Eigentumsverlust zur Folge hat, Eigentumserhalt. Die Befriedigung des Gläubigers erfolgt aus den Erträgen des Grundstücks wie z.B. Vermietung, Verpachtung etc.

Nun im Einzelnen:

§ 869 ZPO führt aus, dass die gesamte Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung durch ein besonderes Gesetz, nämlich dem ZVG (Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung), das aus dem Jahre 1898 stammt, geregelt wird. Gesetzestechnisch ist es so zu sehen, dass das ZVG eigentlich in § 869 ZPO steht – es ist also ein Teil der ZPO. Wegen seines immensen Umfangs ist es nur verselbstständigt worden.

Bei der Zwangsversteigerung unterscheidet man unter

1. der „echten“ Zwangsversteigerung

Dem klassischen Zwangsversteigerungsverfahren liegt ein Gläubiger-Schuldner-Verhältnis aufgrund einer Forderung zugrunde. Hierbei spricht man von einer „echten Zwangsversteigerung“, die wegen einer Geldforderung erfolgt (§§ 1–145 ZVG). Ausschlaggebend für einen Gläubiger, der ein solches Verfahren betreibt, ist die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.

2. der „unechten“ Zwangsversteigerung

Im Gegensatz zur klassischen Zwangsversteigerung, bei der die finanzielle Notlage des Schuldners für einen Gläubiger ausschlaggebend ist, das Verfahren wegen eines titulierten Geldanspruchs zu beantragen, geht es bei der sogenannten „unechten“ Zwangsversteigerung, die auch Teilungs- oder Auseinandersetzungsversteigerung genannt wird, nicht um die Vollstreckung und Durchsetzung eines solch monetären Anspruchs. Vielmehr besteht ihr Ziel darin, dass die Aufhebung einer Eigentümergemeinschaft, die an Grundstücken bestehen kann, erfolgt. Die Ursache hierfür ist also nicht die Zahlungsunfähigkeit, sondern die Zerstrittenheit der Eigentümer. Es gibt hier also kein Gläubiger-Schuldner-Verhältnis.

II.

Verfahrensgrundsätze

1. Amtsprinzip

Die Zwangsversteigerung wird nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag eines Gläubigers durchgeführt (§ 15 ZVG).

Nach dem Antrag nimmt das Verfahren seinen Lauf. Dieses besteht (verkürzt dargestellt) aus:

  • Eingang bei Gericht, Registrierung,

  • Prüfen des Antrags,

  • Beschlussfassung,

  • Zustellung des Beschlusses,

  • Eintragungsersuchen beim Grundbuchamt,

  • Beschlagnahme,

  • Auftrag an Gutachter zur Wertermittlung,

  • Festsetzung des Grundstückswertes,

  • Terminbestimmungen,

  • Bekanntmachung der Terminbestimmung,

  • Abhaltung von Versteigerungs- und Verteilungstermin,

  • Berechnung des geringsten Gebotes,

  • Aufstellung Teilungsplan,

  • Ausführung Teilungsplan.

2. Deckungsgrundsatz

Im Versteigerungstermin abgegebene Gebote sind nach unten hin begrenzt. Das heißt, dass alle dem bestrangig betreibenden Gläubiger vorgehenden Ansprüche gedeckt (= ausgeboten) sein müssen. Ein Bieter muss also mindestens die ihm vorgehenden Rechte einschließlich der Verfahrenskosten für das Grundstück bieten, dem sogenannten „geringsten Gebot“. Die im geringsten Gebot stehenden Rechte und Ansprüche müssen immer in voller Höhe gedeckt sein – entweder durch Barzahlung oder durch Übernahme von eingetragenen Rechten in der in § 10 ZVG vorgegebenen Reihenfolge.

3. Übernahmegrundsatz

Soweit Rechte, für die der Schuldner auch persönlich haftet, an dem Grundstück bestehen bleiben, wird durch den Eigentumserwerb durch Zuschlag (§ 90 ZVG) Kraft Gesetzes auch eine persönliche
Haftung des Erstehers begründet. Daneben bleibt die Haftung des ursprünglichen Schuldners bestehen.

4. Beteiligtenverfahren

Das Zwangsversteigerungsverfahren wird als sogenanntes Beteiligungsverfahren durchgeführt. Das heißt, dass mehrere dingliche Berechtigte – also im Grundbuch eingetragene Grundpfandgläubiger – das Verfahren betreiben können.

In einem Zivilprozess stehen sich Kläger und Beklagter gegenüber, in der Zwangsvollstreckung oder wie hier bei der Zwangsversteigerung, sind es Gläubiger und Schuldner.

a) Beteiligte von Amts wegen

Von Amts wegen zu beteiligen sind am Verfahren die dinglich Berechtigten, d.h. diejenigen, welche zur Zeit der Eintragung des Versteigerungsvermerks ein im Grundbuch eingetragenes Recht haben oder die durch eine Vormerkung gesichert sind (§ 9 Nr. 1 ZVG).

In erster Linie fallen hierunter der Schuldner und der betreibende oder der dem Verfahren beigetretene Gläubiger.

b) Beteiligte aufgrund einer Anmeldung

Hierunter sind alle Gläubiger bzw. dinglich Berechtigten zu verstehen, welche ihre Stellung erst nach der Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerkes im Grundbuch erworben haben (§ 9 Nr. 2 ZVG).

Alle vorgenannten Beteiligten haben die gleichen Rechte.

5. Einzel- und Gesamtverfahren

Der Idealfall liegt vor, wenn z.B. ein eingetragener Grundpfandgläubiger die Zwangsversteigerung betreibt.

Die Praxis ist allerdings oftmals eine andere. Oft treten andere Gläubiger der Zwangsversteigerung bei, springen sozusagen „auf den fahrenden Zug“ auf. Ein Beitritt kann als dinglicher Gläubiger, also im Grundbuch eingetragener Grundpfandgläubiger, oder als persönlicher Gläubiger, also nicht im Grundbuch stehender Gläubiger, erfolgen (§ 27 ZVG).

III.

Das Zwangsversteigerungsverfahren

Funktionelle Zuständigkeit und Haftung

Das Zwangsversteigerungsverfahren ist in vollem Umfange dem Rechtspfleger übertragen. Ein Richter wird im Rahmen der Zwangsversteigerung nur tätig, wenn ihm die Sache vom Rechtspfleger vorgelegt wird.

Wichtige Anmerkung:

Bei einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des Rechtspflegers tritt grundsätzlich die Staatshaftung ein. Nur bei grober Fahrlässigkeit haftet der Rechtspfleger persönlich.

Ein bewusstes Abweichen des Rechtspflegers von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist keineswegs amtswidrig. Eine Amtspflichtverletzung des Rechtspflegers liegt aber dann vor, wenn er von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht, weil er sie nicht kennt (BGHZ 39, 19; Kommentar ZVG, Böttcher, 7. Auflage 2022, Einleitung Rn 46).

Voraussetzung zur Zwangsversteigerung

Grundsätzlich ist es wegen der „Schärfe“ der Zwangsversteigerung notwendig, dass die bisherige Vollstreckung in das bewegliche Vermögen erfolglos verlief.

1. Zuständiges Gericht

Für die Zwangsversteigerung ist ausschließlich als Vollstreckungsgericht das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk das Grundstück liegt.

2. Die Voraussetzungen des Antrages

Voraussetzung für den Zwangsversteigerungsantrag sind selbstverständlich Partei- und Prozessfähigkeit und wie bei allen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen

  • Titel wie z.B. Vollstreckungsbescheide, Endurteile, Versäumnisurteile, Anerkenntnisurteile, Vergleiche, notarielle Urkunden, notarielle Kostenberechnungen, Regelunterhaltsbeschlüsse, Arreste, Urteile im Adhäsionsverfahren, Zwangsgeldbeschlüsse, vollstreckbare Tabellenauszüge,

  • Klausel,

  • Zustellung.

Besonderheiten bei einigen Titeln:

Bei bestimmten Titeln muss die Wartefrist gemäß § 798 ZPO von 2 Wochen eingehalten werden, nämlich z.B. bei

  • Kostenfestsetzungsbeschlüssen, die nicht auf das Urteil gesetzt sind – den sogenannten unselbstständigen Kostenfestsetzungsbeschlüssen, wie sie aus der gängigen Praxis am häufigsten bekannt sind,

  • notariellen Urkunden,

  • notariellen Kostenberechnungen,

  • Beschlüssen, die in einem vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger den Unterhalt festsetzen oder einen Unterhaltstitel abändern.

Wird gegen diese Wartefrist verstoßen, ist der Vollstreckungsakt nichtig und gemäß § 766 ZPO mit der Erinnerung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung (Anders/Gehle, Kommentar ZPO, 80. Auflage 2022, § 766 Rn 8) anfechtbar.

Bei der Vollstreckung aus vollstreckbaren Tabellenauszügen ist zu beachten, dass diese nicht durch das Gericht zugestellt werden. Die Zustellung muss zuvor durch den Gläubiger bzw. dessen Vertreter erfolgen.

3. Der Zwangsversteigerungsantrag

Die Zwangsversteigerung wird nur aufgrund eines Antrages des Gläubigers vom Vollstreckungsgericht angeordnet (§ 15 ZVG). Dieser kann

  • formlos,

  • schriftlich oder

  • zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 496 ZPO)

gestellt werden.

Hierbei sollen

  • das Grundstück,

  • der Eigentümer (§ 17 ZVG),

  • der Anspruch und

  • der vollstreckbare Titel (§ 16 Abs. 2 ZVG)

bezeichnet werden.

Insbesondere beim Anspruch ist anzugeben, ob man als dinglicher Gläubiger aus einem eingetragenen Grundpfandrecht aus der Rangklasse 4 des § 10 ZVG (Erläuterungen zu § 10 ZVG und den Rangklassen erfolgen noch detailliert in einer der folgenden Infobrief-Ausgaben) oder aus einem persönlichen Recht und daher aus der Rangklasse 5 die Versteigerung beantragt. Hierbei ist der Geldbetrag nach Hauptsache, Zinsen und anderen Nebenleistungen und Kosten anzugeben.

Muster: Antrag auf Zwangsversteigerung wegen eines dinglichen oder persönlichen Anspruchs

An das

Amtsgericht

-Vollstreckungsgericht-

In der Zwangsvollstreckungssache

des … (Gläubiger)

vertreten durch …

gegen

den … (Schuldner)

beantragen wir die Anordnung der Zwangsversteigerung des im Grundbuch von … Blatt …, Eigentümer …, eingetragenen Grundbesitzes wegen folgender dinglicher/oder persönlicher Forderung aus der für den Gläubiger in Abteilung III unter Nr. … eingetragenen brieflosen Grundschuld in Höhe von … nebst … Zinsen.

– Hauptforderung (oder auch Teilforderung): …

– Zinsen: …

– Nebenleistungen: …

sowie wegen der Kosten der Rechtsverfolgung.

Als Titel wird die vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde des Notars … in … Urkundenrolle-Nr. … (seit dem 1.1.2022 UVZ = Urkundenverzeichnis) mit Amtssitz in … mit Zustellungsnachweis beigefügt.

Es wird zwecks Einleitung weiterer Zwangsvollstreckungsmaßnahmen um unverzügliche Rücksendung des Titels gebeten.

(Rechtsanwalt, Unterschrift)

Bei der Versteigerung von Wohnungseigentum lautet der Antrag:

Muster: Antrag bei Versteigerung von Wohnungseigentum

beantragen wir die Anordnung der Zwangsversteigerung des im Wohnungsgrundbuch von … Blatt …, Eigentümer …, eingetragenen Miteigentumsanteils …

Erfolgt ein Beitritt zur Zwangsversteigerung eines Gläubigers wegen eines persönlichen oder dinglichen Anspruchs, lautet der Antrag:

Muster: Beitritt eines Gläubigers wegen eines persönlichen oder dinglichen Anspruchs

Aktenzeichen: …

… beantragen wir aufgrund der persönlichen/dinglichen Forderung aus der für den Gläubiger in Abteilung III Nr. … eingetragenen brieflosen Grundschuld in Höhe von … nebst … Zinsen

den Beitritt zu dem oben bezeichneten Zwangsversteigerungsverfahren wegen folgender Ansprüche:

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