Beitrag

Nicht aktualisierte beA-Software

1. Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die glaubhaft gemachten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Beteiligten liegenden Gründen beruht

2. Rechtsanwälte, die ihre beA-Software nicht aktualisieren, können sich nicht auf eine technische Unmöglichkeit berufen, wenn deshalb ein fristgebundener Schriftsatz zu spät bei Gericht eingeht. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt in solchen Fällen nicht in Betracht. (Leitsätze des Gerichts/des Verfassers)

BGH, Beschl. v. 17.1.2024XII ZB 88/23

I. Sachverhalt

Beschwerdebegründung nicht über das beA

Die Antragstellerin, eine Rechtsanwältin, hat sich (in einem aus dem Scheidungsverbund abgetrennten Güterrechtsverfahren) selbst vertreten. Sie hat gegen einen Beschluss der AG, der ihr am 3.3.2022 zugestellt worden war, fristgerecht Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründungsfrist hat das OLG auf ihren Antrag bis zum 3.6.2022 verlängert. Mit zwei Schriftsätzen, die am 27.5.2022 beim OLG schriftlich eingegangen sind, hat die Antragstellerin, ihre Beschwerde begründet und – anwaltlich versichert – dargelegt, weshalb sie ihre Beschwerdebegründung nicht über das beA eingereicht hat. Diese Ausführungen hat sie durch einen weiteren Schriftsatz ergänzt, der per Fax am 30.5.2022 beim OLG eingegangen ist. Das OLG hat den hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen und die Beschwerde verworfen. Hiergegen wendet sich diese mit ihrer Rechtsbeschwerde. Die hatte beim BGH keinen Erfolg.

II. Entscheidungsgründe

„Aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich“

Die von der Antragstellerin als Rechtsanwältin eingereichte Beschwerdebegründung sei grundsätzlich als elektronisches Dokument zu übermitteln (gewesen). Zwar sie nach § 130d Satz 2 ZPO eine Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. In diesem Fall sei die vorübergehende Unmöglichkeit nach § 130d Satz 3 Halbs. 1 ZPO jedoch bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Dies sei der Antragstellerin nicht gelungen.

Zur Glaubhaftmachung der technischen Störung …

Nach der Rechtsprechung des BGH setze die Glaubhaftmachung einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände voraus, deren Richtigkeit der Rechtsanwalt unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichern muss (vgl. BGH NJW 2022, 3647; MDR 2023, 862, jeweils m.w.N.). Glaubhaft zu machen sei die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur, wobei eine (laienverständliche) Schilderung und Glaubhaftmachung der tatsächlichen Umstände genüge (vgl. BGH NJW 2023, 2883). Dabei komme es nicht darauf an, ob die Ursache für die vorübergehende technische Unmöglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder in der Sphäre des Einreichenden zu suchen sei (vgl. BGH, MDR 2023, 862). Technische Gründe liegen aber nur bei einer Störung der für die Übermittlung erforderlichen technischen Einrichtungen vor, nicht dagegen bei in der Person des Einreichers liegenden Gründen (vgl. BGH, a.a.O.; Bacher MDR 2022, 1441, 1444; Biallaß NJW 2023, 25, 26). Entsprechend stellen Verzögerungen bei der Einrichtung der technischen Infrastruktur keinen vorübergehenden technischen Grund dar (vgl. BT-Drucks 17/12634 Rn 27 f.; vgl. auch BGH, Beschl. v. 8.12.2022 – AnwZ (Brfg) 21/22 zu § 55d VwGO).

… werden zwar Gründe vorgetragen, …

Die Antragstellerin habe zur Glaubhaftmachung geltend gemacht, die Nutzungspflicht nach § 130d ZPO sei ihr bekannt. Indessen sei ihr eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, was sie anwaltlich versichere. Ihr Fehlbedienungszähler sei abgelaufen. Sie habe sich daher an die zuständige Zertifizierungsstelle der BRAK gewandt. Wie der von ihr beauftragte Dienstleister ihr am 24.5.2022 per E-Mail bestätigt habe, zeige ihre beA-Karte an, dass der Fehlbedienungszähler abgelaufen sei. Um diesen zurückzusetzen, sei vergeblich versucht worden, das „Secure Framework“ zu starten, weil dies gemeldet habe, dass es „ein Update will was aber auch nicht geht“. Auch der nachfolgende Versuch der Deinstallation der bei der Antragsgegnerin installierten Version sei gescheitert, weil „Probleme am PC sind“. Aus diesem Grund habe auch keine neue Version installiert werden können. Mit E-Mail vom 25.5.2022 habe die Zertifizierungsstelle mitgeteilt: „Wie telefonisch besprochen übersenden wir Ihnen die Anleitung. Sollten Sie Ihre PIN dreimal falsch eingegeben haben, wird die PIN-Eingabe gesperrt. Um die PIN-Eingabe wieder freizuschalten, wird die PUK aus dem PIN-Brief benötigt.“ Diesen Ausführungen habe sich eine Anleitung zur Zurücksetzung des Fehlbedienungszählers angeschlossen. Mit der Sachbearbeiterin bei der BRAK habe sie noch am selben Tag einen Termin mit einem IT-Fachmann der Zertifizierungsstelle für den Nachmittag vereinbart. In dem für sie eingestellten zweistündigen Slot habe sich aber niemand bei ihr gemeldet. Auf Anraten der Zertifizierungsstelle habe sie der Bundesnotarkammer einen Sperrauftrag mit der Begründung „falscher Zugangscode“ erteilt und (kostenpflichtig) eine neue beA-Karte beantragt, deren Erstellung und Zusendung aber ein bis zwei Wochen in Anspruch nehmen könnten. Mit Schriftsatz vom 4.7.2022 hat die Antragstellerin abschließend mitgeteilt, dass die vorübergehende technische Störung behoben worden und das besondere elektronische Anwaltspostfach jetzt vollumfänglich funktionstüchtig sei.

… die dem BGH nicht ausreichen

Dieses Vorbringen wird den höchstrichterlichen Anforderungen an die Glaubhaftmachung einer aus technischen Gründen vorübergehenden Unmöglichkeit im Sinne des § 130d Satz 3 Halbs. 1 ZPO nicht gerecht, weil aus den Ausführungen der Antragstellerin nicht in sich schlüssig und nachvollziehbar hervorgehe, ob sie die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorgehalten habe. Nach der Rechtsprechung des BGH führt etwa eine Störung des beA oder des EGVP sowie der temporäre Ausfall der Netzwerkkarte grundsätzlich zu einer vorübergehenden technischen Unmöglichkeit (vgl. BGH NJW 2023, 2484 m.w.N.; NJW 2023, 2883 und Beschl. v. 19.5.2023 – V ZR 14/23). Eine solche Konstellation liege hier indessen nicht vor. Denn nach dem Vortrag der Antragstellerin bestehe nicht die zur Glaubhaftmachung erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. BGH MDR 2023, 589; und MDR 2022, 517) dafür, dass die behauptete Unmöglichkeit auf technischen und nicht auf in der Person der Antragstellerin liegenden Gründen beruht.

Ggf. notwendigen technischen Einrichtungen nicht vorgehalten

Eine technische Unmöglichkeit sei dann nicht glaubhaft gemacht, wenn die Angaben auch den Schluss zulassen, dass der zugelassene Übermittlungsweg noch nicht in Betrieb genommen oder eingerichtet und dessen Funktionsfähigkeit vor der erstmaligen Nutzung nicht überprüft worden ist (vgl. BGH NJOZ 2023, 437; Biallaß NJW 2023, 25, 26). Professionelle Einreicher würden durch § 130d ZPO nicht von der Notwendigkeit entbunden, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten (vgl. BT-Drucks 17/12643 S. 28). Zu den notwendigen technischen Einrichtungen gehöre dabei nicht nur ein entsprechendes Endgerät (Hardware), sondern auch die für den Betrieb des Endgeräts und die Einreichung elektronischer Dokumente jeweils erforderliche Software in der jeweils aktuellen Version.

Die Antragstellerin habe sich jedoch in den Schriftsätzen vom 27. und 30.5.2022 nicht dazu geäußert, ob sie die so verstandenen technischen Einrichtungen vorgehalten habe. Sie sei auch nicht darauf eingegangen, ob sie – wie von der Zertifizierungsstelle vorgeschlagen – überhaupt versucht habe, mittels der ihr übersandten PUK die PIN-Eingabe zu entsperren, um anschließend entsprechend der Anleitung der Zertifizierungsstelle den Fehlbedienungszähler zurückzusetzen, ggf. auch unter Aktualisierung der Betriebssoftware des Endgeräts und der Betriebssoftware für die Einreichung von elektronischen Dokumenten. Vielmehr habe sie mit E-Mail vom 30.5.2022 an die Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer mitgeteilt, dass „keine Dokumente signiert“ worden seien, „somit die übersandte PIN vom 15.2.2022 nicht eingesetzt und infolge auch nicht geändert“ worden sei. Danach legen die Angaben der Antragstellerin den Schluss nahe, dass es sich bei der gescheiterten Übermittlung der Beschwerdebegründung über das beA offensichtlich um den erstmaligen Versuch der Verwendung der im Februar 2022 übersandten PIN und damit – zumindest möglicherweise – auch um den erstmaligen Versuch der Übermittlung eines elektronischen Dokuments an ein Gericht handelte und diese an der mangelnden Aktualisierung der Betriebssoftware gescheitert sein könnte.

III. Bedeutung für die Praxis

beA und keine Ende

1. beA und kein Ende, oder auch: Ein weiterer Beschluss aus der inzwischen kaum noch überschaubaren Rechtsprechung des BGH zum beA und den damit zusammenhängenden Fragen, der noch einmal die technischen Anforderungen an den Rechtsanwalt/Bediener konkretisiert.

Anlass für weiteren Vortrag

2. Offen gelassen hat der BGH die Frage, ob ein Rechtsanwalt in jedem Einzelfall dazu vorzutragen und glaubhaft zu machen hat, dass die technischen Einrichtungen zur elektronischen Übermittlung ursprünglich gegeben und funktionstüchtig waren (Dutta/Jacoby/Schwab/Jacoby FamFG 4. Aufl. § 14b Rn 4; Mantel ArbRB 2023, 188, 191; Biallaß NJW 2023, 15, 26). Denn jedenfalls in den Fällen, in denen – wie hier – auf der Grundlage des Vorbringens des Rechtsanwalts davon auszugehen ist, dass Anlass zur Überprüfung der Funktionsfähigkeit des beA bestand, diese jedoch unterblieben ist (vgl. BGH NJOZ 2023, 437), muss der Rechtsanwalt darlegen, dass die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente ursprünglich vorhanden und einsatzfähig waren.

Keine Wiedereinsetzung

3. Und: Das war es dann auch für den Wiedereinsetzungsantrag. Denn Wiedereinsetzung wird nicht gewährt, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offenbleibt, dass die Fristversäumung von dem Beteiligten beziehungsweise seinem Verfahrensbevollmächtigten verschuldet war (BGH FamRZ 2023, 879 m.w.N.). Das war hier aber der Fall, nachdem als Ursache für die Fristversäumung nicht ausgeschlossen werden kann, dass die sich als Rechtsanwältin selbst vertretende Antragstellerin die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente nicht vorgehalten hat.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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