Ein Kostenfestsetzungsantrag ist von einem Rechtsanwalt als elektronisches Dokument zu übermitteln. (Leitsatz des Gerichts)
I. Sachverhalt
Streit um Form des Kostenfestsetzungsantrags
Gestritten wird nach einem zivilgerichtlichen Verfahren im Rahmen einer sofortigen Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss über das Erfordernis der Einreichung des Kostenantrags als elektronisches Dokument nach § 130d ZPO. Der Kläger ist Rechtsanwalt und Notar a.D. Er hat sich im Verfahren zuletzt selbst vertreten. Er wies darauf hin, kein elektronisches Postfach zu besitzen, weil er nur noch zwei Verfahren bearbeiten müsse. Nach mehrfachem Hinweis des LG auf § 130d ZPO ließ er sich zwecks Zustimmung zum schriftlichen Verfahren durch Rechtsanwalt B vertreten.
Antrag vom Rechtsanwalt in eigener Sache nur als Fax
Nach Beendigung des Berufungsverfahrens hat der Kläger unter Verwendung seines Briefbogens als Rechtsanwalt und Notar a.D. einen als Rechtsanwalt unterzeichneten Kostenausgleichsantrag, den Rechtsanwalt B im Auftrag des Klägers per beA an das Gericht übermittelte. Der Beklagte rügte den Antrag wegen Verstoßes gegen § 130a Abs. 3 ZPO als formunwirksam. Auf eine inhaltliche Rüge des Rechtspflegers hin korrigierte der Kläger seinen Kostenausgleichsantrag mit einem erneut durch Rechtsanwalt B per beA übermittelten Antrag. Nach einem Hinweis des Rechtspflegers darauf, dass die Anträge nicht mit dem signierenden Rechtsanwalt übereinstimmten, wiederholte der Kläger seinen zuletzt gestellten Antrag auf seinem Anwaltsbriefpapier per Fax, wobei er bei der Namensangabe unter der Unterschrift die Bezeichnung „Rechtsanwalt“ wegließ.
LG sieht Antrag als zulässig an
Das LG hat die vom Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten festgesetzt. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er rügt, der Kläger könne nicht zur Umgehung des gesetzlichen Formerfordernisses seinen Kostenfestsetzungsantrag formfrei als Partei stellen. Solange er als Rechtsanwalt tätig sei, habe er sich des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs zu bedienen. Die sofortige Beschwerde hatte beim OLG Erfolg.
II. Entscheidung
Nach Auffassung des OLG hätte das LG den Kostenfestsetzungsbeschluss nicht erlassen dürfen, weil der Kostenfestsetzungsantrag entgegen § 130d ZPO nicht als elektronisches Dokument übermittelt worden sei. Es liege vielmehr eine unzulässige Einreichung eines Antrags per Fax vor.
Sachlicher Anwendungsbereich des § 130d Satz 1 ZPO
Nach Auffassung des OLG ist § 130d Satz 1 ZPO anwendbar, weil es sich bei dem Kostenfestsetzungsantrag um einen „schriftlich einzureichenden Antrag“ im Sinne des § 130d Satz 1 ZPO handelt. Zwar bestehe für einen Antrag auf Kostenfestsetzung kein zwingendes Schriftformerfordernis; vielmehr könne er nach allgemeiner Meinung auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts erklärt werden (MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 103 Rn 38). Dies ändert aber nichts daran, dass ein „schriftlich einzureichender Antrag“ vorliegt.
Bei der Auslegung und Ermittlung des § 130d ZPO tragenden gesetzgeberischen Willens bezieht sich das OLG auf die Entwicklung des § 14b Abs. 1 Satz 1 FamFG, der sich mit § 130d ZPO deckt (vgl. dazu BT-Drucks 19/28399 S. 39 f.). Daraus lasse sich schließen, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung „schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen“ eine Abgrenzung zu – im FamFG möglichen – mündlichen Anträgen und Erklärungen vornehmen und sowohl schriftlich als auch zur Niederschrift abgegebene Erklärungen erfassen wollte. Dafür spreche auch, dass die Gesetzesbegründung zur Einführung des § 130d ZPO überhaupt nicht auf eine bestimmte Form abstelle, sondern lediglich ausführe „Um den elektronischen Rechtsverkehr zu etablieren, sieht Satz 1 eine Pflicht für alle Rechtsanwälte und Behörden vor, Schriftsätze, Anträge und Erklärungen den Gerichten nur noch in elektronischer Form zu übermitteln.“ (BT-Drucks 17/12634, S. 27). Nach dem Willen des Gesetzgebers solle § 130d Satz 1 ZPO umfassend für alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO gelten (BGH, Beschl. v. 24.11.2022 – IX ZB 11/22).
Auch der Umstand, dass es sich bei dem Kostenfestsetzungsantrag nicht um ein Rechtsmittel, sondern um einen das Kostenfestsetzungsverfahren einleitenden Antrag handelt, führt nach Auffassung des OLG nicht dazu, die Anwendbarkeit des § 130d S. 1 ZPO zu verneinen. Dazu verweist das OLG auf den BGH, Beschl. v. 24.11.2022 – IX ZB 11/22 zum Rechtsmittel des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren, auf den BGH, Beschl. v. 7.12.2022 – VII ZB 200/22 zur Einreichung einer Beschwerde nach § 64 Abs. 2 S. 1 FamFG durch den Rechtsanwalt, auf den BGH, Beschl. v. 31.1.2023 – VIII ZB 90/22 zur Einreichung einer Beschwerde nach § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG durch den anwaltliche Verfahrenspfleger und auf den BGH, Beschl. v. 31.5.2023 – XII ZB 428/22 zur Einreichung einer Beschwerde nach § 64 Abs. 2 S. 1 FamFG durch einen Berufsbetreuer.
Allerdings habe der BGH in der zuletzt genannten Entscheidung colorandi causa ausgeführt, der Vergütungsantrag des anwaltlichen Betreuers müsse nicht als elektronisches Dokument eingereicht werden. Vielmehr dürfe der Betreuer seinen Vergütungsantrag auch dann in gewöhnlicher Schriftform stellen, wenn er als Rechtsanwalt zugelassen sei. Er ist in diesem Fall allerdings verpflichtet, auf Anforderung des Gerichts ein elektronisches Dokument nachzureichen (§ 14b Abs. 2 Satz 2 FamFG. Zwar könne aus dieser Entscheidung zu folgern sein, dass es für die sachliche Anwendbarkeit des § 130d ZPO darauf ankommt, ob es für den Antrag bzw. die Erklärung bestimmte – über die Schriftlichkeit als solche hinausgehende – Formerfordernisse gibt, und § 130d Satz 1 ZPO nicht zur Anwendung kommt, wenn ein Antrag ohne jegliche Formerfordernisse auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden kann. Dagegen spricht nach Auffassung des OLG jedoch die angeführte Gesetzesbegründung zu § 130d ZPO, die ein weites Verständnis hinsichtlich der der Vorschrift unterfallenden Anträge und Erklärungen aufzeigt. Hinzu kommt ein Unterschied zwischen § 130d ZPO und § 14b FamFG. Da das FamFG im Gegensatz zur ZPO kein allgemeines Schriftformerfordernis vorsieht, besteht nach § 14b Abs. 2 FamFG für nicht schriftlich einzureichende Anträge die Möglichkeit der Einreichung eines Antrags in gewöhnlicher Form. Zugleich sehe § 14b Abs. 2 S. 2 FamFG die Verpflichtung vor, auf Anforderung des Gerichts ein elektronisches Dokument nachzureichen. Eine § 14b Abs. 2 FamFG entsprechende Vorschrift enthalte die ZPO nicht, was deutlich macht, dass dort grundsätzlich alle (stets) schriftlich einzureichenden Erklärungen und Anträge der Vorschrift des § 130d ZPO unterfallen.
Persönlicher Anwendungsbereich
Auch der persönliche Anwendungsbereich des § 130d Satz 1 ZPO sei eröffnet. In der Rechtsprechung des BGH sei mittlerweile geklärt, dass für Rechtsanwälte die Pflicht zur elektronischen Übermittlung nach § 130d Satz 1 ZPO und § 14b Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht nur dann besteht, wenn sie einen Beteiligten vertreten, sondern auch dann, wenn sie – z.B. als Verfahrenspfleger (BGH, Beschl. v. 31.1.2023, a.a.O.), Insolvenzverwalter (BGH, Beschl. v. 24.11.2022, a.a.O.) oder anwaltlicher Berufsbetreuer (BGH, Beschl. v. 31.5.2023, a.a.O.) – berufsmäßig im eigenen Namen auftreten. Der BGH begründe die generelle Nutzungspflicht für Rechtsanwälte unabhängig von ihrer Rolle im Verfahren mit der auf eine „Nutzungspflicht für Rechtsanwälte“ abstellenden amtlichen Überschrift der Vorschriften, ihrem weit gefassten Wortlaut, der Gesetzesbegründung und dem Zweck der Normen, der für ein statusbezogenes Verständnis der Nutzungspflicht spreche (BGH, Beschl. v. 31.5.2023, a.a.O.).
Keine deutliche Trennung von Stellung und Tätigkeit als Rechtsanwalt
Nach dieser Rechtsprechung sei der Antrag des Klägers mangels Übermittlung als elektronisches Dokument und wegen Verstoßes gegen § 130d Satz 1 ZPO nicht zu entsprechen. Dabei könne dahinstehen – was der BGH offen gelassen habe (vgl. BGH, Beschl. v. 31.5.2023, a.a.O.) –, ob § 130d Satz 1 ZPO auch dann zur Anwendung komme, wenn ein Rechtsanwalt bewusst als Privatperson in eigener Sache auftrete, wofür sprechen könnte, dass ein Rechtsanwalt ohnehin über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach verfügen muss und jenseits eines Auftretens in eigener Sache als Privatperson einem Zwang zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten unterliegt (BGH, Beschl. v. 31.5.2023, a.a.O.). Vorliegend habe der Kläger nämlich keine deutliche Trennung von seiner Stellung und seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt vorgenommen. Zwar habe er bei seinem Antrag unter seiner Unterschrift lediglich seinen Namen wiedergegeben und dabei den zunächst vorhandenen Zusatz „Rechtsanwalt“ weggelassen. Er sei aber in der Gesamtschau weiterhin als Rechtsanwalt im eigenen Namen aufgetreten. Denn er habe weiterhin sein Anwaltsbriefpapier verwendet, das im Briefkopf die Bezeichnung „Anwaltskanzlei“ mit Vor- und Nachnamen enthalt und ihn als „Rechtsanwalt“ bzw. „Rechtsanwalt und Notar a.D.“ bezeichne. Zudem habe er neben den Kosten der 1. Instanz entsprechend einer vorgelegten Kostennote seines damaligen Prozessbevollmächtigten bezüglich der Kosten der 2. Instanz eigene Anwaltsgebühren in Form einer Verfahrens- und Terminsgebühr nebst einer Pauschale für Post und Telekommunikation geltend. Damit betreffe sein Antrag gerade seine eigene Stellung und sein Kosteninteresse als Rechtsanwalt. Vor diesem Hintergrund sei er gehalten gewesen, als Rechtsanwalt die Form des § 130d Satz 1 ZPO einzuhalten. Da dies nicht geschehen sei, sei der Kostenfestsetzungsantrag unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses als unzulässig abzuweisen gewesen.
III. Bedeutung für die Praxis
Rechtsprechung des BGH fasst Anwendungsbereich weit
1. Die Entscheidung reiht sich ein in die Serie der vom OLG auch angeführten Entscheidungen, vor allem des BGH, der den Anwendungsbereich der (neuen) Formvorschriften weit fasst. Sie dürfte über § 464b Satz 3 StPO auch für straf- und Bußgeldverfahren gelten, in denen sich der Rechtsanwalt ggf. selbst vertreten hat.
§ 12b RVG
2. Für den Bereich des RVG ist § 12b RVG zu beachten. Nach dessen Satz 1 gelten für alle Verfahren nach dem RVG, also vor allem die Festsetzungsverfahren nach den §§ 11, 32, 33, 55 RVG, die Rechtsmittelverfahren nach den §§ 12a, 33 RVG aber auch das Bewilligungsverfahren nach § 51 RVG die für das jeweilige Hauptsachverfahren, für das der Rechtsanwalt seine Vergütung geltend macht, geltenden verfahrensrechtlichen Vorschriften über das elektronische Dokument, also z.B. die §§ 130a ff., 298, 298a ZPO, die §§ 46c ff. ArbGG, die §§ 5aa VwGO und die §§ 32a ff. StPO. Hauptsache und Kostenverfahren richten sich also nach denselben rechtlichen Regelungen.
Rechtsbeschwerde
3. Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zum BGH – leider – nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung habe noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH erfordere (§ 574 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 ZPO). Abweichende obergerichtliche Entscheidungen seien nicht ersichtlich und der sachliche und persönliche Anwendungsbereich des § 130d ZPO sei hinreichend geklärt. Nun ja: Nachdem der BGH im Beschl. v. 31.1.2023 (VIII ZB 90/22) auch, wenn auch „colorandi causa“. etwas zum Kostenfestsetzungsantrag gesagt hat, hätte man dann vielleicht doch gern etwas „Tragendes“ vom BGH gehört.