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VRRKompakt 2024_03

Gebrauch des Fahrzeugs: Entladevorgang

Der Entladevorgang gehört zum „Gebrauch“ des Fahrzeugs im Sinne des § 1 PflVG, solange das Kraftfahrzeug oder seine an und auf ihm befindlichen Vorrichtungen daran beteiligt sind. Der Schaden, der beim Hantieren mit Ladegut eintritt, ist dann „durch den Gebrauch“ des Kraftfahrzeugs entstanden, wenn es für die schadensstiftende Verrichtung aktuell, unmittelbar, zeitlich und örtlich nahe eingesetzt worden ist. Das Entladen eines Tanklastzugs mittels einer auf ihm befindlichen Pumpe ist danach dem Gebrauch des Kraftfahrzeugs zuzuordnen, solange der Druck der Pumpe noch auf das abzufüllende Öl einwirkt und die Flüssigkeit durch den Schlauch heraustreibt.

BGH, Urt. v. 16.1.2024 – VI ZR 385/22

Verkehrsunfall: Unzulässigem Überholen und Rechtsabbiegen in ein Grundstück

Eine unklare Verkehrslage i.S.d. § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO und damit ein unzulässiges Überholen kommt in Betracht, wenn das vorausfahrende Fahrzeug bei einem ordnungsgemäß angekündigten Rechtsabbiegen in ein Grundstück zunächst erkennbar – unter Verstoß gegen § 9 Abs. 1 S. 2 StVO – nach links ausholt. In diesem Fall hat der Überholende mit einem weiteren Ausscheren des Vorausfahrenden nach links vor dem eigentlichen Abbiegen zu rechnen. Im Falle einer seitlichen Kollision zwischen einem unter Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO bei unklarer Verkehrslage Überholenden und einem nach rechts in ein Grundstück abbiegenden Vorausfahrenden, der sich entgegen § 9 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 StVO zunächst nach links zur Fahrbahnmitte hin einordnet und unmittelbar vor dem Rechtsabbiegen nach links ausholt, kommt eine Haftungsverteilung von 60 % zu 40 % zulasten des Überholenden in Betracht.

OLG Schleswig, Urt. v. 6.2.2024 – 7 U 94/23

Reinigung eines Kraftstofftanks: Verkehrssicherungspflicht

Bei einem Vertrag über die Reinigung eines Kraftstofftanks besteht eine Schutzpflicht des reinigenden Fachunternehmens, die Rechtsgüter des Auftraggebers vor Beschädigungen beim Reinigungsvorgang zu bewahren. Es handelt sich dabei um einen Unterfall einer Verkehrssicherungspflicht als vertraglicher Nebenpflicht. Der Auftragnehmer genügt grundsätzlich seiner Verkehrssicherungspflicht, wenn die von ihm übernommenen Arbeiten den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen.

OLG Celle, Urt. v. 7.2.2024 – 14 U 113/23

Nutzungspflicht elektronisches Dokument: Wiedereinsetzung

War es bereits im Zeitpunkt der Ersatzeinreichung eines Schriftsatzes möglich, die vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung darzulegen und glaubhaft zu machen, hat dies mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen; in diesem Fall genügt es nicht, wenn die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung nachträglich darlegt und glaubhaft gemacht werden (Anschluss an BGH, Beschl. v. 17.11.2022 – IX ZB 17/22, NJW 2023, 456 f.). Die an die Nutzungspflicht und die an eine Ersatzeinreichung eines elektronischen Dokuments zu stellenden Voraussetzungen ergeben sich aus dem Gesetz. Dass die Rechtsmittelbelehrung darauf nicht gesondert hinweist, ist unschädlich und führt nicht zur Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

BGH, Beschl. v. 10.1.2024 – AnwZ (Brfg) 15/23

Rechtsmittelschrift: Erforderliche Signatur

Ein Rechtsmittel ist unzulässig, wenn die Rechtsmittelschrift zwar von einem Rechtsanwalt auf einem sogenannten sicheren Übermittlungsweg eingereicht wird, aber weder einfach noch qualifiziert elektronisch signiert wurde.

OLG Zweibrücken, Beschl. v. 4.12.2023 – 9 U 141/23

Elektronisches Dokument: Kostenfestsetzungsantrag des Rechtsanwalts

Ein Kostenfestsetzungsantrag ist von einem Rechtsanwalt als elektronisches Dokument zu übermitteln.

OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 16.12024 – 18 W 120/23

Unfallflucht: bedeutender Schaden

Der Wert, ab welchem ein bedeutender Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB anzunehmen ist, liegt bei 1.800,00 EUR.

LG Bielefeld, Beschl. v. 2.2.2024 – 10 Qs 51/24

Unfallflucht: (Vorläufige) Entziehung der Fahrerlaubnis

Lässt sich aus der Verfahrensakte nicht ermitteln, wie die Schadenshöhe eines bei einem Verkehrsunfall verursachten Schadens ermittelt wurde, lässt sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der Schaden über der Erheblichkeitsgrenze liegt. Hat sich der Beschuldigte zwar zunächst – ggf. aus Panik – vorn Unfallort entfernt, wurde dann aber die Leitstelle der Polizei sehr zeitnah über den Unfall informiert und hat sich der Beschuldigte zum Unfallort zurückbegeben und hat dort gegenüber der Polizei den Unfall und seine Beteiligung eingeräumt, liegt eine charakterliche Ungeeignetheit, die die Entziehung der Fahrerlaubnis notwendig macht, liegt nicht vor.

AG Itzehoe, Beschl. v. 27.2.2024 – 40 Gs 579/24

Rotlichtverstoß: Rechtsfolgenbemessung

Ein Fahrzeugführer, der auf einem markierten (Linksabbieger-)Fahrstreifen im Sinne des § 37 Abs. 2 Nr. 4 StVO in eine Kreuzung einfährt, obwohl die Wechsellichtzeichenanlage Rot zeigt, handelt auch dann ordnungswidrig gemäß § 37 Abs. 2 StVO, wenn er anschließend in der Richtung eines durch Grünlicht freigegebenen anderen Fahrstreifens weiterfährt. In diesen Fällen muss sich das Tatgericht aber sowohl im Hinblick auf die Höhe einer Geldbuße als auch hinsichtlich eines Fahrverbotes mit der Frage auseinander, dass die Kreuzung wegen des grünen Lichtzeichens für die Geradeausspur, auf die der Betroffene im Kreuzungsbereich wechselte, für Querverkehr gesperrt war, wodurch die abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gemindert war.

OLG Rostock, Beschl. v. 24.1.2024 – 21 ORbs 6/24

Fahrverbot: Mehrfacher Verkehrsverstoß

Für die Annahme eines besonderen Ausnahmefalles, der zum Absehen von einem an sich verwirkten Regelfahrverbot führt, reicht es nicht aus, wenn der Betroffene etwa sechs Wochen vor dem zur Verurteilung anstehenden Vorfall an der gleichen Messstelle einen gleichartigen Verkehrsverstoß begangen hat, der mit einem Fahrverbot geahndet worden ist, das zwischen hiesiger Tatbegehung und der Aburteilung im vorliegenden Verfahren verbüßt wurde.

AG Frankfurt am Main, Urt. v. 17.11.2023 – 971 OWi 916 Js 59363/23

Zustellungsmangel: Heilung

Die Heilung eines Zustellungsmangels durch den tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Schriftstücks gemäß § 189 ZPO i.V.m. § 37 Abs. 1 StPO setzt voraus, dass eine Zustellung vom Gericht beabsichtigt war, diese muss folglich angeordnet worden sein

KG, Beschl. v. 12.12.2023 – 2 Ws 139/23

Elektronisches Dokument: „Gewählter Verteidiger“

Folge der Nichteinhaltung der besonderen Formvorschrift des § 32d S. 2 StPO ist die Unwirksamkeit der Erklärung. Die besondere Formvorschrift des § 32d StPO gilt für Verteidiger und Rechtsanwälte; nach § 138 Abs. 2 S. 1 StPO gewählte Verteidiger unterfallen der Norm.

KG, Beschl. v. 4.1.2024 – 3 ORs 87/23

Bewährungswiderruf: Verstoß gegen Therapieweisung

Ein Bewährungswiderruf wegen Verstoßes gegen eine Therapieweisung setzt voraus, dass diese im Bewährungsbeschluss hinreichend bestimmt erteilt worden ist.

Holt das Gericht nach der Anhörung zu einem Bewährungswiderruf telefonisch weitere Informationen ein, muss es den Verurteilten zu diesen neuen Erkenntnissen erneut anhören.

OLG Celle, Beschl. v. 26.2.2024 – 2 Ws 69/24

Ausbleiben im Termin: Anforderungen an die Entschuldigung

Erscheint der Angeklagte nicht zum Termin, kommt es im Fall des § 412 S. 1, § 329 Abs. 1, 7 StPO nicht darauf an, ob er sich genügend entschuldigt hat, sondern ob er genügend entschuldigt ist.

LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 5.2.2024 – 12 Qs 3/24

Halterhaftung: Berücksichtigung subjektiver Aspekte

Im Rahmen der Kostenfrage nach § 25a StVG ist Voraussetzung, dass objektiv ein Parkverstoß begangen wurde. Dagegen spielen subjektive Aspekte, also etwa Fragen der Erkennbarkeit für einen konkreten Fahrer oder etwaige dessen Verantwortlichkeit ausschließende Aspekte naturgemäß keine Rolle, weil dieser – als weitere Bedingung der Kostenauferlegung nach § 25a Abs. 1 StVG – ja gerade nicht bekannt ist.

AG Maulbronn, Beschl. v. 1.2.2024 – 4 OWi 135/23

Entfernung aus dem Anwärterdienst: Objektiv verwirklichte Unfallflucht

U.a. eine zumindest objektiv verwirklichte Unfallflucht eines Kommissaranwärters ist als außerdienstliches Verhalten hinreichend bedeutsam, um seitens des Dienstherrn negative Rückschlüsse auf die dienstliche Vertrauenswürdigkeit als Polizeibeamter, von dem ein gesetzestreues Verhalten in besonderer Weise erwartet werden kann, ziehen zu dürfen.

OVG Saarland, Beschl. v. 13.12.2023 – 1 B 154/23

Fahreignung: Fahreignungsrelevanz einer psychotischen Störung

Eine akute polymorphe psychotische Störung mit Symptomen einer Schizophrenie kann bei fraglicher Drogenabstinenz auch mehr als zwei Jahre nach ihrem nachweislichen Auftreten berechtigte Zweifel an der Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen.

OVG Lüneburg, Beschl. v. 9.2.2024 – 12 PA 65/23

Geldempfangsvollmacht: Elektronisches Dokument

Ein elektronisches Dokument in Form eines Scans des schriftlichen Originals ist zum Nachweis der Vollmacht im Kostenfestsetzungsverfahren nicht ausreichend.

KG, Beschl. v. 12.1.2024 – 1 Ws 122/23

Festsetzung des Streitwertes: Abweichender Gegenstandswert

Sofern teilweise Klagerücknahmen oder Erledigungserklärungen dazu führen, dass der für die Gerichtsgebühren festgesetzte Gebührenstreitwert nicht für sämtliche zur Bemessung der RVG-Gebühren maßgeblichen Gegenstandswerte gilt, kann der Gebührenstreitwert bei einem Antrag gemäß § 33 RVG nach Zeitabschnitten festgesetzt werden, nachdem eine strenge Trennung zwischen Gebührenstreitwert und Gegenstandswert bei der Streitwertfestsetzung in der Rechtspraxis weitgehend unüblich ist.

OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 2.2.2024 – 9 W 1/24

Pflichtverteidiger: Erstreckung der Bestellung

Nach der zum 1.1.2021 erfolgten Ergänzung von § 48 Abs. 6 S. 3 RVG ist klargestellt, dass die Anordnung einer Erstreckungswirkung bei einer anwaltlichen Beiordnung nach der Verbindung nicht erforderlich ist, weil § 48 Abs. 6 S. 1 StPO unmittelbar gilt.

LG Osnabrück, Beschl. v. 27.12.2023 – 1 Qs 70/23

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