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Rechtsprechungsübersicht zum Autokaufrecht 2023

Im nachfolgenden Beitrag sollen einige kaufrechtliche Entscheidungen mit verkehrsrechtlichem Bezug aus dem zurückliegenden Jahr vorgestellt werden. Insbesondere soll eine erste obergerichtliche Entscheidung zum „neuen Kaufrecht“ präsentiert werden, welches seit der Umsetzung der europäischen Kaufrechtsrichtlinie für Kaufverträge Anwendung findet, welche ab dem 1.1.2022 abgeschlossen worden sind.

I.

Entscheidungen

Den Anfang bildet die Entscheidung des OLG Oldenburg, Urt. v. 27.3.2023 – 9 U 52/22. Hier war über die Frage zu entscheiden, ob der Beklagte gutgläubig Eigentum an dem ursprünglich im Eigentum des spanischen Klägers stehenden Lamborghini erworben hatte, den dieser an eine spanische Autovermietung vermietet hatte, die das Fahrzeug ihrerseits an einen spanischen Mieter vermietete, der das Fahrzeug nicht zurückbrachte, sondern es in Deutschland auf seinen Namen zulassen ließ. Der Beklagte hatte das Fahrzeug dann zwar seinerseits unter Vorlage der Originalfahrzeugpapiere von zwei als Vermittler des in den Fahrzeugpapieren eingetragenen spanischen Mieters erworben. Die Umstände des Erwerbs waren dem OLG jedoch zu „auffällig“ und es lehnte einen gutgläubigen Eigentumserwerb ab.

Der Kläger, welcher hinsichtlich der fehlenden Gutgläubigkeit des Beklagten beweisbelastet gewesen sei, habe das Eigentum an dem Lamborghini nicht verloren, da der Beklagte im Rahmen des maßgeblichen Rechtsgeschäfts grob fahrlässig gehandelt habe. Obwohl ihm die Original-Zulassungsbescheinigungen vorgelegt worden seien, was regelmäßig zu den objektiven Mindestvoraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs eines Kraftfahrzeugs gehöre, um die Berechtigung des Veräußerers zu überprüfen, sei der Beklagte bösgläubig gewesen, da aus Sicht des OLG besondere Umstände vorgelegen hätten, die seinen Verdacht hätten wecken müssen und die er unbeachtet gelassen habe.

Hierzu gehörten u.a. die Personenverschiedenheit zwischen eingetragener Person in den Fahrzeugpapieren und den als Vermittler auftretenden Personen, das Absehen von einer persönlichen Kontaktaufnahme mit der in den Papieren eingetragenen Person, die fehlende Aufforderung zur Vorlage einer Vollmacht, die Eigenschaft als Luxusfahrzeug, welches erst seit wenigen Tagen und mit Kurzzeitkennzeichen zugelassen war und insbesondere die Umstände des Erwerbs im Rahmen eines Straßenverkaufs. Ein solcher Straßenverkauf im Gebrauchtwagenhandel führe zwar dann nicht zu weitergehenden Nachforschungspflichten, wenn er sich für den Erwerber als nicht weiter auffällig darstelle. Jedoch hätten hier ganz erhebliche Auffälligkeiten vorgelegen. Hierzu gehörte nach Sicht des OLG, dass das erste Treffen auf dem Parkplatz einer Spielothek stattgefunden habe, das Fahrzeug jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht übergeben werden konnte, weil es angeblich zunächst noch für eine Hochzeitsfahrt eines Freundes benötigt worden sei. Zudem sei der Abschluss des Kaufvertrages dann auf dem Gelände einer Tankstelle erfolgt, wo man sich nach einiger Verzögerung erst gegen 23 Uhr getroffen habe und nach der Durchführung von Probefahrten erst um 1 Uhr des Folgetages der Kaufvertrag unterschrieben und das Fahrzeug auf dem Gelände einer Tankstelle an den Beklagten übergeben worden sei.

Im Ergebnis konnte daher der Kläger vom Beklagten gemäß § 985 BGB die Herausgabe des Fahrzeuges fordern.

Ein Gebrauchtwagen, der seine allerbesten Zeiten aber bereits hinter sich hatte, war Gegenstand der Entscheidung des OLG Stuttgart, Urt. v. 17.8.2023 – 2 U 41/22. Das fahrbereite und funktionstüchtige Fahrzeug wurde von der Klägerin als Verbraucherin bei der Beklagten als gewerbliche Kraftfahrzeughändlerin erworben, wobei der Kaufvertrag die nachfolgende Regelung enthielt:

„Das Fahrzeug wird als Bastelfahrzeug gebraucht und [in] altersgemäßem Zustand verkauft. Der Käufer hat das Fahrzeug besichtigt und Probe gefahren. Er hat den vorgefundenen Zustand akzeptiert.“

Nach Übergabe des Fahrzeuges kam es dann zu Problemen am Motor des Fahrzeuges, welche die Klägerin als Mängel rügte und die im Ergebnis zur Folge hatten, dass die Klägerin im Klageweg u.a. die Rückabwicklung des Kaufvertrages forderte.

Nach Auffassung des OLG Stuttgart zu Recht. So könne sich der gewerbliche Verkäufer im vorliegenden Fall gemäß § 476 Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F. zum einen nicht auf den Passus im Kaufvertrag berufen, wonach die Klägerin das Fahrzeug besichtigt und Probe gefahren und den vorgefundenen Zustand akzeptiert habe, denn derartige Klauseln seien keine Beschaffenheits- oder Zustandsbeschreibungen, sondern beschränkten die Gewährleistung. Dies gelte im Ergebnis auch für die Bezeichnung des Fahrzeugs als „Bastelfahrzeug“. Zwar verbleibe auch im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs die Möglichkeit einer Beschaffenheitsvereinbarung im Rahmen des subjektiven Fehlerbegriffs gemäß § 434 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB a.F. erhalten. Es sei somit ohne Weiteres möglich, einen Gegenstand „zum Basteln“ zu verkaufen und auf diese Weise eine Haftung für die Funktionsfähigkeit auszuschließen. Entscheidend sei aber nicht der Wortlaut der jeweiligen Vereinbarung, sondern der übereinstimmende tatsächliche Wille der Parteien. Die bloße Bezeichnung eines als funktionsfähig und zum Betrieb durch den Käufer verkauften Gebrauchtwagens als „Bastlerfahrzeug“ führe deshalb nicht zu einem Ausschluss der Mängelhaftung des Verkäufers, wenn der Käufer – wie hier – aufgrund der sonstigen Angaben des Verkäufers und des übereinstimmend zugrunde gelegten Vertragszwecks von einem funktionsfähigen Fahrzeug ausgehen durfte.

Ein wirksamer Gewährleistungsausschluss war Gegenstand der Entscheidung des OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.4.2023 – 14 U 216/21. Hier hatte ein Gebrauchtwagenhändler an einen nach Auffassung des OLG als Scheinunternehmer handelnden Käufer einen Pkw veräußert und im Kaufvertrag u.a. die nachfolgende Regelung getroffen:

„Kauft das nachstehende Fahrzeug gebraucht, wie ausgiebig besichtigt, unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung und Sachmängelhaftung (…). Der Verkäufer weist darauf hin, dass die Fahrzeuge von der B… nicht selbst gefahren wurden und rein zum Weiterverkauf erworben wurden. Angaben über Beschädigungen und km-Stände werden wie vom Vorbesitzer ausgesagt weitergegeben. Für Unfallfreiheit (Rahmenschaden etc.) km-Stand keine Garantie, sofern dies nicht vom Verkäufer arglistig verschwiegen wurde.“

Knapp zwei Monate nach Übergabe des Fahrzeuges erfolgte seitens des Klägers der Rücktritt vom Kaufvertrag, mit der Begründung, dass das Fahrzeug einen Unfallschaden, massive Eindellungen durch Hagel sowie unfallbedingt einen Achsschaden aufweise. Die auf Rückabwicklung gerichtete Klage wurde vom Landgericht abgewiesen, die hiergegen gerichtete Berufung blieb ohne Erfolg.

Die im Vertrag gewählte Klausel sei nach Auffassung des OLG eine Vereinbarung, wonach sich Angaben über Vorschäden als reine Wissenserklärung darstellten und damit hinsichtlich deren Vorliegens die Gewährleistung (bis zur Grenze der Arglist) ausgeschlossen sei. Ein solcher (partieller) Gewährleistungsausschluss begegne – gerade im Geschäftsverkehr zwischen einem (Schein-)Unternehmer und einer Unternehmerin – keinen durchgreifenden Bedenken.

Diese Klausel beziehe sich auch auf sämtliche Vorschäden und nicht nur auf Unfallschäden im engeren Sinn. Denn der Begriff „Unfallfreiheit“ werde in dem Satz nach den „Beschädigungen“ verwendet und sei objektiv betrachtet als Synonym gemeint, was sich insbesondere aus dem Zusatz „(Rahmenschaden etc.)“ erschließe. Hierfür spreche auch, dass die Beklagte als Zwischenhändlerin ihre Haftung hinsichtlich von Beschädigungen objektiv soweit möglich auf die Weitergabe der Wissenserklärung der Vorbesitzerin habe beschränken wollen. Denn sie habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Fahrzeug rein zum Zweck des Weiterverkaufs erworben worden sei, weshalb es dahinstehen könne, ob ein Hagelschaden als Unfallschaden anzusehen sei.

Auch ein arglistiges Handeln der Beklagten sei nicht feststellbar. Zur umfassenden Überprüfung des Fahrzeuges sei der Gebrauchtwagenhändler nur aufgrund besonderer Umstände, die für ihn einen konkreten Verdacht auf Mängel begründen, gehalten, etwa dann, wenn er die Vorschädigung eines zu veräußernden Fahrzeugs kenne. Abgesehen von diesen Fällen sei der Händler grundsätzlich nur zu einer fachmännischen äußeren Besichtigung („Sichtprüfung“) verpflichtet (vgl. BGH, Urt. v. 15.4.2015 – VIII ZR 80/14).

Zwar gehe ein Kaufinteressent, der sich an einen Händler wendet, regelmäßig davon aus, dass der Kraftfahrzeughändler die Frage eines möglichen Unfallschadens oder eines Unfallverdachts vor dem Verkauf zumindest in gewissem Umfang geprüft habe. Ein Verkäufer, der in Kenntnis dieser Erwartungen eine einfache Sichtprüfung des Fahrzeugs unterlasse, handele indes nur dann arglistig, wenn eine korrekte Sichtprüfung konkrete Anhaltspunkte für einen Unfallverdacht ergeben hätte. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall gewesen.

Das Thema Gewährleistung war auch Gegenstand einer weiteren Entscheidung des OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.4.2023 – 19 U 15/22. Hier hatte der Kläger gegenüber der Beklagten als gewerbliche Kfz-Händlerin die Rückabwicklung eines Kaufvertrages begehrt, wobei die Beklagte im Klageverfahren eingewandt hatte, dass der Kläger konkludent auf seine Gewährleistungsrechte verzichtet habe, indem er am Tag der Abholung des Fahrzeuges vor Ort bei der Beklagten die streitgegenständlichen Mängel am Fahrzeug rügte, jedoch das Angebot der Beklagten, das Fahrzeug bei ihr zu belassen, ablehnte.

Diese Auffassung lehnte das OLG jedoch ab. Im Rahmen der vorzunehmenden Auslegung der Erklärung des Klägers sei aus Gründen des Vertrauensschutzes auf die objektive Bedeutung des sich aus der abgegebenen Erklärungen ergebenden Sinnganzen abzustellen, wobei §§ 133, 157 BGB klarstellten, dass die Ermittlung jener objektiven Bedeutung auch anhand objektiver – und nicht etwa nur auf den subjektiven Empfängerhorizont des jeweils anderen Vertragsteils abstellender – Maßstäbe, nämlich nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu erfolgen habe. Insbesondere an die Auslegung einer Willenserklärung, die zum Verlust einer Rechtsposition führt, seien strenge Anforderungen zu stellen; der dahingehende Wille müsse unzweifelhaft und eindeutig nach außen treten.

Auf Grundlage dieser Maßstäbe sei zu berücksichtigen, dass solch weitreichende Erklärungen nur in Ausnahmefällen spontan und auf völlig unklarer Tatsachengrundlage erklärt würden, zumal der Kläger zum fraglichen Zeitpunkt die Reichweite eines etwaigen Verzichts noch nicht habe abschätzen können, da die aufgetretenen Mängel auch auf einer bloßen Bagatelle hätten beruhen können. Dass der Kläger dann zunächst die technischen – und rechtlichen – Rahmenbedingungen in Ruhe und mit (räumlichem) Abstand habe eruieren wollen, sei nicht treuwidrig. Im Übrigen erlaube die Tatsache, dass der Kläger durch die Weigerung gegen vertragliche (Neben-)pflichten verstoßen haben könnte, keine zwingenden Schlüsse im Hinblick auf einen Verzicht. Vielmehr sei der Verzicht aus Sicht des Senates für einen redlichen Dritten nur eines gewesen: Sinnlos!

Zur Frage einer möglichen Beweisvereitelung aufgrund der Unterbringung eines Fahrzeuges im Freien durch den Verkäufer im Rahmen eines Rückabwicklungsstreits musste das OLG Hamm in seinem Urt. v. 23.5.2023 – 28 U 54/21 Stellung nehmen. Hier hatte die Klägerin u.a. die Rückabwicklung eines Neufahrzeugkaufs gefordert, wobei im Rahmen der zweitinstanzlich veranlassten Beweisaufnahme an dem auf dem Gelände der Beklagten unter freiem Himmel abgestellten und nicht mehr benutzen Fahrzeug weitreichende Feuchtigkeitsschäden eintraten, von denen sowohl Elektronikbauteile als auch der Fahrgastinnenraum betroffen waren. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige konnte daher zu einigen Beweisfragen keine abschließenden Feststellungen mehr treffen und das offene Beweisergebnis ging zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin.

Diese habe nach Auffassung des OLG ohne Erfolg geltend gemacht, es liege eine Beweisvereitelung durch die Beklagte vor, die eine Beweislastumkehr zu deren Lasten zur Folge habe, nachdem der Wassereintritt erfolgt sei, als sich das Fahrzeug im Besitz der Beklagten befand.

Die Klägerin habe weder zu einer besonderen Absprache zwischen der Bank und der Beklagten betreffend die Aufbewahrung des Fahrzeugs während des laufenden Rechtsstreits vorgetragen, noch habe die Beklagte mit der Art der Unterbringung des Fahrzeugs gegen eine kaufvertragliche Pflicht verstoßen. Denn lasse sich der Verkäufer darauf ein, dass das Fahrzeug während des Rückabwicklungsstreits bei ihm verbleibt, sei es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn er es ohne weiteren Schutz unter freiem Himmel abstellt. Denn dabei handele es sich um eine übliche Art der Aufbewahrung von Fahrzeugen.

Anderes könne dann anzunehmen sein, wenn der Verkäufer konkrete Anhaltspunkte dafür habe, dass das Fahrzeug undicht sei und deshalb durch die Abstellung im Freien besonderen Gefahren ausgesetzt werde. Mangels besonderer Vereinbarung habe es auch keine Pflicht der Beklagten gegeben, das bei ihr abgestellte Fahrzeug daraufhin zu untersuchen, ob es zwischenzeitlich witterungsbedingten Schaden genommen habe, und ggfls. deswegen Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Dies sei vielmehr Aufgabe der Käuferin.

Eine der wenigen obergerichtlichen Entscheidungen, die zu der seit dem 1.1.2022 geltenden Regelung des § 475d BGB im zurückliegenden Jahr ergangen und veröffentlich worden ist, ist die Entscheidung des OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.9.2023 – I-23 U 55/23. Auch in diesem Verfahren ging es um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages, welcher am 21.5.2022 zwischen der Klägerin als Verbraucherin und der Beklagten als Gebrauchtwagenhändlerin zustande gekommen war. Die Klägerin hatte der Beklagten am 7.6.2022 außergerichtlich Mängel am Fahrzeug angezeigt. Die Beklagte erklärte sich mit einer Untersuchung des Fahrzeuges und einer eventuell erforderlichen Reparatur einverstanden. Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.6.2022 wurde die Beklagte zur Reparatur des Kfz bis spätestens zum 28.6.2022 aufgefordert. Am 30.6.2022 erklärte der Prozessbevollmächtigte im Namen der Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Nach Auffassung des Landgerichts sei dieser Rücktritt jedoch nicht wirksam gewesen, da seitens der Klägerin keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt worden sei. Setze der Verbraucher dem Unternehmer tatsächlich eine Frist zur Nacherfüllung, so gelte diese Frist auch dann, wenn ein Fall des § 475d BGB vorliege. Es komme dann für den Beginn der Frist nicht auf die Unterrichtung der Beklagten über den Mangel i.S.d. § 475d Abs. 1 Nr. 1 BGB an, sondern auf den Erhalt des Schreibens mit der Nachfristsetzung. Falls diese Frist kürzer als die angemessene Frist sei, setze sie den Lauf einer angemessenen Frist in Gang. Da das Schreiben vom 15.6.2022 nicht vor dem 21.6.2022 zugegangen war und eine angemessene Frist im vorliegenden Fall seitens des Gerichts mit mindestens 14 Tagen bemessen wurde, sei zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung die Frist zur Nacherfüllung noch nicht abgelaufen.

Anders sah dies das OLG im Berufungsverfahren. Die Länge der angemessenen Frist i.S.d. § 475d Abs. 1 Nr. 1 BGB, welche seitens des OLG ebenfalls mit 14 Tagen bemessen wurde, richte sich danach, dass die Nacherfüllung objektiv möglich sei, wobei die kürzeste Frist als angemessen anzusehen sei, in der eine Nachbesserung oder Ersatzlieferung vorgenommen werden könne, und zwar unter Berücksichtigung der Art und der Komplexität der Waren, der Art und der Schwere der Vertragswidrigkeit sowie des für eine Nachbesserung oder Ersatzlieferung erforderlichen Aufwands. Aufgrund des angenommenen Fristbeginns am 7.6.2022 sei die Frist zwar bereits am 21.6.2022 abgelaufen. Allerdings habe die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 15.6.2022 eine Frist bis zum 28.6.2022 gesetzt, woran sie sich hier festhalten lassen müsse.

Zum Zeitpunkt ihrer Rücktrittserklärung mit Schreiben vom 30.6.2022 sei indes auch diese Frist bereits verstrichen gewesen. Denn soweit das LG darauf abstelle, dass Fristbeginn erst in dem Erhalt des Schreibens vom 15.6.2022 durch die Beklagte liege, könne dem nicht gefolgt werden. Zwar setze eine zu kurze Frist regelmäßig eine angemessene Frist in Gang. Dies könne allerdings dann nicht gelten, wenn es – im Sinne eines Verbraucherschutzes – hier gar keiner Fristsetzung bedurft hätte. In diesem Fall müsse sich der Verbraucher zwar an der von ihm selbst gesetzten Frist festhalten lassen; für die Bewertung der Angemessenheit der Fristlänge bleibe indes die Unterrichtung des Unternehmers vom Mangel gem. § 475d Abs. 1 Nr. 1 BGB maßgeblich.

Den Abschluss macht das AG Velbert, Urt. v. 19.12.2023 – 13 C 81/23. Hier begehrte die Klägerin die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen gebrauchten Pferdeanhänger. Den Rücktritt vom Kaufvertrag hatte die Klägerin erklärt, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 9.5.2023 außergerichtlich zur Nachbesserung aufgefordert worden war und sodann durch ihren späteren Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 22.5.2023 hatte schriftlich mitteilen lassen, dass nicht nur das Vorhandensein von Mängeln bestritten werde, sondern dass sich die Klägerin mit „einer solchen unverschämten Verhaltensweise“ selbst um die Möglichkeit einer gütlichen Einigung gebracht habe. Das Schreiben des Beklagtenvertreters schließt damit, dass er die Angelegenheit ausdrücklich als „ausgeschrieben“ ansehe.

Das Amtsgericht gab dem Rückabwicklungsbegehren statt. Insbesondere seien aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 22.5.2023 weitere Nachfristsetzungen nicht erforderlich gewesen (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Zwar könne in dem bloßen Bestreiten von Mängeln nicht ohne weiteres eine endgültige Nacherfüllungsverweigerung gesehen werden. Etwas anderes gelte aber dann, wenn neben dem Bestreiten des Vorhandenseins von Mängeln weitere Umstände hinzuträten, welche die Annahme rechtfertigten, dass der Schuldner über das Bestreiten der Mängel hinaus bewusst und endgültig die Erfüllung seiner Vertragspflichten ablehne und es damit ausgeschlossen erscheine, dass er sich von einer ordnungsgemäßen Nacherfüllungsforderung werde umstimmen lassen.

Solche besonderen Umstände seien im Entscheidungsfall gegeben. Insbesondere dürfe die verwendete Formulierung „ausgeschrieben“ aus objektiver Empfängersicht als letztes Wort der Beklagten in dieser Angelegenheit und damit als ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung angesehen werden. Abgesehen davon würde es auch dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) widersprechen, wenn die Beklagte, wie hier, durch ihr Verhalten und die Formulierung eines Anschreibens auf ein Nachbesserungsverlangen, einen Rücktritt gleichsam provoziere und sich später im Prozess erstmals darauf berufe, dass ihr die Kaufsache nicht am Erfüllungsort zum Zwecke der Überprüfung zur Verfügung gestanden habe. Denn wenn die Beklagte tatsächlich nacherfüllungsfähig und -bereit gewesen wäre, hätte nichts näher gelegen als die Klägerin nach Erhalt des Schreibens vom 9.5.2023 aufzufordern, ihr den Anhänger zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen am Erfüllungsort zur Verfügung zu stellen.

II.

Fazit

Bei der derzeitigen Dauer der obergerichtlichen Rechtsstreitigkeiten ist es nicht verwunderlich, dass bislang kaum Entscheidungen zum „neuen Kaufrecht“ ergangen bzw. veröffentlicht worden sind. Die hier vorgestellte Entscheidung des OLG Düsseldorf dürfte jedoch ein erster Vorbote für hoffentlich noch viele weitere Entscheidungen im Jahr 2024 sein, die die derzeit sicherlich noch bestehenden Unsicherheiten in der anwaltlichen Praxis hinsichtlich der Anwendbarkeit der neuen gesetzlichen Normen beseitigen werden.

Markus Schroeder, RA und FA für VerkR und VersR, Velbert

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