Der Antrag auf (vorläufige) Festsetzung des Gegenstandswerts gemäß § 33 Abs. 1 RVG kann nicht auf das Recht auf Vorschuss gemäß § 9 RVG gestützt werden.
I. Sachverhalt
Der Rechtsanwalt hat Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein gegen den Kläger ergangenes Urteil eines FG eingelegt und diese begründet. Nun hat er auch beantragt, den Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren nach §§ 9, 33 RVG vorläufig festzusetzen. Zur Begründung führte er an, die Anwaltskosten müssten vorschussweise geltend gemacht werden. Das Rechtsschutzbedürfnis für seinen Antrag ergebe sich aus §§ 9, 33 RVG. Jedes Gericht setze den Gegenstandswert für seine Instanz gesondert fest. Der BFH hat den Antrag abgelehnt. Der Antrag auf vorläufige Festsetzung des Gegenstandswerts sei unzulässig.
II. Entscheidung
Nach § 33 Abs. 1 RVG setze das Gericht des Rechtszugs auf Antrag den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit durch Beschluss selbstständig fest, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richten oder wenn es an einem solchen Wert fehle. Nach Abs. 2 der Vorschrift sei der Antrag erst zulässig, wenn die Vergütung fällig sei.
Danach sei eine Wertfestsetzung bereits deshalb ausgeschlossen, weil es an der Fälligkeit der Vergütung fehle. Gemäß § 8 Abs. 1 RVG sei die Vergütung fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet sei bzw. – sofern der Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren tätig werde – wenn eine Kostenentscheidung ergangen oder der Rechtszug beendet sei oder wenn das Verfahren länger als drei Monate ruhe. Hieran fehlt es bei dem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann der Antrag nicht auf das Recht auf Vorschuss gemäß § 9 RVG gestützt werden. Daraus, dass der Prozessvertreter gemäß § 9 RVG einen Vorschuss verlangen könne folge nicht, dass für diese Zwecke ein Wert festzusetzen sei, denn der Prozessbevollmächtigte könne den aus seiner Sicht zutreffenden Wert zugrunde legen und danach den Vorschuss verlangen.
Zudem komme die vom Antragsteller begehrte Festsetzung des Gegenstandswerts nach § 33 Abs. 1 RVG nicht in Betracht, weil sich die Anwaltsgebühren im Streitfall nach dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert berechnen und es an einem solchen Wert – auch ohne gerichtliche Festsetzung – nicht fehle (vgl. BFH, Beschl. v. 15.12.2014 – VII S 37/14; v. 29.9.2010 – VI S 6/10).
Nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG sind bei der Bemessung des Gegenstandswerts für das gerichtliche Verfahren die Wertvorschriften für die Gerichtsgebühren heranzuziehen. Nach § 52 Abs. 1 GKG bemisst sich der Streitwert in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Sache. Dabei entspreche der Streitwert des Verfahrens über eine Nichtzulassungsbeschwerde regelmäßig dem Streitwert des vorangegangenen Klageverfahrens. Maßgebend sei grundsätzlich der im Urteil des FG wiedergegebene Klageantrag, wie er in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt worden sei (vgl. BFH, Beschl. v. 29.2.2012 – IV E 1/12). Allerdings dürfe der Streitwert nicht unter einem Mindestbetrag von 1.500 EUR (§ 52 Abs. 4 GKG) angenommen werden (vgl. BFH, Beschl. v. 29.9.2010 – VI S 6/10).
III. Bedeutung für die Praxis
1. Der BFH hat über den Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts nach § 33 Abs. 1 RVG durch eines der Senatsmitglieder als Einzelrichter entschieden (§ 33 Abs. 8 RVG, vgl. z.B. BFH, Beschl. v. 15.12.2014 – VII S 37/14; BGH, Beschl. v. 11.4.2023 – I ZB 55/22).
2. Die Ausführungen des BFH zu den Auswirkungen des Vorschussanspruchs des Rechtsanwalts auf die vorläufige Festsetzung des Gegenstandswertes entsprechen der h.M. in Rechtsprechung und Literatur (LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 23.3.2006 – 2 Ta 54/06, NZA-RR 2006, 320 = NZA 2006, 1007; Rahm/Künkel, Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht, Kap. 14, B. Verfahrenswert Rn 202; Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Teil A Rn 1020; Toussaint/Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl., 2023, § 33 RVG Rn 18). Der Rechtsanwalt muss also den aus seiner Sicht zutreffenden Wert zugrunde legen und danach seinen Vorschuss berechnen und verlangen (s. auch LG Schleswig-Holstein, a.a.O.).