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Keine Haftung aus Betriebsgefahr bei reiner Arbeitsfunktion eines Kfz

1. Ein Schaden ist bei dem Betrieb eines Kfz entstanden, wenn sich in ihm die vom Kfz ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen durch das Kfz mitgeprägt worden ist.

2. Bei einem Kfz mit Arbeitsfunktion ist es erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kfz als eine der Fortbewegung und dem Transport dienende Maschine besteht.

3. Wird ein Kfz mit Arbeitsfunktion eingesetzt, kann dabei zu berücksichtigen sein, ob der Arbeitseinsatz auf oder in örtlicher Nähe zu einer Straßenverkehrsfläche oder aber dagegen auf einem Privatgelände stattfindet.

4. Wird durch ein Leck in der Dieselleitung eines „Traubenvollernters“ ein Schaden bei den geernteten Trauben als Ladung verursacht, scheidet eine Haftung aus der Betriebsgefahr aus, wenn das Fahrzeug sich lediglich während der Arbeitsfunktion (Ernte) auf einem privaten Gelände fortbewegt und die Arbeitsfunktion im Vordergrund steht.

BGH, Urt. v. 18.7.2023VI ZR 16/23

I. Sachverhalt

Kontaminierung der Trauben durch Leck in der Dieselleitung ohne Verschulden

Der Beklagte ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Lohnunternehmens und Halter eines Traubenvollernters. Er wurde von der Klägerin beauftragt, mit dem Traubenvollernter an ihrem Weinberg sogenannte Weinlesearbeiten vorzunehmen, die der Aufnahme der Traubenernte dienten. Während der Arbeiten auf diesem Privatgelände wurde ein Leck in der Dieselleitung des Kfz festgestellt, welches zu einer Kontaminierung der geernteten Trauben mit Dieselkraftstoff geführt hat. Bei dieser Schadensverursachung konnte das Berufungsgericht ein Verschulden auf der Beklagtenseite nicht feststellen, so dass der BGH lediglich über eine mögliche Haftung aus Betriebsgefahr zu entscheiden hatten.

Haftung aus Betriebsgefahr zwar weit gefasst

Während das Berufungsgericht eine Haftung aus Betriebsgefahr bejaht hat, wurde diese vom BGH verneint. Zwar wäre der Haftungsbereich aus der Betriebsgefahr des Fahrzeuges grundsätzlich weit auszulegen und ein Schaden bereits dann bei dem Betrieb eines Kfz entstanden, wenn sich in ihm die vom Kfz ausgehende Gefahr ausgewirkt hatte und bei wertender Betrachtung ein Schadensgeschehen durch das Kfz zumindest mitgeprägt worden ist. Dafür muss die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung stehen.

Weitere Anforderungen bei Einsatz als Arbeitsmaschine

Wenn, wie hier, allerdings das Kfz als Arbeitsmaschine eingesetzt wird, ist es erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kfz als eine der Fortbewegung und dem Transport dienende Maschine bejaht wird. Eine Haftung aus der Betriebsgefahr des § 7 Abs. 1 StVG entfällt dagegen, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kfz keine Rolle mehr spielt und dieses nur als Arbeitsmaschine eingesetzt wird. Gleiches gilt bei Schäden, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht hat.

Schutzzweck gesondert zu prüfen

Grundsätzlich kommt es für eine Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG nicht darauf an, ob der Schaden auf einem Privatgelände eingetreten ist. Wenn es allerdings wie ein Kfz mit einer Arbeitsfunktion eingesetzt wird, ist unter Schutzzweckgesichtspunkten durchaus zu prüfen, ob der Arbeitseinsatz auf oder in örtlicher Nähe zu einer Straßenverkehrsfläche stattfindet. Wenn sich das Unfallgeschehen weder auf einer öffentlichen noch einer privaten Verkehrsfläche ereignet, kann eine Haftung aus Betriebsgefahr zu verneinen sein, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kfz lediglich dem Bestellen einer landwirtschaftlichen Fläche oder vergleichbaren Arbeiten dient.

Ernte der Trauben als Arbeitsmaschine war der maßgebliche Vorgang

Der vorliegende Fall war dadurch gekennzeichnet, dass es sich bei dem Traubenvollernter um eine fahrbare Arbeitsmaschine handelt, die die Trauben von den Rebstöcken löst und sie zur kurzfristigen Aufbewahrung in einen Behälter befördert und gleichzeitig immer weiter an den Rebstöcken entlangfährt und dabei einen stetigen Ortswechsel wahrnimmt. Es handelt sich dabei nach Ansicht des BGH also um eine Arbeitsmaschine, die gerade während der Fahrt bestimmungsgemäße Arbeiten verrichtet. Eine Haftung aus Betriebsgefahr könne vor diesem Hintergrund nicht schon mit dem Argument bejaht werden, dass sich das Fahrzeug während der Arbeitsfunktion fortbewegen würde. Im Rahmen der entscheidenden Gesamtbetrachtung ist auch der konkrete Einsatzbereich dieses „Traubenvollernters“ einzubeziehen. Wenn dabei auch bedacht wird, dass hier das Unfallgeschehen weder auf einer öffentlichen noch einer privaten Verkehrsfläche, sondern im Weinberg der Klägerseite ereignete und die Fortbewegungsfunktion des Traubenvollernters während des Einsatzes lediglich der Ernte der Trauben diente, ist eine Haftung aus der Betriebsgefahr zu verneinen – hier besteht nämlich die Arbeitsfunktion der Maschine im Vordergrund.

III. Bedeutung für die Praxis

Entscheidend: Funktion als Arbeitsmaschine im Vordergrund

Der BGH hat in diesem Fall eine weitere richtungsweisende Entscheidung getroffen, die insbesondere aufzeigt, dass die besondere Funktion eines Kfz als Arbeitsmaschine zu beachten ist und bei der Prüfung einer Haftung aus Betriebsgefahr dem Fall eine ganz andere Wendung geben kann. Auch wenn grundsätzlich die Haftung aus der Betriebsgefahr weit zu verstehen ist, gibt es bei einem Einsatz als Arbeitsmaschine weitere Restriktionen, die der BGH anschaulich mit dieser weiteren Grundsatzentscheidung darlegt. Dient eine Fortbewegung lediglich dem Einsatz als Arbeitsmaschine, ergibt sich für eine wertende Betrachtung einer andere Schwerpunktsetzung und im Zweifelsfall besteht keine Haftung aus der Betriebsgefahr, solange die Fortbewegungs- und Transportfunktion nicht im Vordergrund steht.

Bei Arbeitsmaschinen ist auch zu beachten, ob der Schaden aus einer privaten Verkehrsfläche eintritt

Dabei kann es auch zu berücksichtigen sein, in welchem Bereich der Schadensfall eintritt – wenn sich das Unfallgeschehen weder auf einer öffentlichen noch einer privaten Verkehrsfläche ereignet, ist dies ein weiteres Indiz dafür, dass die im Rahmen der vorzunehmenden wertenden Gesamtbetrachtung eine Haftung aus Betriebsgefahr dem Schutzzweck nach nicht eingreift. Dies zumindest dann, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kfz lediglich dem Einsatz als Arbeitsmaschine dient und damit untrennbar verbunden ist.

RA Dr. Michael Nugel, FA für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, Essen

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