1. Nach den AKB 2015 ist eine Mehrwertsteuer in der Kaskoversicherung nur zu erstatten, wenn und soweit diese für den Versicherungsnehmer bei der von ihm gewählten Schadensbeseitigung tatsächlich angefallen ist.
2. Eine solche Mehrwertsteuer ist nicht angefallen, wenn schon Monate vor dem Unfallereignis ein Nachfolgefahrzeug im Rahmen einer Fahrzeugfinanzierung bestellt worden ist, der Vertrag dann wegen Lieferschwierigkeiten für eine Bereitstellung des Ersatzfahrzeuges verlängert wird und in der Zwischenzeit vor der Lieferung des Ersatzfahrzeuges der Versicherungsfall eintritt. (Leitsätze des Verfassers)
I. Sachverhalt
Ersatzfahrzeug schon vor dem Unfall bestellt, aber danach ausgeliefert
Die Klägerin nahm die Beklagte als Vollkaskoversicherer nach einem Verkehrsunfall in Anspruch und rechnete auf Basis eines Totalschadens konkret auf Basis der Kosten für die Ersatzbeschaffung eines finanzierten Fahrzeuges ab. Die Klägerin hatte vor dem Unfallereignis bereits ein Ersatzfahrzeug bestellt. Aufgrund von Lieferschwierigkeiten konnte dieses zu dem ursprünglich vereinbarten Termin, der vor dem Unfallereignis gelegen hatte, nicht geliefert werden und daraufhin verlängerte die Klägerin im Rahmen einer Anschlussfinanzierung den laufenden Finanzierungsvertrag für das später verunfallte Fahrzeug. Der Verkehrsunfall ereignete sich dann vor der Auslieferung des neu bestellten Ersatzfahrzeuges. Nach dessen Auslieferung verlangte die Klägerin einen Ersatz einschließlich der bei der Ersatzbeschaffung anfallen und gesondert ausgewiesenen Mehrwertsteuer.
Die beklagte Vollkaskoversicherung vertrat jedoch den Standpunkt, dass zum einen wegen der bestehenden Übereignung an die finanzierende Bank auf deren wirtschaftliche Verhältnisse im Fall eines wirtschaftlichen Totalschadens abzustellen wäre und zum anderen auch die Voraussetzungen für die Erstattung der Mehrwertsteuer nicht gegeben wären: Nach Ziff. A.2.5.4 der AKB 2015 war „eine Mehrwertsteuer nur zu erstatten, wenn und soweit diese für den Versicherungsnehmer bei der von ihm gewählten Schadensbeseitigung tatsächlich angefallen ist.
II. Entscheidung
Unfall muss kausal für Bestellung eines Ersatzfahrzeugs gewesen sein
Das AG hat sich der Auffassung der Beklagtenseite angeschlossen und dabei offengelassen, ob in diesem Zusammenhang tatsächlich eine Vorsteuerabzugsberechtigung der finanzierenden Bank bejaht und alleine deswegen eine Mehrwertsteuer nicht zu erstatten sein könnte. Denn seitens des Gerichtes wurde davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Erstattung der Mehrwertsteuer nach der oben genannten Klausel nicht gegeben wären. Aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers wäre die Formulierung in den AKB „bei der Schadensbeseitigung“ nur dann erfüllt, wenn der Anfall der Mehrwertsteuer kausal durch das versicherte Ereignis, d.h. hier konkret den Unfall, verursacht worden wäre. Eine solche Kausalität hat das Amtsgericht jedoch abgelehnt, da eine Bestellung des Fahrzeuges schon vor dem Unfallereignis als neues Fahrzeug erfolgt wäre. Die Mehrwertsteuer für das neu erworbene Fahrzeug wäre jedoch in jedem Fall angefallen, auch wenn es nicht zu dem Verkehrsunfall gekommen wäre.
Insoweit könne auch dahinstehen, ob die Klägerin zum Unfallzeitpunkt für eine Bestellung des Fahrzeuges noch hätte zurücktreten können. Zum einen wäre weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Klägerin tatsächlich hätte zurücktreten wollen. Zum anderen wäre es eine bloß hypothetische Fallgestaltung, die bei der Beurteilung einer Kausalität ohnehin außer Betracht zu bleiben hätte.
III. Bedeutung für die Praxis
Klausel ist auszulegen
Das AG hatte sich mit einer interessanten Konstellation zu beschäftigen, die angesichts der immer häufiger auftretenden Lieferschwierigkeiten bei der Erstattung der Mehrwertsteuer von einigem Gewicht für die Praxis sein dürfte. Nach Sinn und Zweck der hier betroffenen Klausel spricht in der Tat vieles dafür, den vom Amtsgericht angeforderten Kausalzusammenhang zu fordern und im vorliegenden Einzelfall bei einer früheren Bestellung vor dem Unfallereignis eine Ersatzpflicht zu verneinen. Wer jedoch die Klausel so auslegt, dass es auf den tatsächlichen Anfall der Mwst alleine abgestellt wird, kann auch die Ansicht vertreten, dass hier eine Erstattung vorzunehmen wäre.
Steuerrechtlicher Status des LN kann im Reparaturfall entscheidend sein
Offengelassen hat das AG, ob und in welchem Umfang im Rahmen einer Finanzierung des Fahrzeuges und der damit verbundenen Übereignung an die finanzierende Bank überhaupt bei einem Totalschadensfall eine Mehrwertsteuer zu erstatten sein kann. Im Reparaturfall jedenfalls spricht vieles dafür, dass aufgrund der Verpflichtung des Darlehens- oder Leasingnehmers, das Fahrzeug in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten, auch auf seine Verhältnisse bei der Erstattung der Mehrwertsteuer bei den Reparaturkosten abzustellen ist. Dieser Sachverhalt liegt jedoch bei einem Totalschadensfall anders und zumindest bei einem Leasingfahrzeug tendiert die herrschende Meinung dazu, auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Leasinggesellschaft abzustellen, die vorsteuerabzugsberechtigt ist (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 16.11.2004 – 10 U 186/04; OLG München, Urt. v. 23.1.2015 – 10 U 1620/14; andere Ansicht: OLG Hamm, Urt. v. 14.9.2000 – 27 U 84/00). Höchstrichterlich entschieden ist dieser Gesichtspunkt allerdings weder für das Schadensersatzrecht noch die Auslegung einer Klausel auf Erstattung der Mehrwertsteuer in der Kaskoversicherung.