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Zum Nutzungsausfall bei einem Sportwagen

1. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der vorübergehenden Entziehung der Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs besteht nicht, wenn dem Geschädigten ein weiteres Fahrzeug zur Verfügung steht, dessen ersatzweise Nutzung ihm zumutbar ist.

2. Die Unzumutbarkeit der Nutzung des weiteren Fahrzeugs lässt sich nicht mit dem Argument begründen, dass das Fahrzeug, dessen Nutzung vorübergehend entzogen ist, gegenüber dem Zweitfahrzeug eine höhere Wertschätzung des Geschädigten erfahre, etwa weil ihm ein höheres Prestige zukomme, es ein anderes Fahrgefühl vermittle oder den individuellen Genuss erhöhe. (Leitsätze des Verfassers)

BGH, Urt. v. 11.10.2022VI ZR 35/22

I. Sachverhalt

BMW statt Porsche nutzbar

Die Klägerin wollte mit ihrem Sportwagen vom Typ Porsche Turbo Cabrio in den Urlaub an den Gardasee fahren, wurde hieran jedoch gehindert, da augenscheinlich ein Nachbar bewusst die Ausfahrt ihres Grundstücks mit seinem Fahrzeug blockiert hat. Sie musste daher nach eigenen Angaben den Urlaub mit einem weiteren, in ihrem Besitz befindlichen Fahrzeug, einem BMW 3er Kombi, antreten und begehrte nun von dem Beklagten Schadensersatz in Form eines Nutzungsausfalls, da sie ihren Sportwagen nicht hätte nutzen können und dieser im Übrigen als Cabrio am Gardasee in Italien ein ganz anderes „Fahr- und Freizeitgefühl“ vermittelt hätte.

II. Entscheidung

Rechtsgutsverletzung und Nutzungsausfall grds. denkbar

Wie auch schon die Instanzgerichte hat der BGH diesen Anspruch im Ergebnis abgelehnt. Zwar würde vorliegend eine schuldhafte Störung des unmittelbaren Besitzes vorliegen, die eine entsprechende Rechtsgutverletzung und einen Anspruch aus § 823 BGB nach sich ziehen könnte. Grundsätzlich würde auch bei dem Fortfall der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeuges ein Anspruch auf Nutzungsausfall bestehen, da die Gebrauchsmöglichkeiten des Kfz ein vermögenswertes Gut darstellen.

Entscheidend: Erhebliche Beeinträchtigung der alltäglichen Lebensführung

Entsprechend dem schadensersatzrechtlichen Grundsatz des Bereicherungsverbotes ist die Anerkennung einer Nutzungsausfallentschädigung nach Ansicht des BGH allerdings davon abhängig, dass der Eigentümer das Fahrzeug nicht nur nutzen wollte und hierzu in der Lage gewesen wäre, sondern auch die Entbehrung der Nutzung deshalb erheblich und fühlbar gewesen sei, da der Geschädigte das Fahrzeug mangels eines weiteren Kfz für seine alltägliche Lebensführung wirklich gebraucht hätte. Dementsprechend fehlt es an einem solchen fühlbaren Nutzungsausfall, wenn dem Geschädigten ein weiteres Fahrzeug zur Verfügung steht und dies war vorliegend bei der Klägerin der Fall. Demgegenüber wäre die Unzumutbarkeit der Nutzung eines weiteren Fahrzeuges nicht damit zu begründen, dass das ausgefallene Fahrzeug gegenüber dem Zweitfahrzeug eine höhere Wertschätzung des Geschädigten erfahren, weil es ein anderes Fahrgefühl vermitteln, den individuellen Fahrgenuss erhöhen der dem Fahrzeug ein höheres Prestige zukommen würde. Denn diese genannten Gesichtspunkte betreffen nicht die alltägliche Lebensführung und entziehen sich daher einer vermögensrechtlichen Bewertung.

III. Bedeutung für die Praxis

Fahrgefühl und Prestige betreffen keine erhebliche Einschränkung im Alltag

Der BGH setzt konsequent seine Rechtsprechung zu einem Nutzungsausfall im Hinblick auf die Verfügbarkeit eines zweiten Fahrzeuges fort und betont noch einmal, dass unter dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot das Vorhandensein eines Zweitfahrzeuges ein Nutzungsausfall entgegensteht (zu den Grundsätzen vgl. BGHZ 217, 218; BGH, Urt. v. 23.1.2018 – VI ZR 57/17). Damit hat sich für den vorliegenden Fall nur die Frage gestellt, ob ein erheblicher Unterschied wegen eines „Fahrgefühls“ bzw. „Prestige“ geeignet ist, einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Ausgehend von der Prämisse, dass ein reiner Vermögensschaden aus § 823 BGB nicht geschuldet wird, ist vorliegend ein solcher Ersatzanspruch konsequent abgelehnt worden. Dabei ist auch zu beachten, dass die Grundlage für einen Anspruch auf Nutzungsausfall darin liegt, dass ein Fahrzeug, welches für die alltägliche Lebensführung von Bedeutung ist, tatsächlich nicht genutzt werden kann – nach diesem Maßstab fehlt allerdings bei dem Vorhandensein eines Zweitfahrzeuges ein spürbarer Nachteil und darüber hinausgehende immaterielle Werte werden dann konsequent nicht geschützt.

RA Dr. Michael Nugel, FA für VerkehrsR und VersR, Essen

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