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VRR-Kompakt 2023_02

Parkplatz: Vorfahrtsregel

Die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO („rechts vor links“) findet auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung weder unmittelbar noch im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung, soweit den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger Straßencharakter zukommt.

BGH, Urt. v. 22.11.2022 – VI ZR 344/21

Corona-Pauschale des Sachverständigen: Erstattung

Verlangt der Geschädigte eines Verkehrsunfalls vom Schädiger die Freistellung von der Honorarforderung des von ihm mit der Erstellung eines Schadensgutachtens beauftragten Sachverständigen, richtet sich sein Anspruch grundsätzlich und bis zur Grenze des Auswahl- und Überwachungsverschuldens danach, ob und in welcher Höhe er mit der Verbindlichkeit, die er gegenüber dem Sachverständigen eingegangen ist, beschwert ist. Jedenfalls in diesem Fall des Freistellungsantrags ist auch für die schadensrechtliche Betrachtung (§ 249 BGB) des Verhältnisses zwischen Geschädigtem und Schädiger die werkvertragliche Beziehung (§§ 631 ff. BGB) zwischen Geschädigtem und Sachverständigem maßgeblich.

BGH, Urt. v. 13.12.2022 – VI ZR 324/21

Überholverbot: Schutz des Gegenverkehrs

Das Verbot, an unübersichtlicher Stelle zu überholen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 StVO), dient nicht nur dem Schutz des Gegenverkehrs, sondern auch des zu überholenden Verkehrsteilnehmers, der ebenfalls durch ein gegen § 5 Abs. 2 Satz 1 StVO verstoßendes Überholen gefährdet werden kann.

OLG Saarbrücken, Urt. v. 15.12.2022 – 4 U 136/21

Dieselfall: Schadensersatz

Der Geschädigte ist auf der Grundlage der §§ 826, 31, 249 Abs. 1 BGB in den „Dieselfällen“ nicht darauf beschränkt, gegen die Erstattung des Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung und sonstiger Vorteile die Kaufsache herauszugeben. Der Geschädigte kann vielmehr die Kaufsache behalten und als Schaden den Betrag ersetzt verlangen, um den er das Fahrzeug zu teuer erworben hat, wobei es grundsätzlich auf den Vergleich der Werte von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt.

BGH, Urt. v. 1.12.2022 – VII ZR 492/21

Elektronisches Dokument: Eingang bei Gericht

Ein über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereichtes elektronisches Dokument ist erst dann gemäß § 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO wirksam bei dem zuständigen Gericht eingegangen, wenn es auf dem gerade für dieses Gericht eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) gespeichert worden ist. An die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen per beA sind keine geringeren Anforderungen zu stellen als bei der Übermittlung von Schriftsätzen per Telefax (hier: Übermittlung der Berufungsbegründung an falschen Empfänger).

BGH, Beschl. v. 30.11.2022 – IV ZB 17/22

beA: Unverzügliche Darlegung vorübergehender Probleme

Ist es dem Rechtsanwalt bereits im Zeitpunkt der Ersatzeinreichung eines Schriftsatzes möglich, die vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung des Dokuments darzulegen und glaubhaft zu machen, hat dies mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen; in diesem Fall genügt es nicht, wenn der Rechtsanwalt die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung nachträglich darlegt und glaubhaft macht.

BGH, Beschl. v. 17.11.2022 – IX ZB 17/22

Elektronisches Dokument: Vollstreckungsauftrag

Vollstreckungsaufträge nach § 7 JBeitrG sind seit dem 1.1.2022 gem. §§ 130d, 130a ZPO elektronisch zu übermitteln. Sie stellen nur dann eine titelersetzende Vollstreckungsgrundlage dar, wenn sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortlichen Person oder in elektronisch beglaubigter Abschrift übermittelt werden (Fortschreibung BGH, Beschl. v. 18.12.2014 – I ZB 27/14). Eine Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg mit nur einfacher Signatur, als Scan, oder die parallele Einreichung in konventioneller Form genügen nicht.

AG Düsseldorf, Beschl. v. 2.1.2023 – 660 M 1439/22

Gefährdung des Straßenverkehrs: Rechtsfahrgebot

Wer sich sieben Wochen in einem Land mit Linksverkehr aufhielt, handelt regelmäßig lediglich aus Unachtsamkeit und nicht rücksichtslos, wenn er bei seiner ersten Fahrt in Deutschland gegen das Rechtsfahrgebot verstößt.

OLG Zweibrücken, Beschl. v. 28.11.2022 – 1 OLG 2 Ss 34/22

Geschwindigkeitsüberschreitung: Messung durch nachfahrendes Motorrad

Die Geschwindigkeitsmessung mittels des ProVida-Systems durch ein während des Messvorgangs in Schrägfahrt nachfahrendes Polizeimotorrad genügt nicht den Anforderungen, welche an ein standardisiertes Messverfahren zu stellen sind.

OLG Hamm, Beschl. v. 9.1.2023 – 5 RBs 334722

Einspruchsbeschränkung: Beschränkung nach richterlichem Hinweis

Die nachträgliche Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid auf die Rechtsfolgen ist auch nach richterlichem Hinweis auf möglicherweise vorsätzliches Handeln wirksam.

OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 24.11.2022 – 2 Ss-OWi 1149/22

Beweisantrag: Beifahrer.

Soll durch den Antrag auf Vernehmung des Beifahrers das Ergebnis einer Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren erschüttert werden, wird die Beweiserhebung regelmäßig gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt werden können. Etwas anderes gilt für nicht die Geschwindigkeitsmessung selbst betreffende entscheidungserhebliche Tatsachen (hier: Wahrnehmbarkeit der Beschilderung), die allein auf der Aussage des Messbeamten beruhen.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.12.2022 – 2 Rb 35 Ss 587/22

Einsicht in Unterlagen: Beschilderungsplan

Der sog. Beschilderungsplan ist ein notwendiges Beweismittel, welches unabdingbar für die Prüfung des Vorliegens einer Ordnungswidrigkeit erforderlich ist. In ihm ist daher Einsicht zu gewähren.

AG Vechta, Beschl. v. 21.10.2022 – 93 OWi 234/22

Auswärtiger Verteidiger in Bußgeldsachen: Erstattungsfähige Reisekosten

Die zivilgerichtliche Rechtsprechung zur begrenzten Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts ist auf Straf- und Bußgeldsachen nicht übertragbar. Vielmehr sind – weiterhin – Reisekosten eines nicht am Sitz des Prozessgerichts ansässigen (Wahl-)Verteidigers nur dann erstattungsfähige notwendige Auslagen, wenn dieser auch zum notwendigen Verteidiger hätte bestellt werden müssen oder seine Hinzuziehung aus besonderen Gründen (schwierige Rechtsmaterie, besonderes Vertrauensverhältnis o.Ä.) erforderlich war. Wenn in einer einfachen Bußgeldsache der Kontakt zwischen Betroffenen und Verteidiger ausschließlich schriftlich bzw. per Telekommunikationsmittel stattfindet, sind die Reisekosten auch nicht in Höhe einer fiktiven Informationsfahrt des Betroffenen zu einem Rechtsanwalt am Sitz des Prozessgerichts erstattungsfähig.

LG Hildesheim, Beschl. v. 12.12.2022 – 22 Qs 18/22

Zusätzliche Verfahrensgebühr: Absprache eines Strafbefehls

Nr. 4141 VV RVG ist analog auf den Fall anzuwenden, dass der Verteidiger mit der Staatsanwaltschaft noch vor Anklageerhebung vereinbart, dass ein Strafbefehl ergehen soll, der vom Beschuldigten akzeptiert wird, und das dann umgesetzt wird.

LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 16.1.2023 – 12 Qs 76/22

Aktenversendungspauschale: Fehlende Unterlagen

Die Aktenversendungspauschale gern. § 107 Abs. 5 OWiG fällt nur bei Übersendung der vollständigen Originalakte an. Daher kann die Aktenversendungspauschale nicht erhoben werden, wenn Unterlagen, die dem Betroffenen zur Verfügung zu stellen sind, wie z.B. der Beschilderungsplan, nicht übersandt werden.

AG Vechta, Beschl. v. 21.10.2022 – 93 OWi 234/22

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