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Keine Erhöhung der Regelgeldbuße bei einem Verstoß mit einem SUV

Ein Rotlichtverstoß mit einem SUV rechtfertigt allein keine Erhöhung der Geldbuße. (Leitsatz des Verfassers)

OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.9.20223 Ss-OWi 1048/22

I. Sachverhalt

Rotlichtverstoß mit SUV

Das AG hat den Betroffenen wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße von 350 EUR (Regelsatz nach Nr. 132.3 BKat: 200 EUR) verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Die Erhöhung der Geldbuße wurde damit begründet, dass der Betroffene bei der Tat einen SUV fuhr. Die zugelassene Rechtsbeschwerde blieb im Ergebnis erfolglos.

II. Entscheidung

Ausgangspunkt

Im Ausgangspunkt sei das Abstellen auf eine durch das Gericht dem Betroffenen zugerechnete, gegenüber gewöhnlichen Tatumständen größere abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht zu beanstanden. Maßgeblich für die Höhe der Geldbuße sei gem. § 17 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. OWiG die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit. Dabei seien der Grad und Maß der Gefährdung der geschützten Rechtsgüter oder Interessen (OLG Düsseldorf VRS 72, 120 (122); KG DAR 2020, 394) regelmäßig wichtiger Bestandteil des Tatbildes. Ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelverwertung sei hierin nicht zu erblicken. Zwar handele es sich hier um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Vorliegend stelle das AG jedoch nicht allein auf den Umstand der abstrakten Gefährdung als solchen, sondern deren Maß ab. Gleichwohl sei die hier durch das erkennende Gericht vorgenommene Erhöhung der im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regelbuße mit der vorgenannten Argumentation rechtsfehlerhaft. Sie rechtfertige eine Abweichung vom Regelsatz nicht. Der Bußgeldkatalog habe die Qualität eines für Gerichte verbindlichen Rechtssatzes (BGHSt 38, 125 = NJW 1992, 446). Er diene der gleichmäßigen Behandlung sehr häufig vorkommender, wesentlich gleichgelagerter Sachverhalte und soll hierdurch auch dem Gebot der Gerechtigkeit dienen. Der Katalog solle eine Schematisierung herbeiführen, was impliziert, dass (kaum abwägbare) besondere Umstände des Einzelfalls zurücktreten. Zwar handele es sich bei ihm um eine Zumessungsrichtlinie, die die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zulässt (BVerfG NJW 1996, 1809; BGHSt 43, 241 = NJW 1997, 3252). Auch folge bereits aus § 17 OWiG, insbesondere Abs. 3, dass die im Bußgeldkatalog umschriebenen Umstände keinen enumerativen Charakter aufweisen.

„SUV“ als Begründung genügt nicht

Aufgrund des vorgenannten Zwecks rechtfertige indes lediglich ein deutliches Abweichen vom Normalfall betreffend die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit oder die Vorwerfbarkeit eine Abweichung vom Bußgeldkatalog. Sind hingegen außergewöhnliche, besondere Umstände hinsichtlich der Tatausführung und der Person des Täters nicht gegeben, dürfe nicht abgewichen werden (OLG Stuttgart DAR 2019, 103). Ferner habe der Verordnungsgeber in Ziff. 132 ff. BKat hinsichtlich des hier konkret in Rede stehenden Verstoßes sowohl zwischen verschiedenen Fahrzeugtypen als auch zwischen dem Fehlen, dem Eintritt einer (konkreten) Gefährdung und einer Sachbeschädigung differenziert. Diese Typisierung hätte das Gericht in besonderem Maße zur Prüfung veranlassen müssen, ob eine deutliche Abweichung zu allen normierten Typen besteht. So spreche indiziell gegen das Vorliegen einer deutlichen Abweichung aufgrund einer erhöhten abstrakten Gefährdung durch einen „SUV“ bereits, dass dem Verordnungsgeber sowohl das Differenzierungskriterium der Gefährdung als auch des Fahrzeugtyps bekannt war, er sich aber zu der Schaffung einer diesbezüglich spezifischen Regelbuße nicht veranlasst sah. Indem das AG lediglich von einer „größeren“ abstrakten Gefährdung bzw. einer „erhöhten“ Verletzungsgefahr spricht, sei eine deutliche Abweichung vom Normalfall gerade nicht dargetan.

Eingehende Feststellungen erforderlich

Selbst wenn man aber das Gericht dahingehend verstände, dass es meint, eine abstrakte Gefährdung in einem Maß festgestellt zu haben, dass darin besondere außergewöhnliche Umstände zu erblicken sind, begegne das Urteil durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Dabei gebiete das Erfordernis der deutlichen Abweichung vom Normalfall die Feststellung außergewöhnlicher, besonderer Umstände eine über die Benennung eines diffusen Fahrzeugtyps oder Modells hinausgehender Betrachtung des Einzelfalls. Es sei zunächst zu ergründen, welches allgemein die wesentlichen gefährdungsrelevanten Charakteristika sind. Sodann seien diese für das Betroffenen-Fahrzeug zu ermitteln, was beispielsweise auch aufgrund deren tatsächlicher Verbreitung besondere Sicherheitssysteme, wie fußgängerschützende Bremsassistenten, miteinschließt. Die bloße Bezeichnung als „SUV“ zeitige einen Begründungsmangel., da dieser nicht näher bestimmt wird. Eine einheitliche Definition fehle. Als taugliches Kriterium scheide beispielsweise die Masse aus, da auch „Pkw herkömmlicher Bauart“ mitunter bis zu zwei Tonnen und mehr wiegen, und beispielsweise ein vom Hersteller Suzuki als SUV angebotenes Modell Jimny aber nur ca. 1075 kg wiegt. Ähnliches gelte für die Fahrzeugmaße. Selbst wenn man aber eine eher phänotypische Definition wählte (beispielsweise Bodenfreiheit und Höhe), nehme sich die Gruppe der „SUV“ so heterogen aus, dass ein Schluss von der Gruppenzugehörigkeit auf gefahrrelevante Umstände nicht möglich erscheine – jedenfalls nicht als allgemeinkundig qualifiziert werden könnte. Die vom Gericht in seiner Bußgeldzumessung zugrunde gelegte Feststellung, dass SUV gegenüber Pkw üblicher Bauweise für andere Verkehrsteilnehmer eine erhöhte Verletzungsgefahr begründen, sei keineswegs allgemeinkundig, sondern Gegenstand von Untersuchungen mit diametralen Ergebnissen betreffend die Gefährlichkeit von dort näher bestimmten, sogenannten „SUV“ (vgl. die Erkenntnisse des Kraftfahrtbundesamts https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Verkehrsunfaelle/Publikationen/Downloads-Verkehrsunfaelle/verkehrsunfaelle-jahr-2080700187004.pdf?__blob=publicationFile, Zugriffsdatum 28.9.2022 u.a.). Der Hinweis des Gerichts auf eine erhöhte Betriebsgefahr verfange nicht. Diese stelle eine zivilrechtliche Kategorie zur Begründung einer verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung dar. Im Übrigen erscheine sehr zweifelhaft, ob eine erhöhte Betriebsgefahr bei der diffusen, heterogenen Kategorie „SUV“ angenommen werden könnte.

Andere Gründe für die Erhöhung greifen durch

Gleichwohl mache der Senat von der ihm gemäß § 79 Abs. 6 OWiG eröffneten Möglichkeit der eigenen Sachentscheidung Gebrauch, da weitere für die Rechtsfolgenbemessung bedeutsame Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten seien. Die erhöhte Geldbuße sei hier mit den mehrfachen und einschlägigen Vorbelastungen des Betroffenen zu begründen.

III. Bedeutung für die Praxis

Zutreffend

Vorinstanz war hier das AG Frankfurt DAR 2022, 516 m. abl. Anm. Sprißler = VRR 8/2020, 20 [abl. Deutscher]. Eingehend und treffend begründet widerlegt das OLG die Ansicht des AG, die Erhöhung der Regelgeldbuße könne allein wegen der Tatbegehung mit einem SUV erhöht werden. Dem ist nichts hinzuzufügen. Nicht unproblematisch ist allerdings die eigene Sachentscheidung des OLG, da die geforderten Feststellungen zum Tatfahrzeug in einem erneuten Durchlauf durchaus nachholbar wären und das AG die Vorbelastungen (neben dem Aufhänger „SUV“) bereits zur Erhöhung der Regelgeldbuße verwendet hat (Rn 25 des Urteils). Aus welchen Gründen das OLG dann den Betrag von 350 EUR aufrechterhält, bleibt im Dunkeln.

RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum

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