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Zur Haftung aus der Betriebsgefahr beim Erntebetrieb

Werden durch das Hydrauliköl eines Traubenvollernters aus einem geplatzen Schlauch Trauben verschmutzt, so fällt der entstandene Schaden in den Deckungsbereich der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung.

OLG Koblenz, Urt. v. 20.6.202212 U 532/21

I. Sachverhalt

Verschmutzung durch Austritt von Hydrauliköl während des Erntevorgangs

Der Kläger ist Halter eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten Traubenvollernters und begehrt eine Deckung von der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung mit Feststellungsantrag. Diesem zugrunde liegt ein Sachverhalt mit Erntearbeiten, bei denen es zu einer Verschmutzung der durch den Weinernter gelesenen Trauben aufgrund eines im Maschinenbereich des Fahrzeuges ausgetretenen Hydrauliköls gekommen und dem nun der Kläger von seiner Auftraggeberin auf die Erstattung des Fremdschadens in Anspruch genommen wird.

II. Entscheidung

Abgrenzung zwischen Einsatz als Arbeitsmaschine und Betrieb als Fortbewegungsmittel

Das OLG hat eine entsprechende Deckung im Bereich der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung bei einem Betrieb eines Kraftfahrzeuges bejaht. Hierfür wäre es erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeuges als einer der Fortbewegung und dem Transport dienende Maschine bestehen würde. Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG würde dagegen entfallen, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle spielen würde und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird oder es sich um einen Schaden handelt, bei dem eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis eingetreten ist. Der vorliegende Fall wäre jedoch dadurch gekennzeichnet, dass eine fahrbare Arbeitsmaschine gerade während der Fahrt bestimmungsgemäße Arbeiten verrichtet hat.

Hier: Einsatz als Fortbewegungsinstrument betroffen

Insoweit wäre zu beachten, dass der Traubenvollernter mit seiner Motorkraft nicht nur den Antrieb für das Auslesen der Trauben gebildet hat, sondern auch an den Rebstöcken entlanggefahren ist und damit die Erntevorrichtung fortbewegt hat. Es ging also nicht nur um den Einsatz als Arbeitsmaschine, sondern auch als Fortbewegungsinstrument. Dass der Schaden auf einem Privatgelände eingetreten ist, würde dabei der Haftung nach § 7 auch nicht entgegenstehen, denn der Betrieb eines Kraftfahrzeuges muss nicht zwingend auch dem Einsatz einer öffentlichen Verkehrsfläche erfolgen.

Kein Schaden an beförderter Sache

Vorliegend wäre auch ein Ersatzanspruch nicht deshalb ausgeschlossen, weil mit dem versicherten Fahrzeug beförderte Sachen beschädigt worden wären. Bei der Auslegung der hier betroffenen Klausel aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers wäre der Begriff der beförderten Sache vorliegend nicht erfüllt. Bei der gebotenen engen Auslegung des vorliegenden Risikoausschlusses wäre davon auszugehen, dass die mit dem Hydrauliköl verschmutzten Trauben keine beförderten Sachen im Sinne dieser Ziffer darstellen würden. Dass von dem versicherten Fahrzeug vollzogene Ernteverfahren mit dem Abschütteln der Trauben und anschließendem Speichern in einem Behältnis der Maschine erfasste Arbeiten, die erst notwendig werden, um die Früchte verlustfrei von dem jeweiligen Anbaustandort wegzunehmen, stellt hier den Schwerpunkt dar und das anschließende Auffangen in einem Sammelbehälter führt nicht zu einer Einstufung als beförderte Sache, denn die Verschmutzung der Weintrauben ist bei dem hier betroffenen Gerät schon erfolgt, bevor sie den Bereich des Auffangbehälters zugeordnet worden sind, sodass nicht die Beförderungsfunktion im Vordergrund bei der Schadensentstehung steht.

III. Bedeutung für die Praxis

Entscheidend: Ölverlust bei ursächlicher Fortbewegung

Die Entscheidung des OLG Koblenz zeigt noch einmal anschaulich, wie weit der Begriff des Betriebs des Fahrzeuges im Straßenverkehr zu verstehen ist – eine Grenze findet sich nur dort, wo die Fortbildungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle mehr spielt und dieses nur als reine Arbeitsmaschine eingesetzt wird (vgl. BGHZ 105, 65). In diesen Fällen hätte sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht (vgl. BGHZ 115, 84) und der vorliegende Sachverhalt ist jedoch ein anderer – gerade bei der Fortbewegung besteht ja auch die Gefahr eines entsprechenden Ölverlustes und über die Fortbewegungsfunktion des Fahrzeuges lässt sich insoweit nicht hinweg denken, ohne dass der Schaden entfallen würde. Auch dürfte es überzeugen, aufgrund der Schadensentstehung vor dem Einlagern der Trauben im Sammelbehältnis noch keinen hinreichenden Bezug zu dem Ausschluss der Beschädigung von beförderten Sachen anzunehmen – denn derartige Ausschlusstatbestände sind eng auszulegen (vgl. BGHZ 65, 142). Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Verwenders, hier also des Kraftfahrzeughaftpflichtversicherers.

RA und FA für VerkehrsR und VersR Dr. Michael Nugel, Essen

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