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Aktuell: Die Änderung der BKatV

I.Hintergrund der Änderung der BKatV

Durch die 54. VO zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20.4.2020 (BGBl I, 814, „StVO-Novelle 2020“) hat der Verordnungsgeber eine Vielzahl an Vorschriften geändert oder neu eingefügt. Der Schwerpunkte lag dabei auf Regelungen zur Stärkung des Radverkehrs. Zugleich wurde die Regelgeldbußen im BKat in erheblichem Umfang erhöht und der Anwendungsbereich von Regelfahrverboten massiv ausgeweitet (zu diesen Änderungen näher Deutscher VRR 5/2020, 4). Letzteres hat indes auch zur Nichtigkeit jener Verordnung wegen eines Zitierfehlers nach Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG geführt, weil in ihrer Eingangsformel die Ermächtigungsgrundlage für die Fahrverbote (§ 26a Abs. 1 Nr. 3 StVG) nicht genannt wurde (hierzu Deutscher VRR 7/2020, 4). Wegen des Zitierfehlers gingen die Länder, der Verordnungsgeber und die Praxis von einer Teilnichtigkeit der StVO-Novelle 2020 aus. Das hat zu erheblichen Schwierigkeiten bei der praktischen der Rechtsanwendung geführt (hierzu Fromm DAR 2020, 527; Krumm DAR 2020, 476) bis hin zu der widerlegten Vorstellung, es gelte nunmehr die StVO auf dem Stand bis zum 31.8.2009 (näher Deutscher VRR 10/2020, 4). Aus Gründen der Rechtssicherheit war es daher geboten, die betroffenen Vorschriften neu zu erlassen. Die Verzögerung von über einem Jahr nach Entdecken des Zitierfehlers beruhte auf politischen Diskrepanzen hinsichtlich der Ausdehnung der Regelfahrverbote (u. III 2). Der Beschluss der Verkehrsministerkonferenz vom 15./16.4.2021 hat dann eine Grundlage für den Neuerlass geschaffen. Umgesetzt wurde diese Einigung nunmehr mit der Ersten Verordnung zur Änderung der BKatVvom 13.10.2021 (BGBl I, S. 4688), die am 9.11.2021 in Kraft getreten ist. Neben zahlreichen redaktionellen Änderungen ist deren Kernstück die Anhebung von Regelgeldbußen und Schaffung von Regelfahrverboten (zur Begründung näher BT-Drucks 687/21, S. 35 ff.; Übersicht bei Kroll DAR 2021, 587).

II.Anhebung der Regelgeldbußen

Die Erhöhung der Bußgeldsätze ist weitgehend deckungsgleich mit den in der StVO-Novelle 2020 normierten Änderungen (u. 1.), weshalb insofern für die Gründe der Änderung auf die Materialen zur StVO-Novelle 2020 verwiesen werden kann (BT-Drucks 591/19; Deutscher VRR 5/2020, 4 ff.). Deutliche Abweichungen nach oben sind allerdings im Bereich der Geschwindigkeitsüberschreitungen erfolgt (u. 2.).

1. Aus der StVO-Novelle 2020 übernommene Anhebungen

In erster Linie bei Verstößen gegen Schutzvorschriften für den Radverkehr und bei Parkverstößen gelten deutlich erhöhte Regelgeldbußen. In der folgenden Tabelle sind die wesentlichen Änderungen aufgelistet, wobei sich die als „alt“ bezeichneten Geldbußen auf den Rechtszustand vor der StVO-Novelle 2020 beziehen:

BKat

Lfd. Nr.
TatbestandGeldbuße (EUR) altGeldbuße (EUR) neu
2Gehweg, linksseitigen Radweg, Seitenstreifen vorschriftswidrig genutzt1055
2.1 – mit Behinderung1570
2.2– mit Gefährdung2080
2.3– mit Sachbeschädigung25100
39Abgebogen, ohne Fahrzeuge durchfahren zu lassen2040
39.1– mit Gefährdung70140,

1 Monat Fahrverbot
41Beim Abbiegen Fußgänger gefährdet70140,

1 Monat Fahrverbot
45Mit Lkw innerorts beim Rechtsabbiegen nicht mit Schrittgeschwindigkeit gefahren70
50 Keine Rettungsgasse auf Autobahn oder außerorts gebildet200200,

1 Monat Fahrverbot
50aUnberechtigt auf Autobahn oder außerorts Rettungsgasse benutzt240,

1 Monat Fahrverbot
50a.1– mit Behinderung280,

1 Monat Fahrverbot
50a.2– mit Gefährdung300,

1 Monat Fahrverbot
50a.3– mit Sachbeschädigung320,

1 Monat Fahrverbot
51Unzulässig gehalten1020
51.1. – mit Behinderung1535
51aUnzulässig in „zweiter Reihe“ gehalten1555
51a.1– mit Behinderung2070
51a.2– mit Gefährdung80
51a.3– mit Sachbeschädigung100
51bHalten an engen oder unübersichtlichen Straßenstellen oder im Bereich einer scharfen Kurve 1535
51b.1– mit Behinderung2555
51b.2– Länger als 1 Stunde2555
51b.2.1— mit Behinderung3555
51b.3– Behinderung eines Rettungsfahrzeugs im Einsatz60100
52Parken im Halteverbot1525
52.1– mit Behinderung2540
52.2– Länger als 1 Stunde2540
52— mit Behinderung3550
52aParken auf Geh- und Radweg2055
52a.1– mit Behinderung3070
52a.2– Länger als 1 Stunde3070
52a.2.1.— mit Behinderung3580
52a.3– mit Gefährdung80
52a.4– mit Sachbeschädigung100
53Parken vor/im Feuerwehrzufahrten3555
53.1– dadurch Rettungsfahrzeug im Einsatz behindert65100
54.3Halten auf Bussonderfahrstreifen (Zeichen 245) oder Grenzmarkierung an Haltestellen (Zeichen 299)55
54.3.1– mit Behinderung70
54.3.2– mit Gefährdung80
54.3.2– mit Sachbeschädigung100
54.4Parken auf Haltestelle (Zeichen 224), Bussonderfahrstreifen (Zeichen 245) oder Grenzmarkierung an Haltestellen (Zeichen 299)55
54.4.1– mit Behinderung70
54.4.2– mit Gefährdung80
54.4.2– mit Sachbeschädigung100
54.4.4– Länger als 3 Stunden70
54.4.4.1— mit Behinderung80
54.4.4.2— mit Gefährdung80
54.3.4.3— mit Sachbeschädigung100
54aParken auf Schutzstreifen für den Radverkehr2055
54.a.1– mit Behinderung3070
54.a.2– mit Gefährdung80
54.a.3– mit Sachbeschädigung100
55Unberechtigtes Parken auf Schwerbehindertenparkplatz3555
55aUnberechtigtes Parken auf einem Parkplatz für elektrisch betriebene Fahrzeuge55
55bUnberechtigt Parken auf einem Parkplatz für Carsharingfahrzeuge 55
58Parken in „zweiter Reihe“2055
58.1– mit Behinderung2580
58.1.1– mit Gefährdung90
58.1.2– mit Sachbeschädigung110
58.2– Länger als 15 Minuten3085
58.2.1— mit Behinderung3590
60Parken im Fahrraum von Schienenfahrzeugen2555
60.1– mit Behinderung3570
63An abgelaufener Parkuhr, ohne vorgeschriebene Parkscheibe, ohne Parkschein oder unter Überschreiten der erlaubten Höchstparkdauer geparkt 1020
63.1– bis zu 30 Minuten1020
63.2– bis zu 1 Stunde 1525
63.3– bis zu 2 Stunden2030
63.4– bis zu 3 Stunden2535
63.5– länger als 3 Stunden3040
64Beim Ein-/Aussteigen anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet2040
64.1 – mit Sachbeschädigung2550
117Verursachung unnötigen Lärms oder vermeidbarer Abgasbelästigungen(„Auto-Poser“)1080
118Unnützes Hin- und Herfahren innerorts mit Belästigung andere („Auto-Poser“)20100
136Schienenverkehrnicht Vorrang gewährt80
142aVerbot der Einfahrt (Zeichen 267) missachtet2550
144Parken auf Gehweg, in Fußgängerzone oder entgegen der Zeichen 251 – 255, 260 3055
144.1– mit Behinderung3570
144.2– Länger als 3 Stunden3570
153Fahren trotz Verkehrsverbots in Umweltzone80100

2. Geschwindigkeitsüberschreitungen

Ein anderes Bild ergibt sich hinsichtlich der Neuregelung der Regelgeldbußen bei Geschwindigkeitsüberschreitungen. Diese wurden in den drei einschlägigen Tabellen im Anhang zu Nr. 11 BKat (1a: Lkw, 1b: Lkw mit gefährlichen Gütern und Kraftomnibusse mit Fahrgästen, 1c: Pkw) auch gegenüber den schon erhöhten Regelsätzen in der StVO Novelle 2020 signifikant angehoben, teils verdoppelt. Zur Begründung wird genannt, die Verschärfung der Geldsanktionen schaffe eine wirksame Abstufung zwischen Verstößen durch die verschiedenen Fahrzeugarten entsprechend ihrer jeweiligen Gefährlichkeit. Die Erhöhung der Geldbußen sei insbesondere vor dem Hintergrund erforderlich, dass Geschwindigkeitsüberschreitungen noch immer zu den häufigsten Verkehrsverstößen zählen und damit nicht von einer ausreichenden abschreckenden Wirkung der bisherigen Sanktionen ausgegangen werden könne. Mit den Maßnahmen dieser Änderungsverordnung werde eine general- und spezialpräventive Wirkung der Sanktionen wieder umfassend hergestellt (BR-Drucks 687/21, S. 51 f.). Hintergrund der weiteren Erhöhung dürfte allerdings eher der Umstand sein, dass es nach Feststellung der Nichtigkeit der StVO-Novelle 2020 politischen Streit um die dort vorgenommene Absenkung der Grenzwerte für die Anordnung eines Regelfahrverbots in diesem Bereich gegeben hat. Erst in dem Beschluss der Verkehrsministerkonferenz vom 15./16. 4.2021 ist es zu der Einigung gekommen, die Regelfahrverbote in diesem Bereich unverändert zu lassen und stattdessen die Regelgeldbußen bei Geschwindigkeitsüberschreitungen ab 21 km/h weiter zu erhöhen.

Aufgrund der jetzigen Änderung gilt nunmehr für die in der Praxis vorrangig bedeutsame Tabelle 1c zu Nr. 11 BKat (Pkw) folgende Fassung (in Klammern die Rechtsfolgen vor der StVO-Novelle 2020):

BKat –

Lfd. Nr.
Überschreitung in km/h
Regelsatz in EUR bei Begehung
Fahrverbot in Monaten bei Begehung
innerhalb
außerhalb
innerhalb
außerhalb
geschlossener Ortschaften
geschlossener Ortschaften
11.3.1bis 1030 (15)20 (10)
11.3.211 – 1550 (25)40 (20)
11.3.316 – 2070 (35)60 (30)
11.3.421 – 25115 (80)100 (70)
11.3.526 – 30180 (100)150 (80)
11.3.631 – 40260 (160)200 (120)1 Monat
11.3.741 – 50400 (200)320 (160)1 Monat1 Monat
11.3.851 – 60560 (280)480 (240)2 Monate1 Monat
11.3.961 – 70700 (480)600 (440)3 Monate2 Monate
11.3.10über 70800 (680)700 (600)3 Monate3 Monate

III.Regelfahrverbote

1. Aus der StVO-Novelle 2020 übernommene Fahrverbote

Die mit der StVO-Novelle 2020 neu geschaffenen Regelfahrverbote wegen grober Pflichtverletzung (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 BKatV) außer bei Geschwindigkeitsverstößen sind unverändert übernommen worden. Das betrifft die neuen Regelfahrverbote bei einigen Abbiegeverstößen (Nr. 39.1, 41 BKat). Die unterlassene Bildung einer Rettungsgasse auf der Autobahn oder außerorts wird jetzt schon um Grundtatbestand ohne Qualifikation (Nr. 50 BKat) mit einem Fahrverbot von einem Monat belegt. Die unzulässige Benutzung einer solchen Rettungsgasse (Nr. 50a – 50a.3 BKat) wird wegen der erhöhten Sorgfaltspflichtwidrigkeit und der gesteigerten Unfallgefahr eines solchen Fehlverhaltens ebenfalls bereits im Grundtatbestand mit einem einmonatigen Fahrverbot sanktioniert.

2. Geschwindigkeitsverstöße

Durch die StVO-Novelle 2020 wurden die Schwellenwerte für die Anordnung eines Fahrverbots bei Verstößen außerhalb beschlossener Ortschaften von 41 km/h auf 26 km/h und bei innerörtlichen Überschreitungen von 31 km/h auf 21 km/h abgesenkt. Das war auf massive Kritik gestoßen. Es besteht keine statistische Basis dafür, dass Verstöße in dem Absenkungskorridor ein derartiges Gefahrenpotenzial besitzen, dass eine Regelfahrverbot erforderlich ist. Auch die Verhältnismäßigkeit unterliegt erheblichen Bedenken. Das Regelbeispiel für beharrliche Pflichtverletzung in § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV wäre zudem mangels Anwendungsbereichs obsolet (eingehend zur Kritik Deutscher VRR 7/2021, 4, 6 ff.). Der Verordnungsgeber hat nunmehr diese Absenkung der Grenzwerte nicht übernommen (s.o. II 2). Es bleibt insofern beim Stand vor der StVO-Novelle 2020.

III.Bewertung der ÄnderungsVO

Die breitflächige Anhebung der Regelgeldbußen bei Parkverstößen ist angesichts der Einkommensentwicklung und der fehlenden Disziplin von Fahrzeugführern in diesem Bereich durchaus zu begrüßen, wenngleich dadurch der Parkraum trotz entsprechendem Bedarf nicht vergrößert wird. Auch dem verstärkten Schutz von Fahrradfahrern ist beizupflichten. Gleiches gilt für die Verschärfung der Rechtsfolgen bei unterlassener Bildung und unberechtigter Benutzung von Rettungsgassen (näher Deutscher VRR 5/2020, 4, 10 f.; krit. Kroll DAR 2021, 587, 589). Nachdrücklich zu begrüßen ist der Verzicht auf die Absenkung der Grenzwerte für die Anordnung eines Regelfahrverbots bei Geschwindigkeitsüberschreitungen. Wenn dies auch nicht aus rechtlicher Einsicht, sondern aufgrund politischer Notwendigkeit erfolgt ist (o. II 2), wird hierdurch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Genüge getan. Auch werden durch die StVO-Novelle 2020 in diesem Bereich geschaffene Brüche in der Systematik des Rechts der Fahrverbote vermieden. Man darf dem Verordnungsgeber, der bei Verstößen gegen das Zitiergebot Wiederholungstäter ist (1. Schilderwaldnovelle 2009), für den Fehler beim Erlass der StVO-Novelle 2020 also durchaus dankbar sein. Der Preis für den Verzicht auf die Absenkung der Grenzwerte ist die deutliche, teils drastische Erhöhung der Regelgeldbußen bei Überschreitungen ab 21 km/h. Auf dem Hintergrund der general- und spezialpräventiven Wirkung und im Vergleich zu den Rechtsfolgen für solche Verstöße in anderen Staaten erscheint das aber hinnehmbar. Bei höheren Geldbußen kann der Betroffene im gerichtlichen Verfahren bei entsprechendem Vortrag zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen ggf. eine Herabsetzung der Geldbuße bewirken (§ 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG; OLG Braunschweig DAR 2021, 398 m. Anm. Pliefke = NZV 2021, 435 [Sandherr]; Deutscher VRR 6/2019, 4). Die Erhöhung der Regelgeldbußen in der ÄnderungsVO wird allerdings zu einem erhöhten Arbeitsaufkommen bei den Gerichten und Verwaltungsbehörden führen, zumal nunmehr auch gravierende Parkverstöße mit Punkten im Fahreignungsregister belegt werden (Nrn. 3.2.7a bis 3.2.7d der Anlage 13 zu § 40 FeV). Eingedenk der herrschenden „40 %-Rechtsprechung“ zur Annahme einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung (jüngst OLG Celle VRS 140, 108) werden angesichts der dann angezeigten Verdoppelung des Bußgelds (§§ 1 Abs. 2 Satz 2 BKatV, 17 Abs. 2 OWiG) sind vermehrt Einsprüche gegen Bußgeldbescheide zu erwarten. Gleiches gilt für Rechtsbeschwerden in Anbetracht des Grenzwertes von 250 EUR in § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG. Ebenso ist mit einer gesteigerten Anzahl von Stundungs- und Ratenanträgen sowie Anträgen auf Anordnung von Erzwingungshaft zu rechnen. Der Bundesrat hat daher im Zusammenhang mit der ÄnderungsVO die Bundesregierung aufgefordert, die Erhöhung der Verwarnungsgeldgrenze von derzeit 55 EUR (§§ 56 Abs. 1 OWiG, 1 Abs. 1 BKatV) für jedenfalls für Verkehrsordnungswidrigkeiten zu prüfen, um diesen Folgen jedenfalls partiell gegenzusteuern (BT-Drucks 687/21 [B], S. 2). Auch wird die Bundesregierung gebeten, die Gebühr für die Kostentragungspflicht des Halters in Fall einer Nichtermittlung des Fahrers bei einem Halt- oder Parkverstoß in Höhe von gegenwärtig 23,50 EUR einschließlich Auslagen (§§ 25a StVG, 107 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 OWiG) anzuheben. Hierdurch soll der Anreiz für den Halter beseitigt werden, angesichts der gestiegenen Regelbußen auf den günstigeren Kostenbescheid zu warten (a.a.O.). Beide Vorschläge sind systemgerecht, konsequent und sinnvoll, erfordern aber ein Tätigwerden des Gesetzgebers. Darauf bleibt zu hoffen.

Richter am Amtsgericht Dr. Axel Deutscher, Bochum

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