Zu den Anforderungen an einen Tiefgaragenparkplatz, um auf ihm in zumutbarer Weise einparken zu können.
(Leitsatz des Verfassers)
OLG Braunschweig,Urt. v.20.6.2019–8 U 62/18
I. Sachverhalt
Die Parteien streiten darum, ob ein vom Kläger vom beklagten Bauträger erworbener Tiefgaragenplatz mangelfrei ist oder ob ein Mangel zu bejahen ist, weil der Kläger auf seinem Parkplatz nicht zumutbar einparken kann. Der Kläger hat deshalb einen Minderungsanspruch i.H.v. 2/3 des gezahlten Kaufpreises geltend gemacht. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte beim OLG Erfolg.
II. Entscheidung
1. Nach Auffassung des OLG handelt es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Bauträgervertrag um einen Werkvertrag (vgl. auch BGHZ 72, 229). Gewährleistungsansprüche würden sich also nach Werkvertrags- und nicht nach Kaufrecht richten. Der Kläger habe das Werk auch abgenommen, so dass der Kläger die Rechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB geltend machen könne. Der Kläger sei auch aktiv legitimiert, den geltend gemachten Minderungsanspruch zu verfolgen. Der Erwerber von Wohnungseigentum sei grds. berechtigt, seine individuellen Rechte aus dem Vertrag mit dem Veräußerer selbstständig zu verfolgen, solange durch sein Vorgehen gemeinschaftsbezogene Interessen der Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen des Veräußerers nicht beeinträchtigt werden. Hier liegt kein gemeinschaftsbezogenes Recht vor. So gehe es nicht um einen Mangel an dem Bauteil selbst, wie z.B. um Risse in der Bodenplatte des Stellplatzes, sondern um die Nutzung dieser Fläche unter Ausschluss der Nutzung aller anderen Wohnungseigentümer.
2. Das OLG geht sodann davon aus, dass das von der Beklagten erstellte Werk mangelhaft sei. Denn der Stellplatz weiche von der vereinbarten Beschaffenheit ab. Dabei sei es u.a. unerheblich,
ob die Regelungen des öffentlichen Baurechts eingehalten worden seien (vgl. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 der Niedersächsischen Garagen- und Stellplatzverordnung vom 4.9.1989). Denn auch bei Einhaltung der Regelungen des öffentlichen Baurechts könne das Werk gleichwohl mangelbehaftet sein (vgl. u.a. BGH BauR 1998, 872; NJW 2003, 2380).
Entscheidend sei nämlich, dass hier zur vereinbarten Beschaffenheit des Werkes gehöre, dass ein Durchschnittsfahrer zumindest mit einem gehobenen Mittelklassefahrzeug in zumutbarer Weise den Abstellplatz nutzen kann, was nicht der Fall sei. Aufgrund der Gesamtumstände der verkauften Wohnung (Preis, Lage, Wohngegend, Bewerbung mit besonderem Komfort) sei zu erwarten gewesen, dass die Bewohner des Gebäudes mindestens Fahrzeuge der gehobenen Mittelklasse fahren. Dabei sei zu berücksichtigen, dass aufgrund des Umstandes, dass die typischen Personenkraftwagen in ihren Ausmaßen in den letzten Jahren zunehmend breiter geworden sind (vgl. Leitfaden des ADAC für benutzerfreundliche Parkhäuser aus dem Jahr 2013 – adac.de/mmm/pdf/fi_benutzerfreundliche_parkhäuser_0114_ 238764.pdf), auch teilweise die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften geändert worden seien.
Das OLG legt sodann auf der Grundlage des Ergebnisses der beim LG durchgeführten Beweisaufnahme dar, dass der Kläger seinen Einstellplatz nicht in zumutbarer Weise nutzen könne. Dies ergebe sich aus vorgenommen Fahrversuchen und den Berechnungen des Sachverständigen. Aus den Fahrversuchen ergebe sich, dass der Stellplatz nicht wie allgemein üblich vorwärts angesteuert und vorwärts zum Einparken genutzt werden kann. Auch ein Rückwärtseinparken bei einem Vorwärtszufahren in die Tiefgarage sei nicht möglich. Mithin könne der Kläger die Abstellfläche nur nutzen, wenn er rückwärts die Fahrgasse zu seinem Stellplatz fährt, oder aber zwischen dem Eingangsbereich und der Stellfläche unter Ausnutzung anderer Stellplätze oder aber in der Fahrgasse, die 6 m breit ist, wende. Ein solches Rückwärtseinparken sei nicht zumutbar. So könne der Erwerber erwarten, dass er nicht erst 58 m vom Eingang der Tiefgarage bis zu seinem Stellplatz rückwärtsfahren muss, was aus Sicht eines durchschnittlichen Fahrers nur mit äußerster Konzentration bewerkstelligt werden kann, zumal auch Gegenverkehr in der Fahrgasse herrschen kann. Auch könne der Kläger nicht stets damit rechnen, auf der Strecke von 58 m einen freien Parkplatz als Ausweichbucht nutzen zu können, um möglichst nah am Stellplatz zu wenden. Vielmehr könnten alle anderen Stellplätze belegt sein. Auch ein Wenden in der Fahrgasse kurz vor Erreichen des Stellplatzes sei als unzumutbar anzusehen. Der Sachverständige habe hierzu ausgeführt, dass er beim praktischen Fahrversuch mehrere Versuche benötigt habe, um das Fahrzeug dann vorwärts einzuparken.
III. Bedeutung für die Praxis
1. Eine Entscheidung, die vielleicht dem ein oder anderen beim Kampf um den zu kleinen Tiefgaragenplatz hilft: Das OLG hat auf der Grundlage eine Minderung i.H.v. 2/3 des Kaufpreises für den Tiefgaragenplatz als gerechtfertigt angesehen. Bei der Bemessung hat das OLG die wegen des zu kleinen Stellplatzes eingeschränkte Verkaufsmöglichkeit der vom Kläger erworbenen Wohnung berücksichtigt.
2. Hinzuweisen ist noch darauf, dass das gefahrlose Einparken auch ohne einen Einparkassistenten möglich sein muss (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 3.5.2011 – 7 U 182/11).
RADetlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg