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Halten eines elektronischen Geräts

Ein im Sinne von § 23 Abs. 1a Satz 1 Ziff. 1 StVO tatbestandsmäßiges „Halten“ liegt auch vor, wenn das elektronische Gerät zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt wird.

(Leitsatz des Gerichts)

OLG Köln, Beschl. v. 4.12.2020 – 1 RBs 347/20

I. Sachverhalt

Das AG hat die Betroffene wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO verurteilt. Dabei hat das AG sich auf ein im Rahmen einer Geschwindigkeitsmessung aufgenommenes Messfoto bezogen. Auf dem sei erkennbar, dass die Betroffene ein Mobiltelefon zwischen der linken Schulter und dem Kopf eingeklemmt habe. Die Betroffene habe über ihren Verteidiger auch eingeräumt, dass es sich dabei um ein Mobiltelefon gehandelt habe und sie dieses auch zum Telefonieren genutzt habe. Die gegen die Verurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat das OLG zwar zugelassen, dann aber zurückgewiesen.

II. Entscheidung

Das OLG geht davon aus, dass die Betroffene das Mobiltelefon „gehalten“ habe, indem sie dieses zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt hatte.

Die Auslegung des Begriffs durch das AG sei zunächst vom Wortlaut der Vorschrift gedeckt. Ein „Halten“ von Gegenständen sei dem Wortsinn nach ohne weiteres auch ohne Benutzung der Hände möglich. So werde man etwa – über die hier in Rede stehende Sachgestaltung hinaus – von „Halten“ sprechen, wenn ein Gegenstand zwischen Oberarm und Torso oder aber zwischen den Oberschenkeln fixiert werde (in diese Richtung auch AG Coesfeld DAR 2018, 640; König DAR 2020, 362, 372).

Auch der Zweck der Vorschrift stehe einer entsprechenden Annahme jedenfalls nicht entgegen. Möge sie auch in erster Linie der Verhinderung solcher Verhaltensweisen dienen, die dazu führen, dass der Fahrzeugführer nicht mehr beide Hände zum Lenken des Fahrzeugs zur Verfügung habe und/oder seinen Blick vom Verkehrsgeschehen abwenden müsse (OLG Karlsruhe DAR 2020, 520; OLG Hamm DAR 2019, 632), besteht dieser doch allgemeiner darin, solche nicht mit dem Führen des Fahrzeugs in Zusammenhang stehende Tätigkeiten zu verhindern, die sich abträglich auf die Notwendigkeit der Konzentration auf das Verkehrsgeschehen auswirken (OLG Hamm, Beschl. v. 3.11.2020 – 4 RBs 345/20). Der Verordnungsgeber habe zwar der Benutzung von elektronischen Geräten mit den Händen eine erhöhte Ablenkungswirkung beigemessen; er habe aber ersichtlich auch in den Blick genommen, dass fahrfremde Tätigkeiten unabhängig hiervon eine die Verkehrssicherheit gefährdende Ablenkungswirkung entfalten (BR-Drucks 556/17 S. 12). (Lediglich) aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und wegen der damit einhergehenden Nachweisschwierigkeiten habe er davon abgesehen, die Benutzung elektronischer Geräte insgesamt zu verbieten, diese Alternative allerdings durchaus erwogen. Dieser Gesichtspunkt spreche dafür, fahrfremde Tätigkeiten als verboten anzusehen, soweit der Wortlaut der Vorschrift als äußerste Auslegungsgrenze dies – wie hier – erlaubt. Dass es sich bei der Benutzung eines Mobiltelefons auch in der hier geschehenen Weise um eine fahrfremde Tätigkeit handele, könne dabei keinem Zweifel unterliegen.

Bei alledem verkenne – so das OLG – man aber nicht, dass der Verordnungsgeber ausweislich der Verordnungsbegründung davon ausgegangen sei, dass unter „Halten“ ein „in der Hand halten“ zu verstehen sei (BR-Drucks 556/17 S. 1, 16, 25, 26). Das könne den Rechtsanwender jedoch nur insoweit zu binden, als diese Auffassung im Wortlaut der Norm ihren Ausdruck gefunden habe. Das sei aber – wie dargelegt – nicht der Fall (so auch König, DAR 2020, 362, 372 und DAR 2019, 362, 371). Vielmehr erfasse der Normwortlaut die hier in Rede stehende Konstellation zwanglos und ihre Bußgeldbewehrung sei auch vom Sinn und Zweck der Vorschrift gedeckt.

III. Bedeutung für die Praxis

Auch hier (vgl. schon KG VRR 3/2021, 23): Die Entscheidung liegt im Trend der Rechtsprechung zu § 23 Abs. 1a StVO, der dahin geht, den Anwendungsbereich der Vorschrift auszudehnen. Ob die Auffassung des OLG allerdings zutreffend ist, kann man m.E. mit Recht bezweifeln. Ganz sicher scheint sich übrigens auch das OLG nicht zu sein. Dafür spricht die Verwendung des Begriffes „zwanglos“. Zudem tut das OLG den Hinweis auf die Verordnungsbegründung etwas vorschnell ab. Ein paar mehr Ausführungen zu Art. 103 Abs. 2 GG hätte man sich schon gewünscht und vor allem auch zu der Frage, ob man als Betroffener eigentlich mit einer so weiten Auslegung der Vorschrift rechnen muss.

Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass das OLG noch in seinem Beschl. v. 14.2.2019 (DAR 2019, 398) die Frage des Haltens anders gesehen hat. In der hatte das OLG nämlich das „Halten“ eines Laptops verneint, wenn der nicht in den Händen gehalten wurde, sondern sich dieser auf dem Schoß des Betroffenen eingeklemmt zwischen Oberschenkel und Lenkrad befand. Dort hatte das OLG noch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit § 23 Abs. 1a StVO nach dem Willen des Verordnungsgebers ein „Hand-Held-Verbot“ gemeint sei, da „die Gesetzesbegründung ausdrücklich auf das „In-den-Händen-halten“ des Geräts und dessen besondere Gefährlichkeit ab[stelle] (vgl. BR-Drucks 556/17, S. 25 ff.)“. Daran hält man – wie man dem erstaunten Leser – lapidar mitteilt – „nicht mehr fest.“ Man fragt sich: Was hat sich eigentlich geändert? Oder: Sollten/müssen nicht auch OLG berechenbar sein? Offenbar nicht.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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