Beitrag

Pauschgebühr für den Wahlanwalt für Tätigkeiten im Revisionsverfahren

Zur – abgelehnten – Feststellung einer Pauschgebühr trotz umfangreicherer Tätigkeiten im Revisionsverfahren.

(Leitsatz des Verfassers)

OLG Braunschweig, Beschl. v. 14.2.20251 AR 15/24

I. Sachverhalt

Pauschgebühr nach § 42 RVG beantragt

Der Rechtsanwalt war Wahlverteidiger des Angeklagten in einem Verfahren wegen Bestechlichkeit. Nach Abschluss des Verfahrens hat er die Feststellung einer Pauschgebühr in Höhe von 2.442 EUR für das Revisionsverfahren beantragt. Das OLG hat den Antrag abgelehnt.

II. Entscheidung

Voraussetzungen des § 42 RVG nicht gegeben

Der Antrag sei abzulehnen, weil die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 S. 1 RVG nicht vorliegen.

Besonderer Umfang/ besondere Schwierigkeit

So könne der Senat zunächst keinen besonderen Umfang des Verfahrens erkennen. Dabei sei dem Antragsteller zwar durchaus zuzugeben, dass er im Interesse des Angeklagten eine immerhin 47 Seiten umfassende Revisionsbegründung gefertigt habe, die sorgsam die einzelnen Angriffspunkte gegen das Urteil aufarbeite. Schon angesichts der existenzgefährdenden Bedeutung, die das Verfahren für den Angeklagten gehabt habe, wäre es zudem fraglos unangemessen, den Verteidiger darauf zu verweisen, dass das Urteil auch durch eine knappere Revisionsbegründung hätte zu Fall gebracht werden können. Es sei richtig und sei vom Senat nicht zu kritisieren, dass der Antragsteller den sichersten Weg gewählt habe. Auch hätten die Akten, die der Verteidiger allerdings nur unter dem Blickwinkel des Revisionsverfahrens (insbesondere zur Prüfung von Verfahrensrügen) in den Blick habe nehmen müssen, bei Abfassung der Revisionsbegründung mit sechs Bänden einen nicht unerheblichen, wenngleich nicht außerordentlichen Umfang erreicht. Auf der anderen Seite hat der Senat aber auch zu berücksichtigen, dass nicht selten weitaus umfangreichere Revisionsbegründungen gefertigt werden, die für die Sachrüge maßgeblichen Gründe des angefochtenen Urteils mit 41 Seiten nicht außergewöhnlich umfangreich gewesen seien, es nur um eine Tat gegangen sei und auch lediglich eine Person angeklagt gewesen sei. Allerdings tendiere der Senat dazu, das Verfahren insbesondere wegen der problematischen Würdigung der Beweislage, was zu einer Aufhebung eines freisprechenden Urteils durch den Senat geführt habe, durchaus als schwierig anzusehen.

Enge Voraussetzungen bei § 42 RVG

Letztlich könne es aber dahinstehen, ob das Verfahren allein aus diesem Grund trotz des überschaubaren Tatvorwurfs schon als besonders schwierig anzusehen ist. Denn eine Pauschgebühr könne jedenfalls deshalb nicht bewilligt werden, weil es dem Antragsteller zugemutet werden könne, die Gebühren innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu bestimmen. Die Bewilligung einer Pauschgebühr über die gesetzlichen Wahlverteidigerhöchstgebühren hinaus nach § 42 RVG sei an noch engere Voraussetzungen geknüpft, als das bei § 51 RVG der Fall sei (OLG Celle, Beschl. v. 11.5.2017 – 1 AR (P) 11/17, RVGreport 2017, 414 = AGS 2017, 390). Denn dem Wahlverteidiger werde im Gegensatz zum Pflichtverteidiger kein Beitrag für das Allgemeinwohl abverlangt (OLG München, Beschl. v. 22.1.2021 – 1 AR 251/20–1 AR 266/20). Diese engen Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Vielmehr halte der Senat vor dem Hintergrund des Prinzips der Mischkalkulation (BGH, Beschl. v. 14.7.2020 – 1 StR 277/17 m.w.N.) angesichts der dargestellten Kriterien im Rahmen seines Ermessens die gesetzliche Vergütung für ausreichend.

Individuell aufgewendete Arbeitszeit ohne Bedeutung

Dass der Verteidiger vortrage, er habe für die 47 Seiten umfassende Revisionsbegründung „deutlich über 200 Stunden“ gearbeitet und in dieser Zeit keine anderen Mandantentermine durchgeführt, führe zu keinem anderen Ergebnis. Die individuell aufgewendete Arbeitszeit sei nicht der unmittelbare Maßstab (vgl. BGH, Beschl. v. 21.9.1995 – 1 StR 158/95; OLG München, Beschl. v. 22.1.2021 – 1 AR 251/20 – 1 AR 266/20), weil sich der Senat bei der gebotenen Beurteilung primär an den objektiv bewertbaren, ihm anhand der Akten zugänglichen Umständen orientieren müsse.

III. Bedeutung für die Praxis

6,11 EUR/Stunde zumutbar?

1. Es wird den Wahlanwalt freuen, dass der Revisionssenat des OLG seine im Revisionsverfahren erbrachten Tätigkeiten offenbar anerkennt und ihm nicht vorhält, dass nicht 47 Seiten Revisionsbegründung notwendig gewesen wären, um das angegriffene Urteil zu Fall zu bringen. Noch mehr hätte es ihn allerdings gefreut, wenn das OLG diese Arbeit auch monetär, nämlich durch Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG, anerkannt hätte. So weit will man mit der Anerkennung dann aber offenbar doch nicht gehen und verweist den Verteidiger für die Erstellung der Revisionsbegründung auf die Wahlanwaltshöchstgebühr. Das sind bei der Nr. 4130 VV RVG, weil der Mandant nicht inhaftiert war, wofür der Antrag des Wahlanwalts spricht, 1.221 EUR. Beantragt hatte der Verteidiger 2.442 EUR. Und das bei mehr als 200 Stunden Arbeit, 46 Seiten Revisionsbegründung und sechs Bänden Akten. Da hält man 1.221 EUR, also rund 6,11 EUR/Stunde, für zumutbar. Die beantragten 12,22 EUR/Stunde wären schon nicht viel mehr als ein Trostpflaster gewesen, aber immerhin. Es ist in meinen Augen schon erstaunlich, was Gerichte Rechtsanwälten manchmal zumuten.

Begründungen passen nicht

2. Und wenn dann wenigstens noch die Begründung für die Ablehnung des Antrags passen würde. Natürlich wabert auch wieder etwas „Außergewöhnliches“ – „nicht außergewöhnlich umfangreich gewesen“ – durch die Gründe, wozu sich jeder Kommentar erübrigt, außer: Es kommt auf „außergewöhnlich“ nicht an, wobei ich nicht verkenne, dass bei der Pauschgebühr des Wahlanwalts nach § 42 RVG von den OLG ein anderer Maßstab als bei § 51 RVG zugrunde gelegt wird. Aber: Welche Rolle spielt in dem Zusammenhang, dass „nicht selten weitaus umfangreichere Revisionsbegründungen gefertigt werden“? Das ist sicherlich richtig, spielt aber doch für dieses Verfahren keine Rolle, da hier nur die konkreten Verfahrensumstände zu berücksichtigen sind. Und was soll es bedeuten, dass „es nur um eine Tat gegangen ist und auch lediglich eine Person angeklagt gewesen ist“? Welche konkreten Auswirkungen soll das haben? Das erschließt sich nicht und wird auch nicht von der angeführten Rechtsprechung unterstützt, da es sich dabei weitgehend um Entscheidungen handelt, die zu § 51 RVG ergangen sind. Daher zieht auch das Argument „Mischkalkulation“ nicht. Das ist schon beim Pflichtverteidiger bedenklich, kann aber bei einem Wahlanwalt m.E. keine Rolle spielen. Und auch das Argument „individuell aufgewendete Arbeitszeit ist nicht der unmittelbare Maßstab (vgl. BGH, Beschl. v. 21.9.1995 – 1 StR 158/95; OLG München, Beschl. v. 22.1.2021 – 1 AR 251/20–1 AR 266/20“ muss man hinterfragen. Abgesehen davon, dass es sich ebenfalls um Entscheidungen handelt, die zur Pauschgebühr des Pflichtverteidigers ergangen sind, die des BGH noch zu § 99 BRAGO (sic!) hat die Arbeitszeit zumindest „als Indiz für Umfang oder Schwierigkeit des Verfahrens“ angesehen. Im Bezirk des OLG Braunschweig scheint das aber alles leider keine Rolle zu spielen.

BGH ist großzügiger

3. Nur zur Abrundung: Der Verteidiger wäre mit seinem Antrag wahrscheinlich beim BGH besser aufgehoben gewesen. Denn der scheint mir, wenn ich mir seine Rechtsprechung zur Höhe der Pauschgebühr § 42 RVG anschaue, großzügiger zu sein (vgl. die Zusammenstellung bei Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, § 42 Rn 14).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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