1. Für das Entstehen der sog. Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV RVG genügt jede anwaltliche Tätigkeit, die auf eine Verfahrensförderung gerichtet ist, ohne dass sie auch kausal für die Verfahrensbeendigung geworden oder besonders aufwändig gewesen sein muss. Dabei trifft die Beweislast für das Fehlen der anwaltlichen Mitwirkung die Staatskasse als Gebührenschuldner.
2. Zur Bemessung der Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG.
(Leitsätze des Verfassers)
I. Sachverhalt
Streit um die Nr. 4141 VV RVG und die Höhe der Terminsgebühr
Gegen den Angeklagten war ein Strafbefehl erlassen worden, gegen den der Verteidiger Einspruch eingelegt hat. Das Verfahren gegen den Angeklagten ist dann vom AG eingestellt worden. Gestritten wird nun um die Festsetzung der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG und die Höhe einer (Hauptverhandlungs-)Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG. Das AG hat die Nr. 4141 VV RVG nicht festgesetzt und die Terminsgebühr nur in einer geringeren als vom Verteidiger geltend gemachten Höhe. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verteidigers hatte hinsichtlich der Nr. 4141 VV RVG Erfolg, hinsichtlich der Höhe der Terminsgebühr hingegen nicht.
II. Entscheidung
Zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG
Soweit sich der Rechtsanwalt gegen die unterlassene Festsetzung der Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV RVG wende, sei die sofortige Beschwerde begründet. Für deren Entstehen genüge bereits jede anwaltliche Tätigkeit, die auf eine Verfahrensförderung gerichtet sei, ohne dass sie auch kausal für die Verfahrensbeendigung geworden oder besonders aufwändig gewesen sein müsse. Dabei treffe die Beweislast für das Fehlen der anwaltlichen Mitwirkung die Staatskasse als Gebührenschuldner (vgl. Toussaint, Kostenrecht, 54. Aufl. 2024, RVG VV 4141 Rn 7 m.w.N.). Hier hätten das AG bzw. die Staatsanwaltschaft auf die Einspruchsschrift des Rechtsanwalts offensichtlich Nachermittlungen für erforderlich gehalten. Kurz nach Aktenrückkehr von der Polizei sei das Verfahren sodann eingestellt worden. Es liege nahe, dass Hintergrund dafür zumindest auch das Ergebnis dieser auf die Einspruchsschrift des Rechtsanwalts zurückzuführenden Nachermittlungen gewesen sei.
Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG
Im Hinblick auf die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG sei die sofortige Beschwerde hingegen aus den insoweit weiterhin zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses unbegründet. In dieser Hinsicht sei die Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt unbillig i.S.d. § 14 Abs. 1 RVG, da die angemessene Gebühr um mehr als 20 % (vgl. KG, Beschl. v. 6.12.2010 – 1 Ws 45/10) überschritten worden sei. Denn angemessen sei hier nicht die angesetzte Mittelgebühr, sondern die mit dem angefochtenen Beschluss festgesetzte Gebühr gewesen. In erster Linie maßgeblich sei insofern die Dauer des Termins, wenn auch unter Berücksichtigung der Wartezeit. Die Einspruchsbegründung könne eine höhere Festsetzung nicht rechtfertigen. So werde die Einlegung und Begründung eines Rechtsmittels nicht durch die Termins-, sondern durch die Verfahrensgebühr abgegolten. Unabhängig davon rechtfertige der dortige knappe Vortrag zur Ortsabwesenheit ebenso wenig eine Gebührenerhöhung wegen des Umfangs bzw. der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit wie die – wenn auch etwas ausführlicheren – Ausführungen zur Frage des Wiedererkennens im Rahmen einer Wahllichtbildvorlage. Inwiefern die dortigen Ausführungen bereits auf Tätigkeiten im Rahmen der Vorbereitung des Termins zurückgehen, sei im Übrigen auch nicht ersichtlich.
Kostenentscheidung
Das LG hat eine Kostenentscheidung dahin getroffen, dass der Angeklagte die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen hat. Jedoch werde eine Gebühr für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Die Landeskasse habe drei Viertel der im Beschwerdeverfahren entstandenen Auslagen und der insoweit notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Kosten- und Auslagenentscheidung auf § 473 Abs. 4 StPO beruhe. Der Angeklagte habe einen Teilerfolg erzielt, der unter Billigkeitsgesichtspunkten die aus dem Tenor ersichtliche Quotelung rechtfertige. Da eine bloß hälftige Ermäßigung der nach Vorbemerkung 3.6 KV GKG einschlägigen Gerichtsgebühr Nr. 1812 KV GKG dem Ausmaß des Teilerfolgs nicht ausreichend Rechnung tragen würde und eine Ermäßigung auf einen anderen Prozentsatz nicht vorgesehen sei, habe die Kammer bestimmt, dass eine Gebühr nicht zu erheben ist.
III. Bedeutung für die Praxis
Zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG
Die Ausführungen des LG zur Nr. 4141 VV RVG sind zutreffend. Für das Entstehen dieser zusätzlichen Verfahrensgebühr ist es unerheblich, in welchem Verfahrensabschnitt die Mitwirkung erbracht wird. Es genügt, dass ein früherer Beitrag des Verteidigers zur Erledigung in einem späteren Verfahrensabschnitt, in dem es dann zur Erledigung des Verfahrens kommt, noch fortwirkt (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, 6. Aufl. 2021, Nr. 4141 VV Rn 18).
Zutreffend ist ebenfalls die Ansicht des LG zur Beweislast und zur Frage der Ursächlichkeit. Die Formulierung in Nr. 4141 Anm. 2 S. 1 VV RVG, wonach die zusätzliche Gebühr nicht entsteht, wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit nicht ersichtlich ist, führt zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast. Es muss also nicht der Rechtsanwalt seine Mitwirkung an der Erledigung beweisen, sondern es wird seine Mitwirkung vermutet. Es ist Aufgabe des Gebührenschuldners, also ggf. der Staatskasse, das Fehlen der Mitwirkung darzulegen und zu beweisen (zutreffend KG AGS 2009, 324; AG Unna JurBüro 1998, 410; AG Saarbrücken RVGreport 2006, 181 = AGS 2006, 126 m. Anm. Madert; AnwKomm-RVG/N. Schneider, 9. Aufl. 2021, VV 4141 Rn 6 ff., 46; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 26. Aufl. 2023, VV 4141 Rn 13; Burhoff, RVGreport 2015, 3, 5). Die Tätigkeit des Rechtsanwalts muss nach überwiegender Auffassung auch nicht ursächlich für die Einstellung oder die Rücknahme des Rechtsmittels gewesen sein. Es reicht jede auf die Förderung der Erledigung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit aus (so zutreffend BGH AGS 2008, 491 = RVGreport 2008, 431; OLG Stuttgart AGS 2010, 202 = RVGreport 2010, 263; LG Aachen, Beschl. v. 28.2.2024 – 2 Qs 8/23, AGS 2024, 228 mit zutreffendem Hinweis auf die Entstehungsgeschichte; weitere Nachweise aus der Rechtsprechung bei Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, VV 4141 Rn 11; Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4141 Rn 21).
Höhe der Terminsgebühr
Ob die Höhe der Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG zutreffend festgesetzt worden ist, lässt sich nicht beurteilen, da der Beschluss die Höhe der Terminsgebühr nicht mitteilt und auch zu den übrigen konkreten Umständen der Gebührenbemessung schweigt. Die allgemeinen Ausführungen sind allerdings zutreffend. Für die Höhe der Terminsgebühr ist vornehmlich die Terminsdauer maßgebend, wobei auch Wartezeiten zu berücksichtigen sind. Abgegolten werden von der Terminsgebühr auch nur die Teilnahme am Termin und etwaige Vorbereitungsarbeiten für den konkreten Termin, alle anderen Tätigkeiten werden von der jeweiligen Verfahrensgebühr erfasst, sodass die Einlegung und Begründung eines Rechtsmittels, hier war es offenbar ein Einspruch gegen einen Strafbefehl, für die Höhe der Terminsgebühr zu Recht nicht herangezogen worden ist. Schließlich ist es auch zutreffend, wenn das LG auf die „Billigkeitsgrenze“ von 20 % abstellt (zu allem Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Teil A Rn 1747 ff. und Vorbem. 4 VV Rn 70 ff., jeweils m.w.N.).
Kostenentscheidung
Die vom LG getroffene Kostenentscheidung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Angeklagte kann auf deren Grundlage unter Anwendung der Differenztheorie nun seine im Kostenbeschwerdeverfahren geltend machen. Grundlage ist Vorbem. 4 Abs. 5 Nr. 1 VV RVG, die auf Teil 3 VV RVG verweist. Dort ist dann die Nr. 3500 VV RVG einschlägig. Diese berechnet sich nach dem Gegenstandswert. Der ist in Höhe der streitigen Gebühren anzusetzen (zu allem Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 VV Rn 118 ff.).