1. Unterliegen für die Tat erlangte Bonuszahlungen der Einziehung des Wertes von Taterträgen, erfolgt kein Abzug der hierauf angefallenen Lohnsteuer.
2. Das ist Gegenstand des Besteuerungsverfahrens (sog. steuerrechtliche Lösung).
3. Die anderslautende frühere Rechtsprechung (BGHSt 47, 260) ist durch die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung überholt.
(Leitsätze des Verfassers)
I. Sachverhalt
Cum/Ex: Wert von Bonuszahlungen abzüglich Lohnsteuer
Das LG hat die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung bzw. Beihilfe verurteilt und jeweils die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.929.502,66 EUR, 5.747.745,49 EUR, 1.086.556 EUR und 805.197,28 EUR angeordnet. Die M-GmbH tätigte unter der Leitung und Mitwirkung der Angeklagten Aktien- und Optionsgeschäfte rund um den Dividendenstichtag. Die M-GmbH ließ sich vom Finanzamt aufgrund von unrichtigen Steuerbescheinigungen mit Wissen und Wollen der Angeklagten unberechtigt Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt rund 374 Mio. EUR anrechnen, welche zuvor nicht einbehalten und nicht abgeführt wurden (sog. Cum/Ex-Geschäfte). Die Angeklagten erhielten im Tatzeitraum Bonuszahlungen u.a. für ihre Mitwirkung an den Cum/Ex-Geschäften. Im Rahmen der Einziehungsentscheidung hat das LG von diesen Bonuszahlungen pauschal einen Lohnsteuersatz samt Solidaritätszuschlag von 47,475 Prozent abgezogen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die von der M-GmbH als Arbeitgeberin einbehaltene Lohnsteuer dem Vermögen der Angeklagten zu keinem Zeitpunkt tatsächlich zugeflossen sei. Die auf die Einziehungsanordnungen beschränkte Revision der GenStA war erfolgreich.
II. Entscheidung
Grundlagen: Abzug der Lohnsteuer nicht zulässig
Zu Recht gehe die Strafkammer zunächst davon aus, dass es sich bei den nicht mehr unterscheidbar im Vermögen der Angeklagten vorhandenen Bonuszahlungen, soweit diese auf die Cum/Ex-Geschäfte entfallen, um von diesen erlangte Taterträge „für die Tat“ handelt, die gem. § 73c S. 1 StGB der Einziehung unterliegen. Die GenStA beanstande hingegen zu Recht, dass die Strafkammer Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag von den Bonuszahlungen in Abzug gebracht hat. Der Einbehalt von Lohnsteuer durch den Arbeitgeber mindere den Wert des Erlangten nicht. Das folge daraus, dass die Lohnsteuer erst entsteht, wenn der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer – hier den Angeklagten – zugeflossen ist (§ 38 Abs. 2 S. 2 EStG). Die Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber setze einen Zufluss also gerade voraus; sie erfolge gem. § 38 Abs. 3 S. 1 EStG für Rechnung des Arbeitnehmers. Ausschlaggebend für einen Zufluss sei entsprechend dem in § 11 Abs. 1 S. 1 EStG verankerten Zuflussprinzip die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über den Arbeitslohn. Die Spezialvorschrift des § 11 Abs. 1 S. 4 i.V.m. § 38a Abs. 1 S. 2 und 3 EStG regele nur eine zeitliche Zuordnung und setze eine Entstehung der Lohnsteuer und damit den tatsächlichen Zufluss voraus (BeckOK-EStG/Meyer, 20. Ed., Stand: 1.11.2024, § 38 Rn 55.2). Dass der Zeitpunkt des Zuflusses des Arbeitslohns gem. § 38 Abs. 3 S. 1 EStG mit dem Steuerabzug zusammenfällt, ändert an dem tatsächlichen Zufluss nichts (BGHSt 68, 117 = NJW 2024, 1439 [zum Abzug von Kapitalertragsteuer]). Die Lohnsteuer könne auch nicht gem. § 73d Abs. 1 S. 1 StGB abgezogen werden, weil sie gem. § 73d Abs. 1 S. 2 einem Abzugsverbot unterliegt; bei Steuern handele es sich nicht um Aufwendungen für das Erlangen des Tatertrages, weil sie dem tatsächlichen Vermögenszufluss zeitlich nachfolgen oder – wie hier – mit diesem zusammenfallen (BGHSt a.a.O. Rn 57 f.; BGH NStZ 2020, 271). Es entspräche zudem dem Willen des Gesetzgebers, dass Steuern, die auf das strafrechtswidrig erlangte Vermögen als steuerrechtliche Einkünfte zu entrichten sind, nicht abzugsfähig sind. Etwaige Doppelbelastungen sollten stattdessen auf steuerrechtlicher Ebene vermieden werden (sogenannte steuerrechtliche Lösung; BGHSt a.a.O. Rn 53; BGH NZWiSt 2024, 239; NStZ-RR 2024, 79).
Frühere Rechtsprechung überholt
Die zum alten Recht ergangene Rechtsprechung des BGH, wonach im Falle eines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Besteuerungsverfahrens die sogenannte steuerrechtliche Lösung nicht anzuwenden und die auf den Einziehungsbetrag entfallende Steuer gem. § 73c Abs. 1 S. 2 StGB a.F. zur Vermeidung unbilliger Härten von diesem abzuziehen ist (BGHSt 47, 260, 264 ff.), sei aufgrund des neuen Vermögensabschöpfungsrechts überholt. Denn die Härtefallklausel des § 73c Abs. 1 S. 2 StGB a.F. sei entfallen; der Entreicherungseinwand im Erkenntnisverfahren stehe gem. § 73e Abs. 2 StGB nur noch dem gutgläubigen Drittbeteiligten offen. In den übrigen Fällen könnten unbillige Härten nach neuem Recht gemäß § 459g Abs. 5 S. 1 StPO erst im Vollstreckungsverfahren berücksichtigt werden (KK-StPO/Appl, 9. Aufl., § 459g Rn 18). Dies verstoße nicht gegen das Verbot der Mehrfacheinziehung. Dieses verbiete es lediglich, nebeneinander in voller Höhe sowohl die aus der Tat erlangten Erträge (Substrat) und die hierauf ersparten Steuern einzuziehen, weil beim Täter dann mehr eingezogen würde, als er tatsächlich erlangt hat (BGH NZWiSt 2024, 239; NZWiSt 2022, 208). Hier würden aber lediglich die Bruttobonuszahlungen eingezogen und nicht daneben auch ersparte Steueraufwendungen. Dass Härtefälle nach der Neuregelung gemäß § 459g Abs. 5 S. 1 StPO nicht mehr im Erkenntnisverfahren, sondern erst im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen sind, führe auch nicht dazu, dass es sich bei der Tatertragseinziehung gem. §§ 73 ff. StGB um eine Strafe i.S.v. Art. 103 Abs. 2 GG handelt; hierin liege vielmehr eine angemessene Kompensation (BVerfGE 156, 354Rn 121 = NJW 2021, 1222 = StRR 4/2021, 25 [Deutscher]).
Folgen der steuerrechtlichen Lösung
Somit hätte die Strafkammer richtigerweise bei den Angeklagten den gesamten Bruttobetrag der Bonuszahlungen als Wert von Taterträgen einziehen müssen. Die in den einzelnen Veranlagungszeiträumen hierauf vom Arbeitgeber einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer unterliege gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2a) EStG der Anrechnung auf die Einkommensteuer. Den eingezogenen Bruttobetrag der Bonuszahlungen könnten die Angeklagten im Veranlagungszeitraum der Zahlung bzw. Vollstreckung als Werbungskosten gem. § 9 EStG steuerlich geltend machen. Das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG greift nicht ein, weil es sich bei der Vermögensabschöpfung gem. §§ 73 ff. StGB nicht um eine Strafe handelt (BGHSt 47, 260, 265; BFHE 245, 536 [jeweils zum Verfall]). Das Abzugsverbot gem. § 9 Abs. 5 S. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8 EStG gelte nur für Geldbußen, die der Ahndung von bloßem Verwaltungsunrecht dienen, und finde auf die Einziehung wegen Straftaten gemäß §§ 73 ff. StGB keine (entsprechende) Anwendung. Die steuerlichen Konsequenzen von Straftaten seien abschließend in § 12 Nr. 4 EStG normiert (BFHE 245, 536; BFHE 192, 64). Selbst wenn der Abzug der Werbungskosten in dem betreffenden Veranlagungszeitraum aufgrund erheblich verminderter Einkünfte zu Verlusten führt, könnten diese gemäß § 10d EStG bis zu einer Höhe von 1.000.000 EUR bzw. bei zusammen veranlagten Ehegatten von 2.000.000 EUR zwei Jahre zurückgetragen und im Übrigen bis zu einer Höhe von 1.000.000 EUR bzw. bei zusammen veranlagten Ehegatten von 2.000.000 EUR unbeschränkt und darüber hinaus zu 60 % in die Folgejahre vorgetragen werden (BGHSt 47, 260, 264 ff.). Soweit danach absehbar auf Dauer ein nicht mit positiven Einkünften verrechenbarer erheblicher Verlust verbleibt, könnten etwaige aufgrund vom Einziehungsbetrag nicht abziehbarer, aber bereits abgeführter Lohnsteuer eingetretene Härten im Vollstreckungsverfahren gemäß § 459g Abs. 5 S. 1 StPO berücksichtigt werden (BGHSt 68, 117 = NJW 2024, 1439 Rn 66 [zur Kapitalertragsteuer]). Dies sei der sog. steuerrechtlichen Lösung immanent und Folge der Periodizität der Einkommensteuer (BGH NJW 2019, 3798 = StRR 12/2019, 17 [Gehm]; Maciejewski/Schumacher, DStR 2017, 2021, 2024). Nur auf diese Weise könnten die Tatgerichte von aufwendigen steuerrechtlichen Berechnungen entlastet werden.
III. Bedeutung für die Praxis
Überzeugend
Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung ist seit bald acht Jahren in Kraft und hat eine Vielzahl von Anwendungsproblemen ausgelöst. Die meisten sind mittlerweile vom BGH geklärt worden (aktuelle Rechtsprechungsübersicht bei Deutscher, StRR 5/2025, in dieser Ausgabe). Aus der damals erfolgten Verschiebung der Härtefallregelung vom Erkenntnisverfahren ins Vollstreckungsverfahren und dem Abzugsverbot in § 73d Abs. 1 S. 2 StGB ergab sich die Notwendigkeit, neu über die Berücksichtigung von auf den erlangten Vorteil angefallenen Lohnsteuern zu entscheiden. Der 1. Senat hat sich eingedenk der erfolgten Änderungen der Vorschriften überzeugend von der früheren Rechtsprechung gelöst und die Anwendung der sog. steuerrechtlichen Lösung begründet. Für Verteidiger ist in solchen Fällen entscheidend, dass die vom Senat skizzierte steuerrechtliche Ebene mitgedacht wird, um eine mehrfache Belastung des Mandanten zu verhindern.