Die für das Ermittlungsverfahren und das gerichtliche Verfahren geltenden Grundsätze betreffend die unentgeltliche Beistandsleistung eines Dolmetschers auch für vorbereitende Gespräche mit dem Verteidiger finden auch dann Anwendung, wenn es im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens um die Vorbereitung der Entscheidung über die bedingte Entlassung nach § 57 Abs. 1 StGB geht.
(Leitsatz des Verfassers)
I. Sachverhalt
Verfahren der bedingten Entlassung
Der Verurteilte ist litauischer Staatsangehöriger und der deutschen Sprache nicht mächtig. Er verbüßte eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Die bedingte Entlassung zum Zweidrittelzeitpunkt lehnte die Strafvollstreckungskammer ab. Dem war die mündliche Anhörung des Verurteilten vorausgegangen. Der Verteidiger hatte angekündigt, zu dem Termin einen Dolmetscher mitbringen zu wollen. Die insoweit entstandenen Auslagen sind durch die Staatskasse beglichen worden. Gestritten wird nun noch um weitere Auslagen in Höhe von 361,24 EUR. Diese betreffen die Dolmetscherkosten für das im Vorfeld der Anhörung geführte Gespräch zwischen dem Verurteilten und seinem Verteidiger. Die Strafvollstreckungskammer hat den Festsetzungsantrag abgelehnt. Dagegen hat der Verteidiger für den Verurteilten sofortige Beschwerde eingelegt. Diese hatte beim OLG Erfolg.
II. Entscheidung
Kein Anspruch aus §§ 185, 187 GVG
Das OLG verneint – mit der Strafvollstreckungskammer – einen Anspruch des Verurteilten aus §§ 185, 187 GVG. Ein Anspruch auf Erstattung der Dolmetscherkosten für das Vorgespräch mit dem Verteidiger lasse sich mangels Verhandlung nicht aus § 185 GVG herleiten. § 187 GVG regele nur, unter welchen Voraussetzungen das Gericht verpflichtet sei, einen Dolmetscher für den Verurteilten heranzuziehen. Hier geht es indes um die Erstattungsfähigkeit derjenigen Kosten, die dadurch entstanden sind, dass der Verteidiger für das Mandantengespräch mit dem Verurteilten einen Dolmetscher hinzugezogen hat.
Kein Anspruch aus Art. 6 Abs. 3 lit e) MRK
Ein Anspruch auf Erstattung der Dolmetscherkosten ergab sich nach Auffassung des OLG auch nicht aus Art. 6 Abs. 3 lit e) EMRK. Nach dieser Vorschrift habe jede angeklagte Person das Recht, unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. Die Vorschrift, die als Berechtigten die „angeklagte Person“ benenne, sei aber auf das Strafvollstreckungsverfahren nicht anwendbar (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.9.2019 – 2 Ws 300/19 m.w.N.; BeckOK-StPO/Valerius, 52. Ed. 1.7.2024, EMRK Art. 6 Rn 2; Karpenstein/Mayer/Meyer, 3. Aufl. 2022, EMRK Art. 6 Rn 37).
Aber Anspruch aus Art. 3 Abs. 3 GG
Nach Auffassung des OLG ergibt sich aber ein Anspruch auf Erstattung der Dolmetscherkosten für das Gespräch mit dem Verteidiger, das die Anhörung vor der Entscheidung über eine Reststrafenaussetzung zur Bewährung vorbereiten soll, unmittelbar aus Art. 3 Abs. 3 GG. Das Recht auf ein faires Verfahren verbiete es, den der deutschen Sprache nicht oder nicht hinreichend mächtigen Angeklagten zu einem unverstandenen Objekt des Verfahrens herabzuwürdigen; er müsse in die Lage versetzt werden, die ihn betreffenden wesentlichen Verfahrensvorgänge zu verstehen und sich im Verfahren verständlich machen zu können (BVerfG, Beschl. v. 27.8.2003 – 2 BvR 2032/01, NJW 2004, 50). Daraus folge für das Ermittlungs- und Erkenntnisverfahren, dass der fremdsprachige Angeklagte zum Ausgleich seiner sprachbedingten Nachteile in jedem Verfahrensstadium einen Dolmetscher hinzuziehen darf und ihm die Dolmetscherkosten für die erforderlichen Mandantengespräche nicht nur mit dem Pflichtverteidiger, sondern auch mit einem Wahlverteidiger zu ersetzen sind (BGH, Beschl. v. 26.10.2000 – 3 StR 6/00, NJW 2001, 309; OLG Karlsruhe a.a.O.; Hilger, in: LR-StPO, 26. Aufl. 2010, § 464a Rn 9). Die unentgeltliche Beistandsleistung eines Dolmetschers auch für die vorbereitenden Gespräche mit dem Verteidiger sei unabdingbar, da eine wirksame Verteidigung und damit ein faires Verfahren ohne vorbereitende Verteidigergespräche kaum denkbar seien (BVerfG a.a.O.; OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.7.2005 – 1 Ws 83/05, StraFo 2005, 415 = RVGreport 2006, 276).
Gilt auch im Strafvollstreckungsverfahren
Diese Grundsätze sind nach Ansicht des OLG auch anzuwenden, wenn es im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens um die Vorbereitung der Entscheidung über die bedingte Entlassung nach § 57 Abs. 1 StGB geht (LG Dresden, Beschl. v. 8.4.2019 – 3 Qs 11/19; LG Kassel, Beschl. v. 29.1.2019 – 3 StVK 62/12). Dies gelte auch für das vorbereitende Gespräch mit seinem Verteidiger. Würde man einem fremdsprachigen Verurteilten die Erstattung von Dolmetscherkosten für dieses Gespräch mit seinem Verteidiger verweigern, so stünde er schlechter als ein deutschsprachiger. Beiden stünde zwar gleichermaßen das in § 137 Abs. 1 StPO normierte Recht zu, sich in jeder Lage des Verfahrens – wozu insoweit auch das Strafvollstreckungsverfahren gehört (KK-StPO/Willnow, 9. Aufl. 2023, StPO § 137 Rn 2 m.w.N.; BeckOK-StPO/Wessing, 52. Ed. 1.7.2024, StPO § 137 Rn 2) – des Beistandes eines Verteidigers zu bedienen. Dabei müsse ein Verurteilter – soll dieses Recht nicht leerlaufen – die Möglichkeit haben, sich in Vorbereitung der Anhörung mit dem Verteidiger zu besprechen. Die Inanspruchnahme eines Dolmetschers für Mandantengespräche durch einen Verteidiger sei auch nicht von der vorherigen Bewilligung durch das Tatgericht abhängig (BVerfG a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.).
III. Bedeutung für die Praxis
Zutreffende h.M.
1. Die vom OLG angeführte Rechtsprechung der Ober- und Instanzgerichte zeigt, dass das OLG mit seiner Entscheidung kein juristisches Neuland betreten hat, sondern sich die Entscheidung nahtlos in die Reihe der Gerichte einreiht, die bereits in der Vergangenheit ebenso zutreffend entschieden haben. Der Argumentation ist nichts hinzuzufügen (vgl. zur Zuziehung eines Dolmetschers im Ermittlungsverfahren Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 10. Aufl., 2025, Rn 5750 ff., und in der Hauptverhandlung Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 11. Aufl. 2025, Rn 4429 ff.).
Verfahren
2. Die Hinzuziehung ist im Übrigen unabhängig davon, ob ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt oder ob der Beschuldigte von einem Wahlverteidiger vertreten wird (BGHSt 46, 178). Der Pflichtverteidiger kann aber, will er auf Nummer sicher gehen, einen Antrag nach § 46 Abs. 2 RVG stellen und ggf. einen Vorschussantrag stellen. Der Wahlanwalt hat die Möglichkeit nicht. Er hat keine andere Wahl, als ggf. einen Antrag zu stellen, einen Dolmetscher beizuziehen, wobei er sich im Strafvollstreckungsverfahren auf Art. 3 GG berufen muss. Kommt das Gericht dem Antrag nach, sind die Kosten später vom Gericht zu übernehmen (zur Erstattung/Freistellung der Dolmetscherkosten in diesen Fällen Mock, RVGreport 2006, 334; zum Verfahren bei Dolmetscherkosten Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Teil A Rn 610 ff.).