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Gegenstandswert von (eingezogenen) Marihuanapflanzen

Marihuanapflanzen, die zur Gewinnung von Rauschgift zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt sind, haben auch nach Inkrafttreten des KCanG keinen anzusetzenden Gegenstandswert.

(Leitsatz des Verfassers)

BGH, Beschl. v. 25.7.20243 StR 201/23

I. Sachverhalt

BGH lässt in der Revision Einziehungsentscheidung entfallen

Das LG hat den Angeklagten am 20.12.2022 wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dem lag zu Grunde, dass er beim Betrieb einer professionell ausgestatteten Marihuana-Indoor-Plantage als Helfer tätig war. Zudem ordnete das LG gegen den Angeklagten die Einziehung einer Pistole, der sichergestellten Marihuanapflanzen und einer großen Zahl im Einzelnen bezeichneter Ausrüstungsgegenstände der Plantage an. Auf die Revision des Angeklagten hat der BGH mit Beschluss vom 30.11.2023 gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO von der Einziehung sämtlicher Einziehungsobjekte abgesehen und den entsprechenden Urteilsausspruch entfallen lassen. Die weitergehende Revision hat er gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Pflichtverteidiger beantragt Festsetzung des Gegenstandswertes

Der ausschließlich in der Revisionsinstanz tätig gewordene Pflichtverteidiger des Angeklagten hat nunmehr beantragt, gemäß § 33 Abs. 1 RVG in Verbindung mit Nr. 4142 VV RVG den Gegenstandswert seiner Verteidigertätigkeit im Revisionsrechtszug festzusetzen, soweit diese sich auf die Einziehungsentscheidung des LG bezogen hat. Der BGH hat den Gegenstandswert auf 65.000 EUR festgesetzt.

II. Entscheidung

Bemessung des Gegenstandswertes

Der Gegenstandswert für die auf die Einziehung bezogene Tätigkeit des Pflichtverteidigers in der Revisionsinstanz sei gemäß § 33 Abs. 1, § 49 RVG in Verbindung mit Nr. 4142 VV RVG auf 65.000 EUR festzusetzen. Der Gegenstandswert bemesse sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Angeklagten an der Abwehr der Einziehung (vgl. BGH, Beschl. v. 2.9.2022 – 5 StR 169/21, AGS 2022, 460; Beschl. v. 18.8.2021 – 1 StR 363/18).

Marihuanapflanzen

Die eingezogenen Marihuanapflanzen haben nach Auffassung des BGH keinen anzusetzenden Wert, weil der Umgang mit ihnen zur Gewinnung von Rauschgift zum gewinnbringenden Weiterverkauf verboten „war und ist“ (vgl. BGH, Beschl. v. 2.9.2022 – 5 StR 169/21, a.a.O.; Toussaint, Kostenrecht, 54. Aufl. 2021, RVG VV 4142 Rn 15; BeckOK-RVG/Knaudt, 64. Ed., RVG VV 4142 Rn 14; Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl. 2021, VV 4142 Rn 19). Dies gelte auch unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes (vgl. §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 KCanG).

Sonstige Gegenstände

Hinsichtlich der übrigen mit dem erstinstanzlichen Urteil eingezogenen Gegenstände sei, unabhängig davon, ob sie im Eigentum des Angeklagten standen, was vom LG nicht geklärt war, der objektive Verkehrswert zum Zeitpunkt der Entscheidung in der betreffenden Instanz anzusetzen (vgl. Toussaint, a.a.O., VV 4142 Rn 13; BeckOK-RVG/Knaudt, 64. Ed., RVG VV 4142 Rn 11; Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., RVG VV 4141 Rn 18). Dieser belaufe sich unter Berücksichtigung der Neupreise, zu denen sie ausweislich einer Internetrecherche im Handel erworben werden können, und ihres Zustandes bei der polizeilichen Sicherstellung, der aus bei den Akten befindlichen Lichtbildern ersichtlich sei, nach der gebotenen überschlägigen Betrachtung auf den vorgenannten Betrag, jedenfalls aber auf über 50.000 EUR und nicht mehr als 65.000 EUR. Eine exaktere Verkehrswertbestimmung sei im Hinblick auf die Wertgrenze des § 49 RVG für die Höchstgebühr nach Nr. 4142 VV RVG nicht veranlasst. Unerheblich sei, dass sich die Einziehungsentscheidung auch gegen einen Mitangeklagten richtete; dies ändere nichts daran, dass der volle Verkehrswert der Einziehungsgegenstände anzusetzen sei (vgl. Toussaint, a.a.O., RVG VV 4142 Rn 14; BeckOK-RVG/Knaudt, 64. Ed., RVG VV 4142 Rn 21).

III. Bedeutung für die Praxis

Lachendes und weinendes Auge

Auf den ersten Blick ist man erfreut, dass es so schnell nach Inkrafttreten des CanG und des KCanG am 1.4.2024 auch schon eine gebührenrechtliche Entscheidung zum CanG/KCanG gibt und dann auch noch vom BGH. Nach dem zweiten Blick ist die Freude dann etwas getrübt, weil man sich fragt, ob der BGH überhaupt die Aussage treffen musste, die er getroffen hat. Im Einzelnen.

Sonstige Gegenstände

Zutreffend sind die Ausführungen des BGH in Zusammenhang mit dem Gegenstandswert der „sonstigen Gegenstände“, die das LG eingezogen hatte. Insoweit kommt es auf den objektiven Verkehrswert an (vgl. eingehend Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Nr. 4142 VV Rn 27 ff., 41 ff.; auch Burhoff, AGS 2024, 243). Der Wert musste wegen der Beschränkung der (gesetzlichen) Gebühr für den Pflichtverteidiger in § 49 RVG auch nicht konkreter bestimmt werden. Man kann davon ausgehen, dass die Bemessung durch den BGH passt.

Marihuanapflanzen

Aber: Was ist mit den Marihuanapflanzen? Auch insoweit hat der BGH m.E. (zunächst) Recht, wenn er einen Gegenstandswert verneint. Denn die Pflanzen waren zu Gewinnung von Rauschgift zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Das war zum Zeitpunkt der Entscheidung des LG und auch des BGH über die Revision illegal, sodass damit ein Gegenstandswert für die (potenziellen) „Betäubungsmittel“ nicht anzusetzen war (vgl. BGH, Beschl. v. 2.9.2022 – 5 StR 169/21, AGS 2022, 460, Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4142 VV Rn 44; Burhoff, AGS 2024, 193).

Überflüssig

Schwer tue ich mich mit dem Satz des BGH: „Dies gilt auch unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes (vgl. §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 KCanG).“ Dieser Satz ist, wenn nicht falsch, so aber zumindest doch überflüssig. Zutreffend ist es zwar, wenn der BGH davon ausgeht, dass die Anpflanzung von Marihuanapflanzen zur Gewinnung von Rauschgift zum gewinnbringenden Weiterverkauf als weiterhin verboten angesehen wird (vgl. § 2 Abs. 1 KCanG); die Ausnahme des § 3 Abs. 2 KCanG greift beim Anbau zum Weiterverkauf nicht. Aber: Auf diese Frage und die Geltung kam es hier m.E. gar nicht an. Denn stellt man für die Gegenstandswertbestimmung auf den Zeitpunkt der Revisionsentscheidung ab, was der BGH bei den „sonstigen Gegenständen“ selbst tut, kann das KCanG keine Rolle spielen. Denn die Revisionsentscheidung des BGH datiert aus Dezember 2023, also lange vor Inkrafttreten des KCanG am 1.4.2024. Oder will der BGH insoweit ggf. eine Ausnahme – Stichwort: günstiges Gesetz – machen? Dann hätte er das aber auch sagen müssen und nicht nur einfach apodiktisch auf das KCanG verweisen.

Ausblick

Die Auswirkungen der Neuregelungen im CanG/KCanG auf das Gebührenrecht, vor allem in Zusammenhang mit der Nr. 4142 VV RVG, werden uns demnächst wahrscheinlich häufiger beschäftigen. Denn mit Inkrafttreten des CanG und des KCanG zum 1.4.2024 wird man die Frage des Gegenstandswertes von Cannabis neu beurteilen müssen, weil §§ 2 Abs. 3, 3 KCanG erwachsenen Personen den Besitz bzw. das Mitführen in der Öffentlichkeit von bis zu 25 g getrocknetem Cannabis zum Eigenkonsum bzw. an ihrem Wohnsitz den Besitz von insgesamt 50 g getrocknetem Cannabis zum Eigenkonsum erlaubt. Ferner ist Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, an ihrem Wohnsitz oder an ihrem gewöhnlichen Aufenthalt der private Eigenanbau von insgesamt nicht mehr als drei Cannabispflanzen gleichzeitig erlaubt. Mit dem Cannabisgesetz wird zudem der private Eigenanbau durch Erwachsene sowie der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau von Cannabis in Anbauvereinigungen zum Eigenkonsum legalisiert. Damit hat mit der Legalisierung durch das CanG Cannabis zumindest teilweise einen messbaren Wert erhalten. Interessant werden diese Frage allerdings erst, wenn Tätigkeiten im Hinblick auf den „legalen Teil“ erbracht worden sind, also z.B. beraten worden ist, ob und was und wieviel eingezogen werden kann. Da wird man dann die Frage des Gegenstandswertes diskutieren müssen. Dabei darf man dann allerdings auch nicht übersehen, dass für die Entstehung der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG der erforderliche Mindestwert von 30 EUR überschritten sein muss.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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