Der Gegenstandswert von Adhäsionsanträgen bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der Antragsteller, insbesondere nach den in den Anträgen genannten Beträgen. Im Rechtsmittelverfahren ist gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 1 GKG der Antrag des Rechtsmittelführers maßgeblich, wobei der Wert durch denjenigen des Streitgegenstands im ersten Rechtszug beschränkt ist.
(Leitsatz des Verfassers)
I. Sachverhalt
Missbrauchsverfahren mit Grundurteil
Das LG hatte in einem Verfahren mit dem Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. im Adhäsionsverfahren „dem Grunde nach festgestellt“, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin S ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen. Es hatte außerdem festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche künftigen Schäden zu ersetzen, die der Adhäsionsklägerin aus den abgeurteilten Taten entstehen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind. Von einer Entscheidung über den Antrag einer weiteren Adhäsionsklägerin hatte das LG abgesehen.
Bestätigung durch den BGH
Auf die von dem Angeklagten unbeschränkt eingelegte Revision hat der BGH klargestellt, dass der von der Adhäsionsklägerin S geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch dem Grunde nach gerechtfertigt ist, und das Urteil dahin ergänzt, dass von einer Entscheidung über die Höhe des Schmerzensgeldes abgesehen wird.
Festsetzungsanträge des Pflichtverteidigers und des Beistands
Im Kostenfestsetzungsverfahren haben der Pflichtverteidiger des Angeklagten und die der Adhäsionsklägerin S als Beistand bestellte Rechtsanwältin nun beantragt, den Gegenstandswert des Adhäsionsverfahrens in der Revisionsinstanz festzusetzen (§ 33 Abs. 1 RVG).
II. Entscheidung
Grundurteil hat keine Auswirkungen
Der BGH hat den Gegenstandswert – durch den Einzelrichter (§ 33 Abs. 8 S. 1 RVG) – auf 27.500 EUR festgesetzt. Der Gegenstandswert von Adhäsionsanträgen bestimme sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der Antragsteller, insbesondere nach den in den Anträgen genannten Beträgen (vgl. MüKo-StPO/Maier, 2. Aufl. 2022, § 472a Rn 28). Im Rechtsmittelverfahren sei gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 1 GKG der Antrag des Rechtsmittelführers maßgeblich, wobei der Wert durch denjenigen des Streitgegenstands im ersten Rechtszug beschränkt sei (§ 47 Abs. 2 S. 1 GKG).
Gegenstandswert beträgt 27.500 EUR
Danach belaufe sich der Gegenstandswert des allein die Adhäsionsklägerin S betreffenden Adhäsionsverfahrens in der Revisionsinstanz auf 27.500 EUR. Er ergebe sich zunächst aus dem von der Adhäsionsklägerin beanspruchten Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 25.000 EUR. Der Gegenstandswert des Grundurteils über den Schmerzensgeldanspruch entspreche demjenigen des geltend gemachten Anspruchs, weil es für das Grundurteil keine besondere Bewertungsvorschrift gibt. Es mindere den Gebührenwert deshalb nicht, dass nur über den Grund des Anspruchs entschieden worden sei (vgl. Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, 15. Aufl. 2021, Rn 2.2026 m.w.N.); die im Rechtsmittelverfahren maßgebliche Beschwer entspricht damit bei vollumfänglicher Stattgabe dem Grunde nach dem Wert des bezifferten Anspruchs (vgl. Schneider/Kurpat, a.a.O., Rn 2.2028 m.w.N.). Daneben sei der Wert des Ausspruchs über die Feststellung der Ersatzpflicht des Angeklagten für sämtliche künftigen Schäden der Adhäsionsklägerin maßgeblich, den der Senat in Anbetracht der sich aus den Urteilsgründen ergebenden Umstände ebenso wie das LG für das erstinstanzliche Verfahren mit 2.500 EUR bemesse.
III. Bedeutung für die Praxis
Anknüpfungspunkt
1. Für die Höhe der ggf. im Adhäsionsverfahren anfallenden zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4143 VV RVG ist, da es sich bei der Gebühr um eine reine Wertgebühr handelt, der Gegenstandswert maßgeblich. Für die Festsetzung gelten die allgemeinen Regeln der §§ 22 ff., 32 RVG. Der Gegenstandswert wird vom Gericht für jede Instanz gesondert festgesetzt, für die Revisionsinstanz also ggf. vom BGH, und zwar gem. § 33 Abs. 8 S. 1 RVG vom Einzelrichter. Entscheidend für die Höhe des Gegenstandswertes ist der Wert des geltend gemachten bzw. abgewehrten Anspruchs, nicht etwa nur der Wert des letztlich zuerkannten Anspruchs (vgl. die Anm. zu Nr. 3700 KV GKG; AnwKomm-RVG/N. Schneider, 9. Aufl. 2021, VV 4143–4144 Rn 26 ff.; Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, 6. Aufl. 2021, Nr. 4143 VV Rn 28 m.w.N.; BGHZ 182, 192 = NJW 2009, 2682 = StRR 2009, 385 m.w.N. zur vom BGH abgelehnten a.A.; BGH, Beschl. v. 7.11.2022 – 6 StR 124/22, AGS 2023, 39). Über § 23 Abs. 1 S. 1 RVG gelten grds. die Wertvorschriften des GKG).
(Wohl) zutreffende Festsetzung
2. Auf der Grundlage hat der BGH hier den Gegenstandswert zutreffend auf 27.500 EUR festgesetzt. Der Betrag ergibt sich aus dem von der Adhäsionsklägerin geltend gemachten Schmerzensgeld von 25.000 EUR. Dieser Betrag war im Streit, was sich nicht dadurch geändert hat, dass das LG nur ein Grundurteil erlassen hatte. Insofern war also der Gegenstandswert nicht zu reduzieren. Dazu addiert hat der BGH dann den Wert des von der Adhäsionsklägerin geltend gemachten Feststellungsantrags, den er mit 2.500 EUR bemessen hat. Ob das angemessen bemessen ist, lässt sich, da sich die insoweit maßgeblichen „aus den Urteilsgründen ergebenden Umstände“ nicht bekannt sind, nicht abschließend beurteilen.