Bedeutung des beA-Prüfprotokolls für den Nachweis des fristgerechten Eingangs eines elektronischen Dokuments bei Gericht.
(Leitsatz des Verfassers)
I. Sachverhalt
Verfahrensgang
Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt. Mit Beschluss vom 11. 12.2023 hat das LG die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen. Die Verwerfung der Revision durch das LG beruhte auf folgendem Verfahrensgang: Nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe am 8.11.2023 hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 4.12.2023 die zuvor form- und fristgemäß eingelegte Revision begründet und das Dokument am selben Tag mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) an das LG versandt. Das anschließend von seiner Softwareanwendung generierte Prüfprotokoll („beA-Nachricht XXX“) hat als Empfänger das LG Göttingen, als „Übermittlungscode“ die Zahlenfolge „9710“ und als „Meldetext“ die Mitteilung „Interner Fehler des Suppliers bei der Zertifikatsprüfung“ ausgewiesen. Die Spalten „OSCI-Nachrichten-ID“, „Zugegangen“ und „Übermittlungsstatus“ waren nicht ausgefüllt.
Seine Verwerfungsentscheidung hat das LG damit begründet, dass eine Revisionsbegründung bis zum Ablauf der Frist nach § 345 Abs. 1 StPO nicht beim LG eingegangen sei. Gegen diesen Beschluss hat der Verteidiger die Entscheidung des Revisionsgerichts beantragt und ausgeführt, dass der fristgerechte Zugang der Rechtsmittelbegründung vor dem Hintergrund des dem Antrag beigeschlossenen beA-Prüfprotokolls nicht zweifelhaft sein könne. Der BGH hat den Antrag des Angeklagten als zulässig, aber als unbegründet angesehen.
II. Entscheidung
Eingang des elektronischen Dokuments bei Gericht
Das LG habe die Revision mit Recht als unzulässig verworfen. Die Revisionsbegründungsfrist sei nicht gewahrt. Nach § 32a Abs. 5 S. 1 StPO sei ein elektronisches Dokument bei Gericht eingegangen, sobald es auf dem für dieses eingerichteten Empfängerintermediär im Netzwerk für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) gespeichert ist; unerheblich sei, ob es von dort aus rechtzeitig an andere Rechner innerhalb des Gerichtsnetzes weitergeleitet oder von solchen Rechnern abgeholt werden konnte (vgl. BGH, Beschl. v. 8.8.2023 – 3 StR 264/23; entsprechend zu § 130a Abs. 5 S. 1 ZPO Beschl. v. 8.3.2022 – VI ZB 25/20; v. 29.9.2021 – VII ZR 94/21, NJW 2021, 3471; v. 11.5.2021 – VIII ZB 9/20; v. 30.3.2023 – III ZB 13/22, NJW 2023, 1737 m.w.N.; siehe auch MüKo-StPO/Beller/Gründler/Kindler/Rochner, 2. Aufl., § 32a Rn 45; BT-Drucks 18/9416, S. 47). Die Eingangsbestätigung nach § 32a Abs. 5 S. 2 StPO, die der Justizserver bei ordnungsgemäßem Zugang der Nachricht automatisch generiere und deren Inhalt von der Justizverwaltung dem Absender mittels strukturierten Datensatzes im XML-Format zur Verfügung gestellt werde (vgl. Fritzsche, NZFam 2022, 1, 6), solle dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Zutun von Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich gewesen sei oder weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich seien (vgl. BGH, Beschl. v. 20.9.2022 – XI ZB 14/22, NJW 2022, 3715 und v. 24.5.2022 – XI ZB 18/21, NJW-RR 2022, 1069). Sie werde durch das beA-System in die gesendete Nachricht eingebettet und könne nach deren Öffnen vom Absender in der Nachrichtenansicht der beA-Webanwendung auf dem Computerbildschirm anhand des Meldetextes „Request executed“, dem Eingangsdatum und dem Übermittlungsstatus „erfolgreich“ optisch wahrgenommen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 24.5.2022 – XI ZB 18/21, NJW-RR 2022,1069 m.w.N.).
Empfängerintermediär nicht fristgerecht erreicht
Hier habe die Rechtsmittelbegründungsschrift den Empfängerintermediär nicht fristgerecht erreicht. Dies sei bereits aus dem vom Verteidiger vorgelegten beA-Prüfprotokoll erkennbar. Es fehle die eine erfolgreiche Verbindung ausweisende „OSCI-Nachrichten-ID“ und das vom Empfängerintermediär bestätigte Eingangsdatum („zugegangen“). Der fehlende erfolgreiche Kontakt zum Empfängerintermediär werde ferner belegt durch die vom Senat eingeholte – dem Verteidiger und dem Angeklagten zur Stellungnahme übersandte – Auskunft des Projektbüros der Bund-Länder-Kommission, Arbeitsgruppe IT-Standards in der Justiz, vom 25.3.2024. Hiernach weise auch der im beA-Prüfprotokoll ausgewiesene „Übermittlungscode 9710“ aus, dass es zu keinem Kontakt zum Empfängerintermediär gekommen sei. Eine Eingangsbestätigung nach § 32a Abs. 5 StPO sei deshalb nicht generiert worden.
III. Bedeutung für die Praxis
Augen auf!
1. Man versteht nicht, wieso der Verteidiger bei dem technischen Verfahrensablauf von einem rechtzeitigen Eingang seiner Revisionsbegründung ausgegangen ist. Da hätte doch ein einfacher Blick in das beA-Prüfprotokoll gereicht. Also: Augen auf!
Wiedereinsetzung
2. Ebenso wenig ist verständlich, warum nicht, als der Angeklagte/Verteidiger Kenntnis vom Verwerfungsbeschluss des LG hatte, sofort ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt worden ist. Den haben aber weder der Angeklagte noch sein Verteidiger gestellt. Das hätte zu dem Zeitpunkt ggf. Erfolg gehabt, wenn er zutreffend begründet worden wäre. Dazu hätte gehört, dass entweder vorgetragen worden oder offenkundig gewesen wäre, wann der Angeklagte Kenntnis vom Verwerfungsbeschluss der Strafkammer genommen hat, der ihm formlos bekannt gemacht worden ist. Jetzt ist es jedenfalls zu spät, zumal die erforderlichen Angaben nicht dargelegt und auch nicht glaubhaft gemacht waren.
Wiedereinsetzung von Amts wegen
3. Der BGH hat schließlich auch für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen keinen Raum gesehen. Dafür fehlte ihm Vortrag dazu, wann der Angeklagte Kenntnis vom Verwerfungsbeschluss der Strafkammer genommen hat. Deutlich im Hinblick auf die Verteidigerleistung ist dann der abschließende Satz des BGH: „Anhaltspunkte für einen ausnahmsweise zur Wiedereinsetzung von Amts wegen nötigenden ‚offenkundigen Mangel‘ der Verteidigung (vgl. EGMR NJW 2003, 1229; BGH, Beschl. v. 12.1.2021 – 3 StR 422/20, NStZ-RR 2021, 112; v. 7.8.2019 – 3 StR 165/19, NStZ-RR 2019, 349; v. 5.6,2018 – 4 StR 138/18, BGHR MRK Art. 6 III Buchst. c Beschränkung 3) liegen noch nicht vor.“ Deutlicher kann man subtil kaum zum Ausdruck bringen, dass der Verteidiger hier wohl Murks gemacht hat. Aber für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen wohl nicht Murks genug.