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Nicht geringe Menge Cannabis nach neuem Recht

Der Grenzwert für die nicht geringe Menge nach § 34 KCanG liegt bei 7,5 Gramm THC.

(Leitsatz des Verfassers)

BGH, Beschl. v. 30.4.20246 StR 164/24

I. Sachverhalt

Bewaffnetes Handeltreiben mit Amphetamin und Marihuana

Nach den Feststellungen des LG kaufte der Angeklagte im Frühjahr 2022 Amphetamin und Marihuana. Während er das Amphetamin in der Folge nahezu vollständig gewinnbringend weiterveräußerte, verkaufte er vom Marihuana nur einen kleinen Teil und bewahrte die übrige Menge auf, um sie später zu konsumieren oder zu verkaufen.

Im Dezember 2022 beschaffte sich der Angeklagte ein weiteres Kilogramm Amphetamin, von dem er sodann 226,12 Gramm weiterverkaufte. Die Restmenge sowie das übrige, bereits im Frühjahr 2022 erworbene Marihuana lagerte er in seinem Wohnhaus, wo es am 27.2.2023 aufgefunden wurde. Zudem verwahrte der Angeklagte dort griffbereit eine funktionsbereite, geladene Schreckschusspistole und einen Teleskopschlagstock.

Revision teilweise erfolgreich

Die Strafkammer ist von zwei tatmehrheitlich begangenen Taten ausgegangen und hat den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitstrafe verurteilt. Auf dessen Revision hat der BGH den Schuldspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wurde hingegen verworfen.

II. Entscheidung

Konkurrenzrechtliche Bewertung fehlerhaft

1. Der Senat beanstandet, dass die Strafkammer bei ihrer konkurrenzrechtlichen Bewertung nicht erkennbar bedacht habe, dass nur eine Tat anzunehmen gewesen wäre, wenn es sich bei dem zur Veräußerung bestimmten Anteil des am 27.2.2023 noch vorhandenen Marihuanas um eine nicht geringe Menge gehandelt hätte.

Klammerwirkung auch nach neuem Recht möglich

Bei der Aufbewahrung zweier unterschiedlicher, zum Verkauf bestimmter, nicht geringer Mengen von Betäubungsmitteln in einem Raum verbinde wegen der Teilidentität der Ausführungshandlungen das gleichzeitige Bereithalten einer Waffe i.S.v. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG an diesem Ort beide Taten zur Tateinheit. Dies gelte auch im Anwendungsbereich des neuen KCanG. Der als Verbrechen ausgestaltete Qualifikationstatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG habe die Kraft, das Handeltreiben mit BtM in nicht geringer Menge hinsichtlich des im Frühjahr 2022 erworbenen Amphetamins und das bewaffnete Handeltreiben hinsichtlich des im Dezember 2022 gekauften weiteren Amphetamins zu einer Tat zu verklammern. Eine Änderung des Schuldspruchs durch den Senat sei aufgrund fehlender Feststellungen nicht möglich, denn im Urteil des LG sei offengeblieben, welcher Anteil des beim Angeklagten noch vorhandenen Marihuanas zum Konsum und welcher zum Verkauf bestimmt war.

Nicht geringe Menge Cannabis bei 7,5 Gramm THC

2. Zur nicht geringen Menge führt der Senat unter Hinweis auf die Entscheidung des 1. Strafsenats des BGH vom 18.4.2024 (1 StR 106/25, StRR 5/2024, 24) aus, dass der Grenzwert bei 7,5 Gramm THC liege.

III. Bedeutung für die Praxis

Begründungsloser Anschluss an den 1. und 5. Strafsenat

Die Entscheidungen des 1. Strafsenats (s.o.) sowie des 5. Strafsenats (Beschl. v. 23.4.2024 – 5 StR 153/24, StRR 6/2024, 30) des BGH, wonach ungeachtet des in der Begründung zum KCanG geäußerten Willens des Gesetzgebers nach einem deutlich höheren Grenzwert die nicht geringe Menge Cannabis weiterhin bei 7,5 Gramm THC erreicht sei, waren und sind umstritten; teils sehen sich die Senate heftiger Kritik ausgesetzt. Dies ficht den 6. Strafsenat jedoch offensichtlich nicht an, beschränkt sich die „Begründung“ seiner Auffassung doch auf einen Verweis auf den 1. Strafsenat. Eine Auseinandersetzung mit den Einwänden gegen diese Rechtsprechung scheint dagegen für entbehrlich gehalten zu werden.

Klare Tendenz der Rechtsprechung

Gleichwohl müssen insbesondere Angeklagte und Verteidiger zur Kenntnis nehmen, dass sich die Tendenz der obergerichtlichen Rechtsprechung zum „alten“ Grenzwert zu verfestigen scheint (s. auch die Entscheidungen des OLG Hamburg, Beschl. v. 9.4.2024 – 5 Ws 19/24, StRR 5/2024, 30 sowie des KG, Beschl. v. 30.4.2024 – 5 Ws 67/24, StRR 6/2024, 19). Zudem hat die Hoffnung, dass einer der Strafsenate des BGH wegen der grundsätzlichen Bedeutung eine Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen herbeiführen wird, einen weiteren Dämpfer erhalten.

RiOLG Thomas Hillenbrand, Stuttgart

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